Donnerstag, 21. Juni 2012

St.Michael 1983: Eine komplexe "Bahnhofs-Streckenblockung"

Ende September 1983 war ich in St.Michael, an der Rudolfsbahn. St.Michael ist ein Abzweigbahnhof, der aus historischen Gründen interessant liegt: Die Strecke mit der hauptsächlichen Zugbelastung, nämlich die heutige Südbahn, geht in einer "Schleife" am Bahnhof vorbei. Das folgende Diagramm zeigt die Lage der Streckengleise, Hauptsignale und Stellwerke (die Fahrdienstleitung ist im Aufnahmegebäude):


Interessant und speziell war die Sicherung von Fahrten auf den Gleisen, die nicht direkt im Bahnhofsgleisfeld lagen, also den Schleifengleisen und den Verbindungsgleisen zwischen Südbahn und Bahnhof. Für diese Gleise gab es ja niemand, der eine entsprechende Sicht darauf hatte und eine visuelle Gleisfreiprüfung vornehmen konnte. Daher waren diese Gleise aus Sicherheitssicht wie Streckengleise zu behandeln. Andererseits waren alle diese Gleise unter der "Hoheit" eines Fahrdienstleiters, daher war eine vollwertige Streckenblockung nicht nötig und auch nicht sinnvoll, weil sie zusätzliche Bedienhandlungen erfordert hätte. Die Lösung sind acht zusätzliche Felder im Befehlswerk, gekuppelte Blocktasten, und je ein zusätzliches Feld auf den Stellwerken 3 und 4.

Die folgende Skizze zeigt die Anordnung der Blockfelder und Knaggen für die Fahrten Richtung Bruck a.d.Mur am Befehlswerk in der Fahrdienstleitung, mit dem der Fahrdienstleiter die Befehle für das Stellwerk 3 abgibt:


Nach Bruck a.d.Mur sehen wir, wie für ein 5007er-Befehlswerk üblich, ein Ba- und ein Fa-Feld. Zwei Knaggen unten wählen die Fahrt aus: "a.d.Bf" = "aus dem Bahnhof", also über das Signal 2A; und "a.d.S." = "aus der Schleife", also über das Signal 2AS.

Von Bruck a.d.Mur ist die Sache komplizierter: Das Ba-Feld hat keine eigene Taste, sondern wird mit einem von zwei anderen Feldern mitgeblockt:
  • Entweder mit dem Feld "Blockfahrt", was eine Fahrt von 1E nach A bedeutet, also in den Bahnhof.
  • Oder mit dem Feld "Gleisbesetzg.Bl.", was eine Fahrt von 1E nach 1AS bedeutet, also über die Schleife.
Auch hier dienen wieder zwei Knaggen für die Auswahl der Fahrt.

Die Bezeichnung der zwei zusätzlichen Felder ist übrigens alles andere als klar: Woher soll man bitte wissen, dass die "Blockfahrt" jene zum Bahnhof ist, während die "Gleisbesetzung Bl(ock??)" die Fahrt über die Schleife ist? Wenigstens eine Erwähnung des Begriffs Schleife oder der Buchstaben S beim zweiten Feld wäre hilfreich. Aber vermutlich sind die Bezeichnungen "schon immer so gewesen", vielleicht sogar bevor der Blockapparat überhaupt in Betrieb genommen wurde, und waren daher immer verständlich.

Im folgenden Bild habe ich diese Einrichtungen fotografisch festgehalten, was eine weitere Unklarheit zeigt. Die Schilder unter den Blockfeldern lauten nämlich
  • von Bruck a.d.Mur
  • Richtung von | von od. nach | nach Bruck a.d.Mur
  • nach Bruck a.d.Mur,
wobei das "von od. nach" sich unter dem linken Fa-Feld befindet. Ich komme auf keinen Grund und keine Möglichkeit, dass dieses Fa-Feld tatsächlich für zwei Richtungen verwendet wird; und bei den entsprechenden Ff-Feldern am Stellwerk 3 findet sich auch keine solche Beschriftung. Ich denke eher, dass das Schild noch aus jener alten Zeit stammt, als die Strecke nach Leoben eingleisig war und nur ein Fa-Feld vorhanden war. Wieso man dann aber offenbar zwei neue Schilder links und rechts daneben gesetzt, das alte jedoch nicht entfernt hat, ist ziemlich rätselhaft:

