Sonntag, 14. Juni 2015

Die komplexeste Bahnhofsblockung, die ich je gesehen habe: Vöcklabruck und Oberthalheim, 1988

Damals ist mir das gar nicht aufgefallen, aber als ich nun die Fotos genauer betrachtet habe, habe ich erst gesehen, dass wir es hier mit einer sehr komplizierten Anlage zu tun haben – komplizierter noch als St.Michael: Dort ist die Anlage aufgrund ihrer Symmetrie noch halbwegs zu verstehen, hier aber muss man jeder einzelnen Fahrmöglichkeit getrennt nachgehen. Meine Rekonstruktion der Zusammenhänge unten ist rein aufgrund der vorhandenen Bilder und natürlich des Gleisplans entstanden – und tatsächlich kann ich die Funktion eines Blockfeldes nicht erklären ... vielleicht weiß ja jemand unter meinen Lesern was dazu.

Korrektur 16.6.2015: Streckengleisnummern 1 und 2 im Text korrigiert.

Beginnen wir einmal mit dem Gleisplan: Den Plan des eigentlichen Bahnhofs von Vöcklabruck kann man sich hier bei sporenplan.nl ansehen (es gibt keinen direkten Link zu diesem Diagramm – da ist auf der Webseite was schiefgegangen). Aus betrieblicher Sicht ist die Abzweigung Oberthalheim, wo die Strecke nach Lenzing und Kammer-Schörfling abzweigt, eine getrennte Betriebsstelle. Sicherungstechnisch war sie aber als drittes Stellwerk in den Bahnhof integriert und von diesem befehlsabhängig (eine in Österreich eher übliche Praxis, ein anderes Beispiel ist die Abzweigung Kasern, die vom Salzburger Hauptbahnhof befehlsabhängig war). Daher habe ich in der folgenden Skizze den "technisch zusammengehörigen Bahnhof" aufgezeichnet (Klick öffnet eine PDF-Datei):


Als erstes sehen wir uns die Fotos der zugehörigen Sicherungsanlagen an. Leider habe ich nicht alle aufgenommen – das Stellwerk 1 fehlt. Allerdings war dieses Stellwerk "gottseidank" jenes mit dem "langweiligsten" der vier Blockapparate, daher kann man diese Auslassung vielleicht gerade noch verschmerzen.

Begonnen habe ich mit den Anlagen der Abzweigung Oberthalheim. Ich bin offenbar zu Fuß von der Lenzinger Seite gekommen, weil ich als erstes die zwei Deckungssignale Z1 und X1 aufgenommen habe:

Signale Z1 und X1 am Block Vöcklabruck 1 = Abzw. Oberthalheim, 17.2.1988

Die Einstellung des Fotoapparats war wieder einmal mäßig – auch das folgende Bild einer 1018 mit ihrem Eilzug ist viel zu dunkel:

1018.002, Bl.Vöcklabruck 1 = Abzw. Oberthalheim, 17.2.1988

Dann habe ich aber die erste Aufnahme des Blockapparats gemacht – neun Blockfelder, und das bei einer so trivialen Abzweigung! Sie hat ja – siehe den Gleisplan oben – praktisch nur eine Weiche (die zweite Weiche ist nur eine Schutzweiche, die in ein erstaunlich langes Schutzgleis führte). Wir werden uns die Funktion dieser Felder später genau ansehen, hier nur soviel: Die zwei Felder ganz rechts, also A+Ts für das Signal A1, sind nur die üblichen zwei Felder eines vierfeldrigen Felderstreckenblocks – auf diesem Gleis gab es ja keine Weiche, daher war diese Betriebsstelle dafür tatsächlich nur ein einfacher Blockposten. Man sieht, dass das Anfangsfeld geblockt ist, weil ja gerade der Eilzug durchgefahren ist und der Rückblock von Timelkam noch nicht eingelangt ist:

