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Donnerstag, 21. Juni 2012

St.Michael 1983: Eine komplexe "Bahnhofs-Streckenblockung"

Ende September 1983 war ich in St.Michael, an der Rudolfsbahn. St.Michael ist ein Abzweigbahnhof, der aus historischen Gründen interessant liegt: Die Strecke mit der hauptsächlichen Zugbelastung, nämlich die heutige Südbahn, geht in einer "Schleife" am Bahnhof vorbei. Das folgende Diagramm zeigt die Lage der Streckengleise, Hauptsignale und Stellwerke (die Fahrdienstleitung ist im Aufnahmegebäude):


Interessant und speziell war die Sicherung von Fahrten auf den Gleisen, die nicht direkt im Bahnhofsgleisfeld lagen, also den Schleifengleisen und den Verbindungsgleisen zwischen Südbahn und Bahnhof. Für diese Gleise gab es ja niemand, der eine entsprechende Sicht darauf hatte und eine visuelle Gleisfreiprüfung vornehmen konnte. Daher waren diese Gleise aus Sicherheitssicht wie Streckengleise zu behandeln. Andererseits waren alle diese Gleise unter der "Hoheit" eines Fahrdienstleiters, daher war eine vollwertige Streckenblockung nicht nötig und auch nicht sinnvoll, weil sie zusätzliche Bedienhandlungen erfordert hätte. Die Lösung sind acht zusätzliche Felder im Befehlswerk, gekuppelte Blocktasten, und je ein zusätzliches Feld auf den Stellwerken 3 und 4.

Die folgende Skizze zeigt die Anordnung der Blockfelder und Knaggen für die Fahrten Richtung Bruck a.d.Mur am Befehlswerk in der Fahrdienstleitung, mit dem der Fahrdienstleiter die Befehle für das Stellwerk 3 abgibt:


Nach Bruck a.d.Mur sehen wir, wie für ein 5007er-Befehlswerk üblich, ein Ba- und ein Fa-Feld. Zwei Knaggen unten wählen die Fahrt aus: "a.d.Bf" = "aus dem Bahnhof", also über das Signal 2A; und "a.d.S." = "aus der Schleife", also über das Signal 2AS.

Von Bruck a.d.Mur ist die Sache komplizierter: Das Ba-Feld hat keine eigene Taste, sondern wird mit einem von zwei anderen Feldern mitgeblockt:
  • Entweder mit dem Feld "Blockfahrt", was eine Fahrt von 1E nach A bedeutet, also in den Bahnhof.
  • Oder mit dem Feld "Gleisbesetzg.Bl.", was eine Fahrt von 1E nach 1AS bedeutet, also über die Schleife.
Auch hier dienen wieder zwei Knaggen für die Auswahl der Fahrt.

Die Bezeichnung der zwei zusätzlichen Felder ist übrigens alles andere als klar: Woher soll man bitte wissen, dass die "Blockfahrt" jene zum Bahnhof ist, während die "Gleisbesetzung Bl(ock??)" die Fahrt über die Schleife ist? Wenigstens eine Erwähnung des Begriffs Schleife oder der Buchstaben S beim zweiten Feld wäre hilfreich. Aber vermutlich sind die Bezeichnungen "schon immer so gewesen", vielleicht sogar bevor der Blockapparat überhaupt in Betrieb genommen wurde, und waren daher immer verständlich.

Im folgenden Bild habe ich diese Einrichtungen fotografisch festgehalten, was eine weitere Unklarheit zeigt. Die Schilder unter den Blockfeldern lauten nämlich
  • von Bruck a.d.Mur
  • Richtung von | von od. nach | nach Bruck a.d.Mur
  • nach Bruck a.d.Mur,
wobei das "von od. nach" sich unter dem linken Fa-Feld befindet. Ich komme auf keinen Grund und keine Möglichkeit, dass dieses Fa-Feld tatsächlich für zwei Richtungen verwendet wird; und bei den entsprechenden Ff-Feldern am Stellwerk 3 findet sich auch keine solche Beschriftung. Ich denke eher, dass das Schild noch aus jener alten Zeit stammt, als die Strecke nach Leoben eingleisig war und nur ein Fa-Feld vorhanden war. Wieso man dann aber offenbar zwei neue Schilder links und rechts daneben gesetzt, das alte jedoch nicht entfernt hat, ist ziemlich rätselhaft:

Befehlswerk, Fdl St.Michael, 29.9.1983

Am Beispiel einer Fahrt von Bruck a.d.Mur in den Bahnhof sieht man, wie die Folgezugsicherung abläuft:
  • Der Fahrdienstleiter blockt das "Blockfahrt"-Feld und damit zugleich das Ba-Feld Richtung Stw.3. Außerdem gibt er durch Blocken eines anderen Ba-Feldes (auf einem anderen Befehlswerk, das wir weiter unten sehen) den Befehl für die Einfahrt in den Bahnhof an Stw.1.
  • Die zwei Stellwerke 3 und 1 legen ihre Fahrstraßen fest und stellen die Signale 1E und A auf frei.
  • Nun fährt der Zug – nehmen wir an, es ist ein kurzer Zug, vielleicht ein Lokzug. Nach der Vorbeifahrt am Stellwerk 3 löst er dort die Tastensperre aus, und ...
  • ... nun kann der Stellwerker das Be-Feld blocken. Damit läuft das Ba-Feld in der Fahrdienstleitung wieder auf rot.
  • Und nun kommt der wesentliche Punkt: Der Zug ist gerade zwischen Signal 1E und A – es darf also nicht möglich sein, dass der Fdl eine weitere Einfahrt auf dieses Gleis am Stellwerk 3 befehlen kann! Und genau das wird durch das "Blockfahrt"-Feld verhindert: Es ist noch immer geblockt, und daher kann über dieses Feld das Ba-Feld nicht erneut geblockt werden. Es ist aber problemlos möglich, dass das "Gleisbesetzg.Bl."-Feld zusammen mit dem Ba-Feld geblockt wird, was sofort eine Fahrt von Signal 1E nach 1AS erlaubt – denn dadurch ergibt sich ja keine Gefährdung des Zuges, der gerade zum Signal A fährt.
Wie wird das "Blockfahrt"-Feld wieder entblockt? Das passiert mit dem Rückblocken des Be-Feldes durch das Zielstellwerk, in diesem Fall Stellwerk 1. Dadurch, dass der Zug dort die Tastensperre auslöst, wenn er die entsprechende Zugschlussstelle im Bahnhof befahren hat, und der Stellwerker vor dem Blocken des Be-Feldes den Zugschluss beobachtet haben muss, ist sichergestellt, dass die Strecke 1E nach A sicher wieder frei ist, wenn nun das "Blockfahrt"-Feld in der Fahrdienstleitung entblockt wird. Daher ist nun (erst) eine erneutes Blocken von "Blockfahrt" mit Abgabe eines Befehls durch das Ba-Feld gefahrlos möglich.

Das Befehlswerk für das Stw.4, also für alle Fahrten von und nach St.Veit a.d.Glan, war vollkommen analog aufgebaut. Allerdings ist hier die Beschriftung nicht so verwirrend wie Richtung Bruck a.d.Mur:

Befehlswerk, Fdl St.Michael, 29.9.1983

Auf dem folgenden Bild sieht man schließlich den Rankapparat und darauf das Befehlswerk für die Stellwerke 1 (links) und 2 (rechts).
  • Richtung Selzthal haben wir die üblichen 3 Felder für eine eingleisige Strecke: Ein Ba-Feld je Richtung sowie ein gemeinsames Fa-Feld. Daneben liegt noch ein Za-Feld für eine Anschlussbahn beim Stw.2 sowie aus Platzgründen ein Ze-Feld für das Stellwerk 4, nämlich für die Anschlussbahn in Kaisersberg – das ist an der Strecke nach St.Veit.
  • Am Befehlswerk für das Stellwerk 1 sehen wir dagegen wieder die "Blockfahrt"-Felder: Sowohl das Ba-Feld nach St.Veit a.d.Glan (links von der Mitte) wie auch jenes nach Bruck a.d.Mur (zweites Feld von rechts) sind jeweils mit einer Doppeltaste mit dem danebenliegenden "Blockfahrt"-Feld verbunden. Wie vorher wird bei der Abgabe des Befehls das jeweilige "Blockfahrt"-Feld mitgeblockt und verhindert eine weitere Befehlsabgabe. Erst wenn das jeweilige Zielstellwerk – Stw.4 Richtung St.Veit a.d.Glan, Stw.3 Richtung Bruck a.d.Mur – sein Be-Feld blockt, wird hier das "Blockfahrt"-Feld entblockt (zusammen mit dem Ba-Feld auf dem jeweiligen Befehlswerk aus einem der vorherigen Bilder).
Auch sieht man auf dem Bild schön die Zwischenkurbel zwischen den beiden Blockwerken:

Befehlswerk, Fdl St.Michael, 29.9.1983

Für die Einfahrt in den Bahnhof sind die Ba-Felder jeweils mit einem Ss-Feld (Streckenschaltfeld) gekuppelt.
Zum Verständnis dieser Felder muss man ein wenig die Abläufe der älteren österreichischen Streckenblock-Bauarten verstehen: Dort war es so, dass der Stellwerkswärter die Rückblockung zum vorher gelegenden Bahnhof direkt mit dem Blocken seines Be-Feldes abgab. Es waren also Streckenblockung und Bahnhofsblockung eng miteinander verzahnt.
Ein wenig (aber nur ein wenig) genauer erklärt:
  • Am (aus Sicht einer Zugfahrt) zurückliegenden Bahnhof gab es ein Anfangsblockfeld (A), bei dessen Blocken der Befehl an das dortige Stellwerk abgegeben wurde (aber keine "Vorblockung" an ein E-Feld am anderen Ende der Strecke!).
  • Die Rückgabe dieses Befehls vom Stellwerk entblockte aber nur das dortige Ba-Feld (oder in späteren Bauarten Hb-Feld), das A-Feld der Fahrdienstleitung blieb geblockt; dadurch war eine erneute Befehlsabgabe vorerst nicht möglich, und die Folgezugsicherung war erreicht.
  • Etwas später erfolgte nun die Einfahrt am nächsten Bahnhof, in der üblichen Reihenfolge: Zuerst Befehlsabgabe und Fahrstraßenfestlegung, ...
  • ... dann durch die Zugseinfahrt Auslösung der Tastensperre, ...
  • ... daraufhin Rückblocken des Befehls vom Stellwerk an die Fahrdienstleitung. Und in den Schaltkreis für dieses Rückblocken war nun neben dem Be-Feld des Stellwerks und dem Ba-Feld der Fahrdienstleitung auch das zurückliegende A-Feld einbezogen, das dadurch wieder entblockt wurde, sodass nun am zurückliegenden Bahnhof eine erneute Befehlsabgabe möglich war.
Im Regelbetrieb war das ein wasserdichtes Verfahren: Nur nach Zugmitwirkung (Auslösen der Tastensperre) und Zugschlussbeobachtung (verpflichtend vor der Rückgabe des Befehls durch den Stellwerker) konnte der Rückblock abgesetzt werden.

Allerdings gab es nun folgendes Problem: Eine Sicherungsanlage muss die Rücknahme eines Befehls ermöglichen, wenn eine unvorhersehbare Änderung im Betrieb auftritt, z.B. das Vorziehen einer Ausfahrt. Bei den österreichischen Blockapparaten, die mit den 5007er-Stellwerken verwendet wurden, gab es dafür einen Umschalter in der Fahrdienstleitung, durch den mit Hilfe des Induktors die Tastensperre ausgelöst werden konnte – es wurde sozusagen eine Zugfahrt simuliert. Daraufhin konnte vom Stellwerk das Be-Feld zurückgeblockt werden, gemeinsam mit dem Blocken der Tastensperre über die Doppeltaste.

Das Problem ist nun, dass dieses Blocken des Be-Feldes auch einen Rückblock abgesetzt hätte, obwohl der Zug noch auf der Strecke war – und damit wurde die Gefahr eines Auffahrunfalls heraufbeschworen, weil der zurückliegende Bahnhof ja nun eine erneute Ausfahrt stellen konnte!