Befehlswerk, Fdl St.Michael, 29.9.1983

Am Beispiel einer Fahrt von Bruck a.d.Mur in den Bahnhof sieht man, wie die Folgezugsicherung abläuft:
  • Der Fahrdienstleiter blockt das "Blockfahrt"-Feld und damit zugleich das Ba-Feld Richtung Stw.3. Außerdem gibt er durch Blocken eines anderen Ba-Feldes (auf einem anderen Befehlswerk, das wir weiter unten sehen) den Befehl für die Einfahrt in den Bahnhof an Stw.1.
  • Die zwei Stellwerke 3 und 1 legen ihre Fahrstraßen fest und stellen die Signale 1E und A auf frei.
  • Nun fährt der Zug – nehmen wir an, es ist ein kurzer Zug, vielleicht ein Lokzug. Nach der Vorbeifahrt am Stellwerk 3 löst er dort die Tastensperre aus, und ...
  • ... nun kann der Stellwerker das Be-Feld blocken. Damit läuft das Ba-Feld in der Fahrdienstleitung wieder auf rot.
  • Und nun kommt der wesentliche Punkt: Der Zug ist gerade zwischen Signal 1E und A – es darf also nicht möglich sein, dass der Fdl eine weitere Einfahrt auf dieses Gleis am Stellwerk 3 befehlen kann! Und genau das wird durch das "Blockfahrt"-Feld verhindert: Es ist noch immer geblockt, und daher kann über dieses Feld das Ba-Feld nicht erneut geblockt werden. Es ist aber problemlos möglich, dass das "Gleisbesetzg.Bl."-Feld zusammen mit dem Ba-Feld geblockt wird, was sofort eine Fahrt von Signal 1E nach 1AS erlaubt – denn dadurch ergibt sich ja keine Gefährdung des Zuges, der gerade zum Signal A fährt.
Wie wird das "Blockfahrt"-Feld wieder entblockt? Das passiert mit dem Rückblocken des Be-Feldes durch das Zielstellwerk, in diesem Fall Stellwerk 1. Dadurch, dass der Zug dort die Tastensperre auslöst, wenn er die entsprechende Zugschlussstelle im Bahnhof befahren hat, und der Stellwerker vor dem Blocken des Be-Feldes den Zugschluss beobachtet haben muss, ist sichergestellt, dass die Strecke 1E nach A sicher wieder frei ist, wenn nun das "Blockfahrt"-Feld in der Fahrdienstleitung entblockt wird. Daher ist nun (erst) eine erneutes Blocken von "Blockfahrt" mit Abgabe eines Befehls durch das Ba-Feld gefahrlos möglich.

Das Befehlswerk für das Stw.4, also für alle Fahrten von und nach St.Veit a.d.Glan, war vollkommen analog aufgebaut. Allerdings ist hier die Beschriftung nicht so verwirrend wie Richtung Bruck a.d.Mur:

Befehlswerk, Fdl St.Michael, 29.9.1983

Auf dem folgenden Bild sieht man schließlich den Rankapparat und darauf das Befehlswerk für die Stellwerke 1 (links) und 2 (rechts).
  • Richtung Selzthal haben wir die üblichen 3 Felder für eine eingleisige Strecke: Ein Ba-Feld je Richtung sowie ein gemeinsames Fa-Feld. Daneben liegt noch ein Za-Feld für eine Anschlussbahn beim Stw.2 sowie aus Platzgründen ein Ze-Feld für das Stellwerk 4, nämlich für die Anschlussbahn in Kaisersberg – das ist an der Strecke nach St.Veit.
  • Am Befehlswerk für das Stellwerk 1 sehen wir dagegen wieder die "Blockfahrt"-Felder: Sowohl das Ba-Feld nach St.Veit a.d.Glan (links von der Mitte) wie auch jenes nach Bruck a.d.Mur (zweites Feld von rechts) sind jeweils mit einer Doppeltaste mit dem danebenliegenden "Blockfahrt"-Feld verbunden. Wie vorher wird bei der Abgabe des Befehls das jeweilige "Blockfahrt"-Feld mitgeblockt und verhindert eine weitere Befehlsabgabe. Erst wenn das jeweilige Zielstellwerk – Stw.4 Richtung St.Veit a.d.Glan, Stw.3 Richtung Bruck a.d.Mur – sein Be-Feld blockt, wird hier das "Blockfahrt"-Feld entblockt (zusammen mit dem Ba-Feld auf dem jeweiligen Befehlswerk aus einem der vorherigen Bilder).
Auch sieht man auf dem Bild schön die Zwischenkurbel zwischen den beiden Blockwerken:

Befehlswerk, Fdl St.Michael, 29.9.1983

Für die Einfahrt in den Bahnhof sind die Ba-Felder jeweils mit einem Ss-Feld (Streckenschaltfeld) gekuppelt.
Zum Verständnis dieser Felder muss man ein wenig die Abläufe der älteren österreichischen Streckenblock-Bauarten verstehen: Dort war es so, dass der Stellwerkswärter die Rückblockung zum vorher gelegenden Bahnhof direkt mit dem Blocken seines Be-Feldes abgab. Es waren also Streckenblockung und Bahnhofsblockung eng miteinander verzahnt.
Ein wenig (aber nur ein wenig) genauer erklärt:
  • Am (aus Sicht einer Zugfahrt) zurückliegenden Bahnhof gab es ein Anfangsblockfeld (A), bei dessen Blocken der Befehl an das dortige Stellwerk abgegeben wurde (aber keine "Vorblockung" an ein E-Feld am anderen Ende der Strecke!).
  • Die Rückgabe dieses Befehls vom Stellwerk entblockte aber nur das dortige Ba-Feld (oder in späteren Bauarten Hb-Feld), das A-Feld der Fahrdienstleitung blieb geblockt; dadurch war eine erneute Befehlsabgabe vorerst nicht möglich, und die Folgezugsicherung war erreicht.
  • Etwas später erfolgte nun die Einfahrt am nächsten Bahnhof, in der üblichen Reihenfolge: Zuerst Befehlsabgabe und Fahrstraßenfestlegung, ...
  • ... dann durch die Zugseinfahrt Auslösung der Tastensperre, ...
  • ... daraufhin Rückblocken des Befehls vom Stellwerk an die Fahrdienstleitung. Und in den Schaltkreis für dieses Rückblocken war nun neben dem Be-Feld des Stellwerks und dem Ba-Feld der Fahrdienstleitung auch das zurückliegende A-Feld einbezogen, das dadurch wieder entblockt wurde, sodass nun am zurückliegenden Bahnhof eine erneute Befehlsabgabe möglich war.
Im Regelbetrieb war das ein wasserdichtes Verfahren: Nur nach Zugmitwirkung (Auslösen der Tastensperre) und Zugschlussbeobachtung (verpflichtend vor der Rückgabe des Befehls durch den Stellwerker) konnte der Rückblock abgesetzt werden.

Allerdings gab es nun folgendes Problem: Eine Sicherungsanlage muss die Rücknahme eines Befehls ermöglichen, wenn eine unvorhersehbare Änderung im Betrieb auftritt, z.B. das Vorziehen einer Ausfahrt. Bei den österreichischen Blockapparaten, die mit den 5007er-Stellwerken verwendet wurden, gab es dafür einen Umschalter in der Fahrdienstleitung, durch den mit Hilfe des Induktors die Tastensperre ausgelöst werden konnte – es wurde sozusagen eine Zugfahrt simuliert. Daraufhin konnte vom Stellwerk das Be-Feld zurückgeblockt werden, gemeinsam mit dem Blocken der Tastensperre über die Doppeltaste.

Das Problem ist nun, dass dieses Blocken des Be-Feldes auch einen Rückblock abgesetzt hätte, obwohl der Zug noch auf der Strecke war – und damit wurde die Gefahr eines Auffahrunfalls heraufbeschworen, weil der zurückliegende Bahnhof ja nun eine erneute Ausfahrt stellen konnte!

Um das zu verhindern, gab es das erwähnte Streckenschaltfeld (Ss-Feld): Im Prinzip war es wie das Ts-Feld geschaltet, wurde also auch durch den einfahrenden Zug ausgelöst, aber es wurde eben bei der Rücknahme eines Befehls nicht ausgelöst. Und Kontakte an diesem Feld lagen nun in der Verbindung des Be-Feld des Stellwerks mit dem A-Feld im zurückliegenden Bahnhof. Dadurch wurde der Rückblock nur abgesetzt, wenn tatsächlich die Zugfahrt stattgefunden hatte! Eine Rücknahme der Ausfahrt hatte auf das Ss-Feld ja keinen Einfluss. Damit war die Folgezugsicherung auch bei Rücknahme eines Befehls noch immer gewährleistet.