Blockapparat, Bl.Vöcklabruck 1 = Abzw. Oberthalheim, 17.2.1988

Die Hebelbank ist natürlich äußerst mager bestückt: Zwei Weichenhebel, einer für die Schutzweiche W2, der andere für die Abzweigweiche W1 und dann ein doppelter Riegelhebel für die Weiche W1 reichen aus. Tatsächlich könnte man argumentieren, dass man sich noch einen Hebel ersparen hätte können: Die Weiche 1 wird gegen die Spitze signalmäßig nur in Richtung Kammer-Schörfling befahren, eine Riegelung in die Gerade ist also "eigentlich" nie nötig – wären da nicht Fahrten auf dem Gegengleis Richtung Timelkam, wo man auf der freien Strecke – wo diese Abzweigung ja betrieblich liegt – sich keine Entgleisung herbeiwünschen will ...

Hebelbank, Bl.Vöcklabruck 1 = Abzw. Oberthalheim, 17.2.1988

Hier sieht man die rechten Felder des Blockapparats noch einmal – der Rückblock von Timelkam ist nun da, das Anfangsfeld ist wieder weiß:

Blockapparat, Bl.Vöcklabruck 1 = Abzw. Oberthalheim, 17.2.1988

Auf dem folgenden Bild sieht man den Blockaufsatz, mit seiner einzelnen VT (Vorläutetaste) in die Fahrdienstleitung Vöcklabruck und zwei Weckern für die Ankündigung einer Fahrt beziehungsweise eines Befehls auf den Streckengleisen. Die Bananenaufkleber auf den Weckern erfordern eigentlich eine zweite Folge zu meinem Posting über Sicherungsanlagenbeklebereien:

Blockapparat, Bl.Vöcklabruck 1 = Abzw. Oberthalheim, 17.2.1988

Am Signalpult sieht man die Skizze der Gleisanlagen und die Signalaufstellung. Interessant ist, dass es getrennte Tasten für Ersatzsignale und Signale gab – das vereinfachte die Schaltung. Die Ersatzsignal wurden übrigens sämtliche von hier gestellt, obwohl die Abzweigung ja befehlsabhängig von der Fahrdienstleitung Vöcklabruck war: Die Aufforderung für das Stellen eines Ersatzsignals musste daher von dort kommen:

Signalpult, Bl.Vöcklabruck 1 = Abzw. Oberthalheim, 17.2.1988

Kurz später steht eine Fahrt von Salzburg. Am Blockapparat ist der Befehl eingegangen, auch die Fahrstraße ist festgelegt, was man aber leider wegen des spiegelnden Blockfeldes nicht sieht:

Blockapparat, Bl.Vöcklabruck 1 = Abzw. Oberthalheim, 17.2.1988

Und am Signalpult sieht man das freistehende Signal samt seinem Vorsignal:

Signalpult, Bl.Vöcklabruck 1 = Abzw. Oberthalheim, 17.2.1988

Zuletzt noch eine Aufnahme des kleinen Gebäudes samt dem Schranken daneben – wir kommen zu den Blockfeldern aber unten noch einmal heftigst zurück!

Block Vöcklabruck 1 = Abzw. Oberthalheim, 17.2.1988

Von Oberthalheim bin ich dann nach Vöcklabruck marschiert und habe dort natürlich zuerst am Stellwerk 2 vorbeigeschaut, weil's ja am Weg lag. Die Anlage dort war schon vollständig mit elektrischen Weichen versehen, und es war ein neuer Apparat der Bauart 212 aufgestellt worden:

Blockapparat und Knebelapparat, Stw.2, Vöcklabruck, 17.2.1988

Im Gegensatz zu dem, was mein Gleisplan oben zeigt, sind hier auch Ein- und Ausfahrten auf den Gleisen 10 und 12 möglich – ich bin mir nur nicht sicher, ob das damals wirklich schon ging, weil ich die entsprechende Erweiterung am Rankapparat auf den Fotos weiter unten nicht sehen kann, und ich denke auch, dass man bei einem solchen Umbau den Rankapparat durch einen Knebelapparat ersetzt hätte.