Um das zu verhindern, gab es das erwähnte Streckenschaltfeld (Ss-Feld): Im Prinzip war es wie das Ts-Feld geschaltet, wurde also auch durch den einfahrenden Zug ausgelöst, aber es wurde eben bei der Rücknahme eines Befehls nicht ausgelöst. Und Kontakte an diesem Feld lagen nun in der Verbindung des Be-Feld des Stellwerks mit dem A-Feld im zurückliegenden Bahnhof. Dadurch wurde der Rückblock nur abgesetzt, wenn tatsächlich die Zugfahrt stattgefunden hatte! Eine Rücknahme der Ausfahrt hatte auf das Ss-Feld ja keinen Einfluss. Damit war die Folgezugsicherung auch bei Rücknahme eines Befehls noch immer gewährleistet.

Praktisch wurde dieses Ss-Feld in der Fahrdienstleitung angeordnet und über eine Doppeltaste mit dem Ba-Feld geblockt. Das war aber nicht so sehr technisch nötig (man hätte es z.B. auch mit der Fahrstraßenfestlegung im Stellwerk blocken können), sondern der österreichischen Philosophie geschuldet, dass sowohl der Stellwerker als auch der Fahrdienstleiter an Sicherungsabläufen beteiligt sein sollten.

In St.Michael gab es nun analoge Ss-Felder in der "Bahnhofsstreckenblockung" für die Schleifengleise und die südlichen Zufahrtgleise. Für die Einfahrten von St.Veit und Bruck in den Bahnhof waren diese Ss-Felder wie üblich über Doppeltasten mit den Ba-Feldern verbunden. Fast gleich wie oben erklärt, kuppelten diese Ss-Felder die Be-Felder von Stellwerk 1 an die Blockfahrt-Felder der vorher gezeigten Befehlswerke für Stellwerk 3 und 4. Und bei einer Rücknahme einer Fahrt beim Stellwerk 1 ohne Zugfahrt, also bei geblocktem Ss-Feld, entblockte nun das Blockfahrt-Feld – weil vom nicht ausgelösten Ss-Feld nicht durchgeschaltet – nicht, sodass der dort eventuell fahrende Zug nicht durch einen erneuten Befehl von Stellwerk 3 bzw. 4 gefährdet werden konnte.

Das folgende Diagramm versucht diese Zusammenhänge schematisch darzustellen. Auf dem Diagramm habe ich die Blockapparate so angeordnet, als ob es sich um zwei Bahnhöfe handeln würde:
  • Der "zurückliegende Bahnhof" besteht aus einer Fahrdienstleitung und dem Stellwerk 4.
  • Der folgende "Bahnhof" besteht aus ebenfalls einer Fahrdienstleitung sowie dem Stellwerk 1.
Innerhalb jedes "Bahnhofs" sind die Felder wie üblich paarweise verbunden (Be-Ba=rote Linien und Ff-Fa=grüne Linien), außerdem sind Ts-Felder für die Zugeinwirkung vorhanden (schwarze Linien). Zusätzlich ist aber – wie bei einem Streckenblock – das Be-Feld des Stellwerk 1 zum "Blockfahrt"-Feld (also sozusagen Anfangsfeld) im zurückliegenden "Bahnhof" (also hier dem Fdl-Blockwerk für das Stw.4) durchgeschaltet, und zwar über das Ss-Feld; und über diese Verbindung wird der "Rückblock" abgesetzt:


Vielleicht sollte ich noch ein Wort zur Gegenzugsicherung fallen lassen – aber ich weiß nicht, wie sie funktioniert hat, und es gibt auch keine Hinweise auf den Blockwerken. Die Blockwerke für die Stellwerke 3 bzw. 4 und das Stellwerk 1 sind nicht mechanisch verbunden, sodass eine Verriegelung über Fahrstraßenschieber o.ä. ausscheidet. Meine Annahme ist, dass die Ba-Felder und die "Blockfahrt"- bzw. "Gleisbesetzg."-Felder "ganz einfach" gegeneinander so verschaltet waren, dass Gegenfahrten zwischen Stellwerk 1 und Stellwerk 3 bzw. 4 nicht zugleich befohlen werden konnten. Im Gegensatz zu einer eingleisigen Strecke mit zwei Bahnhöfen an den Enden, wo die Verriegelung über Erlaubnis- oder Richtungsfelder stattfinden muss und möglichst wenig Block-Telegrafenleitungen gezogen werden sollen, war dies hier ja einfacher zu bewerkstelligen, weil man beliebige Schaltungen zwischen den Feldern der Fahrdienstleitung realisieren konnte.