Praktisch wurde dieses Ss-Feld in der Fahrdienstleitung angeordnet und über eine Doppeltaste mit dem Ba-Feld geblockt. Das war aber nicht so sehr technisch nötig (man hätte es z.B. auch mit der Fahrstraßenfestlegung im Stellwerk blocken können), sondern der österreichischen Philosophie geschuldet, dass sowohl der Stellwerker als auch der Fahrdienstleiter an Sicherungsabläufen beteiligt sein sollten.

In St.Michael gab es nun analoge Ss-Felder in der "Bahnhofsstreckenblockung" für die Schleifengleise und die südlichen Zufahrtgleise. Für die Einfahrten von St.Veit und Bruck in den Bahnhof waren diese Ss-Felder wie üblich über Doppeltasten mit den Ba-Feldern verbunden. Fast gleich wie oben erklärt, kuppelten diese Ss-Felder die Be-Felder von Stellwerk 1 an die Blockfahrt-Felder der vorher gezeigten Befehlswerke für Stellwerk 3 und 4. Und bei einer Rücknahme einer Fahrt beim Stellwerk 1 ohne Zugfahrt, also bei geblocktem Ss-Feld, entblockte nun das Blockfahrt-Feld – weil vom nicht ausgelösten Ss-Feld nicht durchgeschaltet – nicht, sodass der dort eventuell fahrende Zug nicht durch einen erneuten Befehl von Stellwerk 3 bzw. 4 gefährdet werden konnte.

Das folgende Diagramm versucht diese Zusammenhänge schematisch darzustellen. Auf dem Diagramm habe ich die Blockapparate so angeordnet, als ob es sich um zwei Bahnhöfe handeln würde:
  • Der "zurückliegende Bahnhof" besteht aus einer Fahrdienstleitung und dem Stellwerk 4.
  • Der folgende "Bahnhof" besteht aus ebenfalls einer Fahrdienstleitung sowie dem Stellwerk 1.
Innerhalb jedes "Bahnhofs" sind die Felder wie üblich paarweise verbunden (Be-Ba=rote Linien und Ff-Fa=grüne Linien), außerdem sind Ts-Felder für die Zugeinwirkung vorhanden (schwarze Linien). Zusätzlich ist aber – wie bei einem Streckenblock – das Be-Feld des Stellwerk 1 zum "Blockfahrt"-Feld (also sozusagen Anfangsfeld) im zurückliegenden "Bahnhof" (also hier dem Fdl-Blockwerk für das Stw.4) durchgeschaltet, und zwar über das Ss-Feld; und über diese Verbindung wird der "Rückblock" abgesetzt:


Vielleicht sollte ich noch ein Wort zur Gegenzugsicherung fallen lassen – aber ich weiß nicht, wie sie funktioniert hat, und es gibt auch keine Hinweise auf den Blockwerken. Die Blockwerke für die Stellwerke 3 bzw. 4 und das Stellwerk 1 sind nicht mechanisch verbunden, sodass eine Verriegelung über Fahrstraßenschieber o.ä. ausscheidet. Meine Annahme ist, dass die Ba-Felder und die "Blockfahrt"- bzw. "Gleisbesetzg."-Felder "ganz einfach" gegeneinander so verschaltet waren, dass Gegenfahrten zwischen Stellwerk 1 und Stellwerk 3 bzw. 4 nicht zugleich befohlen werden konnten. Im Gegensatz zu einer eingleisigen Strecke mit zwei Bahnhöfen an den Enden, wo die Verriegelung über Erlaubnis- oder Richtungsfelder stattfinden muss und möglichst wenig Block-Telegrafenleitungen gezogen werden sollen, war dies hier ja einfacher zu bewerkstelligen, weil man beliebige Schaltungen zwischen den Feldern der Fahrdienstleitung realisieren konnte.

Auf all den vorherigen Befehlswerken sind übrigens Fahrten freigestellt. Allerdings sind die Fotos in größerem Zeitabstand entstanden, daher haben die Fahrten nicht unbedingt etwas miteinander zu tun.