Gleisanzeiger, Fahrstraßen- und Weichenknebel, Stw.2, Vöcklabruck, 17.2.1988

Wenn man genau hinsieht, dann bemerkt man auch noch, dass Fahrten nach Kammer-Schörfling am Gegengleis stattfanden (was ja wegen der nur einen Abzweigweiche in Oberthalheim klar ist; Klick auf das Bild öffnet wie üblich eine größere Version, auf der man auch die Aufschriften lesen kann):

Fahrstraßenschilder am Gleisanzeiger, Stw.2, Vöcklabruck, 17.2.1988

Hier sieht man den Blockapparat. Er sieht fast aus wie bei einer üblichen zweigleisigen Strecke (Ts+Be,Ff,Ff,Be+Ts), nur gibt es da diese zwei weiteren Be+Ts-Felder ganz rechts. Das ist aber natürlich ganz leicht zu erklären: Das sind die Felder für die Ausfahrten Richtung Oberthalheim am Gegengleis Richtung Kammer-Schörfling. Auch hier ist gerade eine Einfahrt von Salzburg (oder von Lenzing) her im Gange, wie man am entblockten Befehlsempfangsfeld und am geblockten Fahrstraßenfestlegefeld erkennen kann:

Blockapparat, Stw.2, Vöcklabruck, 17.2.1988

Auch am Signalpult sieht man, dass das Einfahrsignal Z schon auf Frei steht. Hier sind übrigens auch die Ausfahrsignale bis zum Gleis 12 zu erkennen:

Signalanzeige und -bedienung, Stw.2, Vöcklabruck, 17.2.1988

Kurz später ist das Einfahrsignal wieder zurückgefallen:

Signalanzeige und -bedienung, Stw.2, Vöcklabruck, 17.2.1988

Und das war's auch schon von diesem Stellwerk – hier noch ein Foto des Gebäudes:

Stellwerk 2, Vöcklabruck, 17.2.1988

In der Fahrdienstleitung stand dieser wunderschöne Rankapparat:

Befehlswerk, Fdl, Vöcklabruck, 17.2.1988

Auch hier habe ich wieder einen Teil ausgeschnitten, der alle Aufschriften (hoffentlich) halbwegs leserlich zeigt, wenn man draufklickt:

Befehlswerk, Fdl, Vöcklabruck, 17.2.1988

Es gibt hier aber auch noch zwei Detailaufnahmen. Im Gegensatz zu anderen Befehlswerken ist das hier aber reichlich verwirrend – eine ganze Menge von Blockfeldern, die man sonst nicht sieht (aber das war ja schon so in Oberthalheim), und außerdem schon ziemlich rätselhafte Aufschriften: Wieso gibt es da Felder "Von Salzburg u. von Kammer-Schörfling", aber dann "Von Salzburg u. von od. nach Kammer-Schörfling"? – da überlappt sich doch einiges. Auf beiden folgenden Aufnahmen ist übrigens eine Fahrt von Salzburg her zu sehen: Sowohl das Ba-Feld für die Abzweigung Oberthalheim (zweites Feld von links) wie auch jenes für das Stellwerk 2 (fünftes von links) sind geblockt, also weiß, und die zugehörigen Fa-Felder sind entblockt, also grün, d.h. die Fahrstraßen sind jeweils festgelegt:

Befehlswerk, Fdl, Vöcklabruck, 17.2.1988

Befehlswerk, Fdl, Vöcklabruck, 17.2.1988

Bevor wir den spannenden Verschaltungen dieser Felder nachgehen, noch zwei weitere Bilder von Einrichtungen in der Fahrdienstleitung. Wie üblich gab es ein kleines Signalpult, einerseits zur Rückmeldung der Signalstellungen, aber dann auch zur Bedienung der Ersatzsignale auf einigen der Ausfahrsignale. Man sieht hier, wie oben angemerkt, dass nur Ersatzsignale innerhalb des Bahnhofs Vöcklabruck von hier gestellt werden konnten, nicht aber an der Abzweigung Oberthalheim. Auch sieht man den ZG-Block Richtung Attnang-Puchheim, natürlich noch ohne Gleiswechselbetrieb, weil der Rankapparat den nicht hergab. Ein Zug ist gerade von dort her unterwegs, aber das Einfahrsignal steht noch auf Halt. Dafür ist jenes der Gegenrichtung auf Frei, und dort sieht man auch, dass es dort keinen ZG-Block gibt – dort wird eben noch alles über Blockfelder abgehandelt:

Signalpult, Fdl, Vöcklabruck, 17.2.1988

Und dann gab es da noch seitlich unter dem Blockapparat diesen "Blockrollen-Hebel", der die Mittelweichen 24 und 25 im Gleis 3 verriegelte (eine gleichartige Anordnung gab es in Hetzmannsdorf-Wullerdorf):

Riegelhebel am Befehlswerk, Fdl, Vöcklabruck, 17.2.1988

Aber jetzt: Die Abhängigkeiten der Blockfelder. Hier ist ein Diagramm, das ich mir gestern am Sofa überlegt habe – Erklärung folgt darunter (Klick öffnet eine lesbare PDF-Datei):


Ganz rechts sieht man die einfachen Verbindungen zum Stellwerk 1 (das ich nicht aufgenommen habe). Wegen des ZG fehlen hier alle Streckenblockfelder. Nichts sonst zu erklären.

Aber nun kommt die andere Seite. Hier haben wir im wesentlichen dasselbe Problem wie in St.Michael vor uns: Die Blockanlagen sind zwar die eines gemeinsamen Bahnhofes, aber dummerweise gibt es in diesem Bahnhof ein Gleis – nämlich das Streckengleis 1 zwischen Vöcklabruck und Oberthalheim –, das von keinem Stellwerk aus einzusehen ist. Daher kann hier nicht, wie sonst überall, die Gleisfreimeldung durch Hinschauen (samt Erinnerungsmitteln wie den Klappen, die man links unten am Rankapparat sieht) erfolgen: Man braucht eine technische Folge- und Gegenzugsicherung, also einen Streckenblock. Wir haben hier also noch einmal ein Beispiel eines Bahnhofs mit einer "Streckenblocksicherung innerhalb eines Bahnhofsblocks".