Auf all den vorherigen Befehlswerken sind übrigens Fahrten freigestellt. Allerdings sind die Fotos in größerem Zeitabstand entstanden, daher haben die Fahrten nicht unbedingt etwas miteinander zu tun.

Das folgende Bild zeigt den Blockapparat am Stellwerk 2 Richtung Selzthal. Der Blockapparat hat die üblichen fünf Felder für eine eingleisige Strecke mit ZG, also Ts+Be, Ff, Be+Ts. Zu den Zustimmungsfeldern äußere ich mich lieber nicht genau. Das Gegenfeld des Ze-Feldes ist in der Fahrdienstleitung – darüber werden wohl Einfahrten von Süden auf bestimmte Gleise verhindert. Das Gegenfeld zum Za-Feld links außen könnte eine Ortsbedienung dieser – weit draußen liegenden – Weiche sein. Die Lichtsignale werden schon über Knaggen gestellt:

Blockapparat, Stw.2 St.Michael, 29.9.1983

Hier sieht man den mittleren Teil der Hebelbank, links außen sind die üblichen freien Plätze, die früher durch Signalhebel belegt waren. Bemerkenswert sind auch die alten Fernsprech- und Weckereinrichtungen sowie die Schrankensummer und die Schrankenüberwachung auf dem Schieberkasten:

Blockapparat und Hebelbank, Stw.2 St.Michael, 29.9.1983

Die Signalanzeigetafel oberhalb des Schaltschranks zeigt u.a. die Weiche 75:

Signalanzeigetafel, Stw.2 St.Michael, 29.9.1983

In die Gleise 15-23 konnte von Süden her signalmäßig eingefahren werden, aber eine Ausfahrt Richtung Selzthal war nicht möglich. Daher stand hier ein Ausfahrsignal, das nur eine rote Signallampe hatte (ziemlich sicher mit Doppelfaden). Rechts im Hintergrund ist das Stellwerk 2 zu sehen:

Ausfahrsignal R15-23, rechts hinten Stw.2, St.Michael, 29.9.1983

Auf der oben gezeigten Anzeigetafel ist dieses dauerrote Ausfahrsignal übrigens als R15-19 bezeichnet – und diese Bezeichnung habe ich auch in meine Gleisskizze übernommen, obwohl R15-23 eigentlich korrekt wäre (erst Alexander Binder hat mich dankenswerterweise auf diese Ungereimtheit hingewiesen):


Das nächste Bild zeigt das imposante Bahnhofsgebäude, vollkommen unverdeckt von irgendwelchen Zwischenbahnsteigdächern oder anderem Firlefanz (ausgenommen zwei Fahrleitungsmasten für das Quertragwerk):

Bahnhofsgebäude, St.Michael, 29.9.1983

Die Signalanzeigetafel am Stellwerk 1 zeigt, dass die zwei Einfahrsignale A und B hier noch Formsignale sind, während als Ausfahrsignale schon Lichtsignale aufgebaut sind. Die Darstellung der Verschubsignale ist etwas gewöhnungsbedürftig und abweichend vom Stellwerk 2 – hier gab es offensichtlich verschiedene Ansichten in der Signalbauwerkstatt. Links oben ist die Anzeige für die Besetzung von drei Isolierschienen zu sehen ("Js.Ausf.-St.Veit", "Js.Einf.-St.Veit" und "Js.Einf.u.Ausf.-Bruck"):