Das folgende Bild zeigt den Blockapparat am Stellwerk 2 Richtung Selzthal. Der Blockapparat hat die üblichen fünf Felder für eine eingleisige Strecke mit ZG, also Ts+Be, Ff, Be+Ts. Zu den Zustimmungsfeldern äußere ich mich lieber nicht genau. Das Gegenfeld des Ze-Feldes ist in der Fahrdienstleitung – darüber werden wohl Einfahrten von Süden auf bestimmte Gleise verhindert. Das Gegenfeld zum Za-Feld links außen könnte eine Ortsbedienung dieser – weit draußen liegenden – Weiche sein. Die Lichtsignale werden schon über Knaggen gestellt:

Blockapparat, Stw.2 St.Michael, 29.9.1983

Hier sieht man den mittleren Teil der Hebelbank, links außen sind die üblichen freien Plätze, die früher durch Signalhebel belegt waren. Bemerkenswert sind auch die alten Fernsprech- und Weckereinrichtungen sowie die Schrankensummer und die Schrankenüberwachung auf dem Schieberkasten:

Blockapparat und Hebelbank, Stw.2 St.Michael, 29.9.1983

Die Signalanzeigetafel oberhalb des Schaltschranks zeigt u.a. die Weiche 75:

Signalanzeigetafel, Stw.2 St.Michael, 29.9.1983

In die Gleise 15-23 konnte von Süden her signalmäßig eingefahren werden, aber eine Ausfahrt Richtung Selzthal war nicht möglich. Daher stand hier ein Ausfahrsignal, das nur eine rote Signallampe hatte (ziemlich sicher mit Doppelfaden). Rechts im Hintergrund ist das Stellwerk 2 zu sehen:

Ausfahrsignal R15-23, rechts hinten Stw.2, St.Michael, 29.9.1983

Auf der oben gezeigten Anzeigetafel ist dieses dauerrote Ausfahrsignal übrigens als R15-19 bezeichnet – und diese Bezeichnung habe ich auch in meine Gleisskizze übernommen, obwohl R15-23 eigentlich korrekt wäre (erst Alexander Binder hat mich dankenswerterweise auf diese Ungereimtheit hingewiesen):


Das nächste Bild zeigt das imposante Bahnhofsgebäude, vollkommen unverdeckt von irgendwelchen Zwischenbahnsteigdächern oder anderem Firlefanz (ausgenommen zwei Fahrleitungsmasten für das Quertragwerk):

Bahnhofsgebäude, St.Michael, 29.9.1983

Die Signalanzeigetafel am Stellwerk 1 zeigt, dass die zwei Einfahrsignale A und B hier noch Formsignale sind, während als Ausfahrsignale schon Lichtsignale aufgebaut sind. Die Darstellung der Verschubsignale ist etwas gewöhnungsbedürftig und abweichend vom Stellwerk 2 – hier gab es offensichtlich verschiedene Ansichten in der Signalbauwerkstatt. Links oben ist die Anzeige für die Besetzung von drei Isolierschienen zu sehen ("Js.Ausf.-St.Veit", "Js.Einf.-St.Veit" und "Js.Einf.u.Ausf.-Bruck"):

Signalanzeigetafel, Stw.1 St.Michael, 29.9.1983

Wenden wir uns dem Blockapparat des Stellwerk 1 zu.
  • Vor ihm stehen die zwei Doppelsteller für die Formsignale B und A.
  • Die linken 10 Felder des Blockapparats sind die zwei üblichen Fünfergruppen für zwei eingleisige Strecken.
  • Ganz rechts sind aber zwei weitere Ze-Felder sichtbar, mit denen es folgende Bewandtnis hat: Auf den Ausfahrsignalen H sind keine Vorsignale montiert, d.h. es fehlt die Vorsignalisierung für die Signale 1A und 2A! Um trotzdem zügig ausfahren zu dürfen, gab es daher folgenden "Vorsignalersatz": Sobald das jeweilige Abzweigstellwerk sein Signal (1A oder 2A) freigestellt hatte, konnte es ein Za-Feld blocken, das zum Entblocken des jeweiligen der hier sichtbaren Ze-Felder führte. Und erst wenn dieses Feld entblockt war, wurde der Grün-Stromkreis für das freigestellte H-Ausfahrsignal durchgeschaltet. Das Signal 1A oder 2A wurde durch das geblockte Za-Feld natürlich nicht in Freistellung verriegelt – es musste ja bei Gefahr im Verzug auf Halt gestellt werden können. Dadurch war dann aber die abgegebene "Zustimmung zur Freistellung von H" eigentlich nicht mehr korrekt. Ich weiß nicht, ob dann das H-Signal auch auf Halt fiel (obwohl das Ze-Feld entblockt war – aber wenn man den Stromkreis über die Abzweigstellwerke geführt hätte, hätte man sich diese Blockfelder gleich ersparen können) oder ob der Lokführer dann doch unerwartet ein auf Halt stehendes Signal sah. Ich nehme aber an, dass Letzteres der Fall war.