Um diese Konstruktion halbwegs zu verstehen, muss man wenigstens in Grundzügen wissen, wie der österreichische Felderstreckenblock funktioniert. Eine erste Erklärung habe ich schon im grade verlinkten Posting über St.Michael gegeben – hier versuche ich es nocheinmal, vielleicht ist ja einer der Texte leichter zu verstehen. Prinzipiell ist der Streckenblock mit dem Bahnhofsblock "eng verzahnt", was man an den folgenden Abläufen sieht:
  • Bei der Befehlsabgabe für eine Ausfahrt spielen folgende Felder zusammen: Das übliche Befehlsabgabefeld wird in zwei Felder aufgetrennt, nämlich das Hilfsblockfeld (Hb, auf älteren Anlagen noch als Ba bezeichnet, aber das ist, wie wir gleich sehen werden, falsch und wurde daher geändert) und das Anfangsfeld (A). Am Stellwerk ändert sich nichts, dort haben wir das übliche Befehlsempfangsfeld (Be).
    Zur Befehlsabgabe blockt der Fahrdienstleiter zuerst das Hb-Feld. Dadurch wird noch kein Befehl abgegeben, aber in Befehlswerk sind alle abhängigen Einrichtungen (Schieber und andere Felder, etwa Zustimmungen) geprüft und verschlossen. Als nächstes blockt er das Anfangsfeld – das geht aber nur, wenn der Rückblock von der nächsten Zugmeldestelle (Bahnhof oder Blockposten) vorhanden ist, also kein Zug dorthin unterwegs ist. Durch dieses Blocken wird nun zugleich der Befehl abgegeben (also eine Funktion der Bahnhofsblockung erfüllt) wie auch die Strecke als belegt gekennzeichnet (also eine Funktion des Streckenblocks). Bei einem sechsfeldrigen Streckenblock, also einem mit Endfeldern (E), würde nun in der vorgelegenen Zugmeldestelle das Endfeld entblockt werden und damit der Zug angekündigt werden. Hier in Vöcklabruck war aber noch der viel weiter verbreitete vierfeldrige Streckenblock die Grundlage, sodass nur eine Vormeldung über Wecker oder Telefon den Zug ankündigte.
  • Nun fährt der Zug aus. Er lässt die Tastensperre springen, und damit kann der Befehl zurückgegeben werden.
  • Die Befehlsrückgabe nach der Ausfahrt vom Stellwerk zum Befehlswerk lässt dort aber nur das Hb-Feld zurücklaufen – das A-Feld bleibt weiterhin geblockt, denn die Strecke ist ja noch belegt. Wenn von dem Bahnhof mehrere Strecken ausgehen, könnte nun auf einer anderen Strecke ein Befehl abgegeben werden (St.Michael ist ein verknotetes Beispiel dafür), mit dem eigenen A-Feld dieser Strecke. Auf der ersten Strecke ist aber keine Befehlsabgabe möglich, weil das A-Feld ja noch geblockt ist.
  • Schließlich kommt der Rückblock nach der Ausfahrt: Dadurch wird nun das A-Feld entblockt, und die Anlage ist wieder im Grundzustand – ein weiterer Zug kann nachfahren.
  • Bei der Befehlsabgabe für eine Einfahrt spielen folgende Felder zusammen: Es gibt das ganz normale Befehlsabgabefeld (Ba), das aber auf eine spezielle Art mit dem sogenannten Streckenschaltfeld (Ss) gekoppelt ist – die spezielle Art besteht darin, dass das Ss-Feld das Ba-Feld nicht blockiert, aber mit ihm gemeinsam über die Doppeltaste geblockt wird, wenn es entblockt ist. Den Grund für dieses Feld erkläre ich gleich – momentan interessiert uns nur das Ba-Feld. Am Stellwerk haben wir wieder das ganz normale Befehlsempfangsfeld (Be). Und bei der Befehlsgabe passiert nichts weiter, als dass Ba- und Ss-Feld am Befehlswerk geblockt werden und das Be-Feld am Stellwerk entblockt.
  • Der Zug lässt bei seiner Einfahrt wieder die Tastensperre (Ts) springen, zugleich aber auch das Ss-Feld am Befehlswerk.
  • Wegen der gesprungenen ("deblockierten") Tastensperre kann vom Stellwerk aus nun die Befehlsrückgabe der Einfahrt erfolgen, es wird also das Be-Feld (und über die Doppeltaste die Tastensperre) geblockt. Damit läuft am Befehlswerk das Ba-Feld zurück, aber zugleich passiert noch was: Es wird der Rückblock zur vorgelegenen Zugmeldestelle abgesetzt, also dort das A-Feld entblockt! Also haben wir auch hier wieder eine Verknüpfung von Bahnhofsblockung (Befehlsrückgabe) und Streckenblock (Rückblock).
  • Nun bleibt noch der Grund für das Ss-Feld zu erklären: Manchmal muss ein abgegebener Befehl für eine Einfahrt wieder zurückgenommen werden (typische Gründe sind, dass eine Einfahrt auf dem falschen Gleis befohlen wurde, oder die Änderung der Einfahrreihenfolge bei mehreren ankommenden Strecken). Dazu wird über eine Hilfsauflösung (früher war das der "Widerrufschlosskontakt" oder WSK) das Ts-Feld im Stellwerk entblockt, also sozusagen "eine Zugfahrt simuliert", sodass dort ganz normal das Be-Feld zusammen mit dem Ts-Feld geblockt werden kann. In diesem Fall darf nun aber natürlich kein Rückblock abgehen, denn die Strecke ist ja noch nicht frei! Genau dazu dient das Ss-Feld: Die Stromleitung vom Be-Feld zum A-Feld der vorgelegenen Zugmeldestelle läuft über dieses Ss-Feld; beim Hilfsauflösen des Ts-Feldes wird es nicht mitaufgelöst, und daher wird auch kein Rückblock abgegeben.
  • Zuletzt sehen wir uns noch die Blockfelder auf einem Blockposten an: Dort befindet sich je Fahrtrichtung ein A+Ts-Feld, die über eine Doppeltaste gekoppelt sind. Solange kein Zug vorbeigefahren ist, ist das A-Feld entblockt und das Blocksignal frei stellbar. Wenn der Zug durchfährt, springt die Tastensperre und ermöglicht damit das Blocken des A-Feldes. Nun ist zugleich der Blockabschnitt gesichert (ein Freistellen des Blocksignals ist nicht mehr möglich) wie auch der Rückblock abgesetzt. Insofern ist das Ts-Feld hier eigentlich eher ein "Streckenschaltfeld" – es lässt sich ja auch nicht wie das Ts-Feld der Bahnhofsblockung durch eine Hilfsauflösung entblocken. Das muss man beim Lesen der Blockfeld-Aufschriften im Kopf behalten.
So ist das – eine lange Erklärung (in der noch immer viele Details fehlen, z.B. was bei diversen Störungen zu passieren hat). Mit diesem Wissen können wir uns nun die Anlagen in Vöcklabruck ansehen:
  • Beginnen wir mit den Feldern am Befehlswerk "Nach Salzburg", also Ausfahrten aufs Streckengleis 2, das ja nur in einer Fahrtrichtung befahren wird, nämlich von Vöcklabruck weg: Hier sehen wir die oben erklärte Anordnung eines Felderstreckenblocks für die Ausfahrt: Am Befehlswerk das "aufgetrennte Ba-Feld", also Hb- und A-Feld, die mit dem Be-Feld in Stellwerk 2 verschaltet sind. Außerdem ist das A-Feld für den Rückblock von Oberthalheim ans dortige A+Ts-Feld angehängt.
  • Verwickelter sind die nächsten Felder: Sie dienen für Fahrten am Streckengleis 1, auf dem ja sowohl Fahrten von Oberthalheim nach Vöcklabruck stattfinden (Züge von Salzburg und Kammer-Schörfling) als auch in der Gegenrichtung (nämlich nach Kammer-Schörfling). Eigentlich haben wir hier also eine eingleisige Strecken mit Felderstreckenblock vor uns – aber weil beide Enden unter einer Befehlshoheit liegen, brauchen wir nicht die sonst üblichen Verfahren für Erlaubnis- oder Richtungswechsel (wie es sie zuletzt noch in Schönwies gegeben hatte). Stattdessen gibt es hier getrennte Feldergruppen für Stellwerk 2 und "Stellwerk 3", also die Abzweigung Oberthalheim.