Blockapparat und Hebelbank, Stw.1 St.Michael, 29.9.1983

Hier sieht man fast die ganze Hebelbank in ihrer vollen Schönheit, mit Madnerhebeln und einem Gleisanzeiger und vielen Fahrstraßenknaggen:

Hebelbank und Blockapparat, Stw.1 St.Michael, 29.9.1983

Auf dem Weg zum Stellwerk 4 ist mir die 1245.541 auf ihrer Rückfahrt von einer Sperrfahrt von der AB Kaisersberg entgegengekommen. Links neben ihr das Signal B, im Hintergrund sieht man weit entfernt einige Fahrleitungsmasten des Schleifengleises:

1245.541 Einfahrt auf Signal B von AB Kaisersberg, St.Michael, 29.9.1983

Das folgende Bild vom Stellwerk 4 zeigt vorne einen Teil der Hebelbank, rechts der Mitte ein großzügiges Stellpult zum Einschalten des Ersatzsignals (vermutlich für das Signal 2E) und links den Blockapparat, den man später noch im Detail sieht. Auffällig sind die Signalhebel, die kettenlos zum Stellen der Lichtsignale dienen. Hinter dem Blockaufsatz über dem Gleisanzeiger lugt noch ein wenig die Signalanzeigetafel hervor:

Hebelbank und Blockapparat, Stw.4 St.Michael, 29.9.1983

Hier sehen wir die Signalanzeigetafel und darunter die Einrichtungen zur Stromversorgung, insbesondere die Reihen von Sicherungen.

Signalanzeigetafel, Stw.4 St.Michael, 29.9.1983

Schließlich sehen wir hier den Blockapparat.
  • Sechs der Felder sind "wie üblich" für eine zweigleisige Strecke: Ts+Be sowie Ff von St.Veit a.d.Glan und Ff sowie Be+Ts nach St.Veit.
  • Links schummelt sich ein Za-Feld an die Fahrdienstleitung hinein; vermutlich wurde damit ein Schlüssel in der Fahrdienstleitung freigegeben, der der Sperrfahrt mitgegeben wurde, während das Za-Feld Fahrten auf das betroffene Streckengleis verhinderte.
  • Das nächste Za-Feld ist das oben erklärte Feld, mit dem das Stw.1 nach dem Freistellen von 1A die Möglichkeit erhielt, seinerseits ein Ausfahrsignal H freizustellen.
  • Und ganz rechts haben wir schließlich ein seltenes Exemplar eines Streckenschaltfeldes auf einem Stellwerk und ohne gekuppelte Taste. Die Funktion dieses Feldes erkläre ich mir so: Es gab ja in der Fahrdienstleitung weitere 4 Felder für das "Merken" von Gleisbelegungen: Zwei "Gleisbestzg.Bl."-Felder auf den Blockwerken für Stellwerk 3 und 4 sowie zwei "Blockfahrt"-Felder für die Ausfahrten am Stellwerk 1. Diese Felder wurden durch Be-Felder für die Ausfahrt auf den Stellwerken 3 und 4 entblockt, wie man sich leicht überlegt. Und wieder muss verhindert werden, dass die Rücknahme eines Ausfahrbefehls auf einem dieser Stellwerke durch Freigabe des Ts-Feldes dazu führt, dass beim Rückblocken des Be-Feldes das "Gleisbestzg.Bl."- oder "Blockfahrt"-Feld ebenfalls entblockt wird. Das Ss-Feld auf jedem Stellwerk ermöglichte diese elektrische Verbindung nur bei einer tatsächlichen Zugsfahrt. Bei einer Zugfahrt musste dieses Blockfeld geblockt sein – das konnte z.B. über eine Freigabe der Ausfahrsignal-Wellen erreicht werden, aber Genaues weiß ich hier nicht:

Blockapparat, Stw.4 St.Michael, 29.9.1983

Schlussendlich sehen wir auf den folgenden Bildern die analoge Anlage des Stellwerk 3. Wieder dienen kettenlose Signalhebel zum Stellen der Lichtsignale:

Hebelbank und Blockapparat, Stw.3 St.Michael, 29.9.1983

Am folgenden Bild sieht man unten von rechts zuerst die Signalhebel für 2AS und 2A.