  • Für die Ausfahrten aufs Streckengleis 1 vom Stellwerk 2 aus haben wir zuerst Felder ganz wie oben erklärt: Hb+A im Befehlswerk sind mit Be im Stellwerk zusammengeschaltet (und natürlich Ff mit Fa), aber darüberhinaus auch A mit ... in diesem Fall dem Be-Feld von Oberthalheim – denn von dort kommt ja bei Fahrt nach Kammer-Schörfling der Rückblock! Und dort gibt es den ganz seltenen Fall eines Ss-Feldes auf einem Stellwerk: Normalerweise wäre das Ss-Feld ja in der zugehörigen Fahrdienstleitung, aber dort in der Nähe haben wir keine – also legen wir's eben ins Stellwerk (wo es nun bei jeder Befehlsrückgabe für die nächste Fahrt geblockt wird, statt wie ein Ss-Feld am Befehlswerk bei der Befehlsabgabe für die aktuell befohlene Fahrt).
  • Für die Einfahrten vom Streckengleis 1 am Stellwerk 2 ist nur aber wirklich alles nach Lehrbuch: Ss+Ba am Befehlswerk zum Be-Feld am Stellwerk, außerdem über das Ss-Feld die Verbindung zum A-Feld der vorgelegenen Zugmeldestelle, also Oberthalheim.
  • Und zuletzt gibt es am Befehlswerk noch die Felder für die befehlsabhängigen Fahrten in Oberthalheim: Nur ein Ba-Feld (das ist öfter üblich), entweder auf das dortige Be-Feld für Fahrten von und nach Kammer-Schörfling geschaltet oder auf das Befehlsfeld für eine Fahrt von Salzburg, außerdem natürlich die passende Ff-Fa-Verbindung.
    Der Text unter den Feldern, nämlich "u. von Kammer-Sch." ist natürlich falsch: Diese Blockfelder dienen auch Fahrten nach Kammer-Schörfling. Aber vielleicht gab's hier nur ein Missverständnis mit dem Schriftmaler: Mit Punkten zwischen den Buchstaben wär's nämlich korrekt: "u. v.o.n. Kammer-Sch.", also "und von oder nach Kammer-Sch."!
    Und hier haben wir ganz außen das Feld, das ich technisch nicht wirklich verstehe: Eine Wiederholungssperre für das Ba-Feld. Wozu sie nötig ist, ist mir, glaube ich, schon klar: Wenn ein Befehl für eine Fahrt nach Kammer-Schörfling abgegeben worden ist, dann darf kein zweiter abgegeben werden, solange nicht die Strecke bis Lenzing frei ist. Die "Wiederholung der Befehlsabgabe" muss also "gesperrt" werden, bis ... ja, bis was? Eigentlich ist das eine typische Streckenblockaufgabe, aber von Oberthalheim nach Lenzing gab es keinen Streckenblock – auch am Lenzinger DrS sieht man keine entsprechenden Anzeigen. Aber vielleicht gab es hier ja doch irgendeine Freigabe: Z.B. dass in Lenzing das Einfahrsignal mindestens auf Frei und wieder auf Halt gegangen sein musste – oder sogar dort ein Zug eingefahren sein musste –, was dann hier die WSp auslöste: Kein vollgültiger Streckenblock, aber doch eine Absicherung dagegen, dass der Fahrdienstleiter den Überblick über seine immerhin fünf Streckenabschnitte verlor und zwei Züge unmittelbar nacheinander nach Lenzing schickte. So könnte das gewesen sein, aber ich habe keine Ahnung, wie's wirklich war.
    Ergänzung 18.6.2015: Florian Listl hat – siehe Kommentare – ganz andere Vorstellungen von diesem Feld, die auch bedenkswert sind. Ich bin der Sache aus Zeitgründen noch nicht weiter nachgegangen ... das kommt hoffentlich noch!
Aus dieser Erklärung kann man nun Abläufe konstruieren, was bei verschiedenen Fahrten passiert. Hier sind zwei Versuche:

Zug von Timelkam:
  • Fdl ⇒ Ba Z1 blocken
  • Abzw ⇒ Ff z1 blocken
  • Zug ⇒ Ts (an A) springt
  • Abzw ⇒ A+Ts, dann Be blocken
  • Fdl ⇒ Fa blocken
  • Zug fährt nach Vöcklabruck
  • Stw.2 ⇒ Be blocken = A der Abzw. entblocken

Zug von Lenzing:
  • Fdl ⇒ Ba X1 blocken
  • Abzw ⇒ Ff x1 blocken
  • Zug ⇒ Ts (an Be) springt [im Störungsfall: Hilfsauflösung aus Fdl]
  • Zug ⇒ Ts (an A) springt
  • Abzw ⇒ A+Ts blocken
  • Abzw ⇒ Be blocken
  • Fdl ⇒ Fa blocken
  • Zug fährt nach Vöcklabruck
  • Stw.2 ⇒ Be blocken = A der Abzw. entblocken
Die Fahrten in der Gegenrichtung (und das Finden von Fehlern in meinem Text) überlasse ich als Übungsbeispiele meinen geneigten Lesern.

Und nach dieser ewig langen Erklärung zur Erholung noch ein Bild von einem einfachen ... oder, naja, doch zweifachen Sperrschuh in Vöcklabruck:

Doppelter Gleissperrschuh Sp4, Vöcklabruck, 17.2.1988

6 Kommentare:

  1. Die Wiederholersperre ganz links wirkt aber mit der Befehlsabgabe für alle drei Signale am Abzweig zusammen. Nur weil ein Zug auf dem Weg nach Lenzing noch nicht angekommen ist sollte das kein Grund sein von Salzburg her nicht einfahren zu können. Ich denke viel eher, die Wiederholersperre verhindert dass sich zwei Züge auf dem Streckengleis 2 frontal begegnen könnten?

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    1. Stimmt, dass eine Fahrt von Salzburg her nicht verhindert werden soll. Das Verhindern der gegenfahrt muss doch aber durch die Verschaltung der Befehle an Stw.2 und Abzw. erreicht werden, scheint mir ...
      Ich kann es mir momentan nicht anders vorstellen, als dass die WSp so wie ein Ss-Feld ein nicht-sperrendes Blockfeld war, d.h., dass man das Ba-Feld immer blocken konnte; das WSp-Feld hat nur elektrisch irgendwas verhindert - und dann könnte meine Hypothese weiterhin funktionieren, dass nur die Wiederholung eines Befehls für das Signal B1 nach Lenzing unterbunden wurde ... aber da sind viele "Wenns" in diesen Annahmen versteckt ...

      H.M.

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    2. Ich halte es für äußerst unwahrscheinlich dass da irgendwelche Blockabhängigkeiten zu Lenzing vorhanden waren. Außerdem ist die Wiederholersperre nicht in ihrer Grundstellung für die Fahrt von Salzburg her sondern eine durchaus sinnvolle - nämlich Sperre der Wiederholung.

      Meine Spekulation: Das gleiche Problem: Eine Einfahrt von Salzburg am Abzweig sollte man zurücknehmen können ohne dass die Strecke freigeblockt wird. Dazu nimmt man das Ss-Feld am Abzweig? - Das block dann sowohl Befehl als auch Wdh-Sperre zurück. Fährt der Zug hingegen regulär wird mit dem Befehl nur die Strecke frei geblockt - die Wiederholersperre bleibt aber drin. (Nein, die Strecke zwischen Abzweig und Bahnhof ist noch nicht belegt, weil ja niemand mit der Peitsche dasteht und den Abzweigmeister so lange prügelt bis er das A-Feld bedient)

      Damit jetzt der FDL nicht auf die Idee kommt einen Zug auf dem belegten Gleis zu fahren bis der Abzweigwärter das Anfangsfeld bedient existiert die Wdh-Sperre.

      Keine Ahnung, ich kann den Text noch hundert mal lesen, müsste ich mir mal aufzeichnen.

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    3. ... mir geht's grad mit Deinem Text ebenso: Ich werd mir das einmal zuhause aufzeichnen ...

      H.M.

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  2. Das hätte ich mir gedacht, dass in meiner langjährigen Heimatstadt so eine besondere Anlage war!
    Bei der Erklärung des Zusammenspiels von Fdl Vk und Abzw Vk1 ist mir nur aufgefallen dass die Gleisbezeichnungen vertauscht wurden. Das Streckengleis 2 ist das Regelgleis nach Salzburg und Strgl.1 das Regelgleis von Salzburg bzw. v.u.n. Kammer-Schörfling.
    Meine Erinnerung sagt mir auch, dass bis zum Bahnhofsumbau in Vöcklabruck (abgeschlossen 2001) keine Ausfahrsignale an den Gleisen 10-12 standen. Das Signal H2 hatte konnte keinen Freibegriff zeigen, sondern nur Ersatzsignal, weil man das Regelgleis von diesem Signal nicht erreichen konnte.

    schöne Grüße
    David Seemayer

    PS: Danke, dass uns ein Bild es verunstalteten Bahnhofsgebäudes erspart blieb!

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    1. Oh - die Streckengleisnummern sind natürlich wirklich falsch herum - drehe ich heute noch um. Und Bild vom Bahnhof hab ich halt keines gemacht :-) - sonst wär's schon sichtbar geworden ...
      H.M.

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