Daneben gibt es interessanterweise einen eigenen Hebel für das Vorsignal a,1as, das am Signal 1E angebracht ist. Die Herkunft dieses Hebels kann ich mir – nach einigem Hin- und Herüberlegen – eigentlich nur historisch so erklären: Zu Formsignalzeiten war das Stellen dieses Vorsignals vom Stw.3 aus nötig, weil es ja je nach eingestellter Fahrstraße entweder passend zu A oder zu 1AS freigestellt werden musste, was weder Stellwerk 1 noch Stellwerk 4 tun konnten. Da das Stellwerk 3 aber die Freistellung des je nach Fahrstraße zugehörigen Hauptsignals nicht wissen konnte, musste eine Scheibenkupplung über entsprechende Stromkreise (Flügelstromschließer von A und 1AS sowie ein paar Fahrstraßenkontakte) dies sicherstellen. Der Reihenfolgezwang, dass das Vorsignal erst nach dem Hauptsignal gestellt werden durfte (weil die Scheibenkupplung bei umgekehrter Reihenfolge ja ein Form-Vorsignal nicht "nachziehen" würde) konnte z.B. über einen Wecker mit Klappe erreicht werden (Spiegelfelder wie die Deutsche Einheit kennen 5007er Stellwerke m.W. zumindest ursprünglich nicht). Zu Lichtsignalzeiten wurde der Hebel und der Großteil der Schaltung (und der Flügelstromschließer von A) beibehalten, sodass es zu diesem interessanten Überbleibsel kam.

(Alles das ist nicht in meinem Tagebuch dokumentiert, sondern Überlegung von jetzt. Vielleicht war es also auch ganz anders ... Allerdings habe ich gerade erst auf dem Foto des Einfahrsignals B an dessen Fuß einen Flügelstromschließer erkannt, rechts neben dem Signalmast sieht man die zugehörige Stellstange. Und weil es für das Stw. 4 ja das analoge Problem gibt, weist dies, meine ich, darauf hin, dass meine Überlegungen stimmen könnten).

Oben auf den Blockapparat sieht man jedenfalls wieder die Felder analog zum Stellwerk 4: Ts+Be und Ff "von Bruck/Mur" sind wie immer auf 5007ern, Ff und Be+Ts der Gegenrichtung auch. Dazwischen ist wieder das Za-Feld ans Stellwerk 1 zum Freistellen eines Ausfahrsignls, und ganz rechts das einzelne Streckenschaltfeld:

Hebelbank und Blockapparat, Stw.3 St.Michael, 29.9.1983

Die Signalanzeigetafel zeigt die Stellung der Signale, darüberhinaus zwei Schranken, um die ich mich leider überhaupt nicht gekümmert habe, und zusätzlich das interessante Faktum, dass die Kilometrierung der Strecke nach Bruck hier beginnt. Auch das lässt sich nur historisch erklären: Zur Erbauungszeit dieser Strecke war St.Michael über kkStB-Gleise näher an Wien (über die Rudolfsbahn von Amstetten) als Bruck:

Signalanzeigetafel, Stw.3 St.Michael, 29.9.1983

Und ganz zuletzt habe ich wenigstens das Stellwerk 3 von außen aufgenommen, mit ein paar Dienstfahrrädern und der Gleisverbindung im Vordergrund:

Stw.3 St.Michael, 29.9.1983

1 Kommentar:

  1. Noch ein kleines Detail: Im kommerzielen Dienst (Kilometrierung bei der Preisberechnung von Fahrkarten) spielt(e) St.Michael Stw.3 eine wichtige Rolle. So war es möglich z.B. von Innsbruck nach Knittelfeld über Selzthal zu fahren, da es für hochwertige Züge in St.Michael keinen Aufenthalt gab, bis Leoben zu fahren, jedoch wurde die Fahrt St.Michael Stw. 3->Leoben hin+retour nicht berechnet!
    Das war noch Kundendienst bei der alten Beamtenbahn.
    Christian D.

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