Signalanzeigetafel, Stw.1 St.Michael, 29.9.1983

Wenden wir uns dem Blockapparat des Stellwerk 1 zu.
  • Vor ihm stehen die zwei Doppelsteller für die Formsignale B und A.
  • Die linken 10 Felder des Blockapparats sind die zwei üblichen Fünfergruppen für zwei eingleisige Strecken.
  • Ganz rechts sind aber zwei weitere Ze-Felder sichtbar, mit denen es folgende Bewandtnis hat: Auf den Ausfahrsignalen H sind keine Vorsignale montiert, d.h. es fehlt die Vorsignalisierung für die Signale 1A und 2A! Um trotzdem zügig ausfahren zu dürfen, gab es daher folgenden "Vorsignalersatz": Sobald das jeweilige Abzweigstellwerk sein Signal (1A oder 2A) freigestellt hatte, konnte es ein Za-Feld blocken, das zum Entblocken des jeweiligen der hier sichtbaren Ze-Felder führte. Und erst wenn dieses Feld entblockt war, wurde der Grün-Stromkreis für das freigestellte H-Ausfahrsignal durchgeschaltet. Das Signal 1A oder 2A wurde durch das geblockte Za-Feld natürlich nicht in Freistellung verriegelt – es musste ja bei Gefahr im Verzug auf Halt gestellt werden können. Dadurch war dann aber die abgegebene "Zustimmung zur Freistellung von H" eigentlich nicht mehr korrekt. Ich weiß nicht, ob dann das H-Signal auch auf Halt fiel (obwohl das Ze-Feld entblockt war – aber wenn man den Stromkreis über die Abzweigstellwerke geführt hätte, hätte man sich diese Blockfelder gleich ersparen können) oder ob der Lokführer dann doch unerwartet ein auf Halt stehendes Signal sah. Ich nehme aber an, dass Letzteres der Fall war.

Blockapparat und Hebelbank, Stw.1 St.Michael, 29.9.1983

Hier sieht man fast die ganze Hebelbank in ihrer vollen Schönheit, mit Madnerhebeln und einem Gleisanzeiger und vielen Fahrstraßenknaggen:

Hebelbank und Blockapparat, Stw.1 St.Michael, 29.9.1983

Auf dem Weg zum Stellwerk 4 ist mir die 1245.541 auf ihrer Rückfahrt von einer Sperrfahrt von der AB Kaisersberg entgegengekommen. Links neben ihr das Signal B, im Hintergrund sieht man weit entfernt einige Fahrleitungsmasten des Schleifengleises:

1245.541 Einfahrt auf Signal B von AB Kaisersberg, St.Michael, 29.9.1983

Das folgende Bild vom Stellwerk 4 zeigt vorne einen Teil der Hebelbank, rechts der Mitte ein großzügiges Stellpult zum Einschalten des Ersatzsignals (vermutlich für das Signal 2E) und links den Blockapparat, den man später noch im Detail sieht. Auffällig sind die Signalhebel, die kettenlos zum Stellen der Lichtsignale dienen. Hinter dem Blockaufsatz über dem Gleisanzeiger lugt noch ein wenig die Signalanzeigetafel hervor:

Hebelbank und Blockapparat, Stw.4 St.Michael, 29.9.1983

Hier sehen wir die Signalanzeigetafel und darunter die Einrichtungen zur Stromversorgung, insbesondere die Reihen von Sicherungen.

Signalanzeigetafel, Stw.4 St.Michael, 29.9.1983

Schließlich sehen wir hier den Blockapparat.
  • Sechs der Felder sind "wie üblich" für eine zweigleisige Strecke: Ts+Be sowie Ff von St.Veit a.d.Glan und Ff sowie Be+Ts nach St.Veit.
  • Links schummelt sich ein Za-Feld an die Fahrdienstleitung hinein; vermutlich wurde damit ein Schlüssel in der Fahrdienstleitung freigegeben, der der Sperrfahrt mitgegeben wurde, während das Za-Feld Fahrten auf das betroffene Streckengleis verhinderte.
  • Das nächste Za-Feld ist das oben erklärte Feld, mit dem das Stw.1 nach dem Freistellen von 1A die Möglichkeit erhielt, seinerseits ein Ausfahrsignal H freizustellen.
  • Und ganz rechts haben wir schließlich ein seltenes Exemplar eines Streckenschaltfeldes auf einem Stellwerk und ohne gekuppelte Taste. Die Funktion dieses Feldes erkläre ich mir so: Es gab ja in der Fahrdienstleitung weitere 4 Felder für das "Merken" von Gleisbelegungen: Zwei "Gleisbestzg.Bl."-Felder auf den Blockwerken für Stellwerk 3 und 4 sowie zwei "Blockfahrt"-Felder für die Ausfahrten am Stellwerk 1. Diese Felder wurden durch Be-Felder für die Ausfahrt auf den Stellwerken 3 und 4 entblockt, wie man sich leicht überlegt. Und wieder muss verhindert werden, dass die Rücknahme eines Ausfahrbefehls auf einem dieser Stellwerke durch Freigabe des Ts-Feldes dazu führt, dass beim Rückblocken des Be-Feldes das "Gleisbestzg.Bl."- oder "Blockfahrt"-Feld ebenfalls entblockt wird. Das Ss-Feld auf jedem Stellwerk ermöglichte diese elektrische Verbindung nur bei einer tatsächlichen Zugsfahrt. Bei einer Zugfahrt musste dieses Blockfeld geblockt sein – das konnte z.B. über eine Freigabe der Ausfahrsignal-Wellen erreicht werden, aber Genaues weiß ich hier nicht:

Blockapparat, Stw.4 St.Michael, 29.9.1983

Schlussendlich sehen wir auf den folgenden Bildern die analoge Anlage des Stellwerk 3. Wieder dienen kettenlose Signalhebel zum Stellen der Lichtsignale:

Hebelbank und Blockapparat, Stw.3 St.Michael, 29.9.1983

Am folgenden Bild sieht man unten von rechts zuerst die Signalhebel für 2AS und 2A.

Daneben gibt es interessanterweise einen eigenen Hebel für das Vorsignal a,1as, das am Signal 1E angebracht ist. Die Herkunft dieses Hebels kann ich mir – nach einigem Hin- und Herüberlegen – eigentlich nur historisch so erklären: Zu Formsignalzeiten war das Stellen dieses Vorsignals vom Stw.3 aus nötig, weil es ja je nach eingestellter Fahrstraße entweder passend zu A oder zu 1AS freigestellt werden musste, was weder Stellwerk 1 noch Stellwerk 4 tun konnten. Da das Stellwerk 3 aber die Freistellung des je nach Fahrstraße zugehörigen Hauptsignals nicht wissen konnte, musste eine Scheibenkupplung über entsprechende Stromkreise (Flügelstromschließer von A und 1AS sowie ein paar Fahrstraßenkontakte) dies sicherstellen. Der Reihenfolgezwang, dass das Vorsignal erst nach dem Hauptsignal gestellt werden durfte (weil die Scheibenkupplung bei umgekehrter Reihenfolge ja ein Form-Vorsignal nicht "nachziehen" würde) konnte z.B. über einen Wecker mit Klappe erreicht werden (Spiegelfelder wie die Deutsche Einheit kennen 5007er Stellwerke m.W. zumindest ursprünglich nicht). Zu Lichtsignalzeiten wurde der Hebel und der Großteil der Schaltung (und der Flügelstromschließer von A) beibehalten, sodass es zu diesem interessanten Überbleibsel kam.

(Alles das ist nicht in meinem Tagebuch dokumentiert, sondern Überlegung von jetzt. Vielleicht war es also auch ganz anders ... Allerdings habe ich gerade erst auf dem Foto des Einfahrsignals B an dessen Fuß einen Flügelstromschließer erkannt, rechts neben dem Signalmast sieht man die zugehörige Stellstange. Und weil es für das Stw. 4 ja das analoge Problem gibt, weist dies, meine ich, darauf hin, dass meine Überlegungen stimmen könnten).

Oben auf den Blockapparat sieht man jedenfalls wieder die Felder analog zum Stellwerk 4: Ts+Be und Ff "von Bruck/Mur" sind wie immer auf 5007ern, Ff und Be+Ts der Gegenrichtung auch. Dazwischen ist wieder das Za-Feld ans Stellwerk 1 zum Freistellen eines Ausfahrsignls, und ganz rechts das einzelne Streckenschaltfeld:

Hebelbank und Blockapparat, Stw.3 St.Michael, 29.9.1983

Die Signalanzeigetafel zeigt die Stellung der Signale, darüberhinaus zwei Schranken, um die ich mich leider überhaupt nicht gekümmert habe, und zusätzlich das interessante Faktum, dass die Kilometrierung der Strecke nach Bruck hier beginnt. Auch das lässt sich nur historisch erklären: Zur Erbauungszeit dieser Strecke war St.Michael über kkStB-Gleise näher an Wien (über die Rudolfsbahn von Amstetten) als Bruck:

Signalanzeigetafel, Stw.3 St.Michael, 29.9.1983

Und ganz zuletzt habe ich wenigstens das Stellwerk 3 von außen aufgenommen, mit ein paar Dienstfahrrädern und der Gleisverbindung im Vordergrund:

Stw.3 St.Michael, 29.9.1983

Montag, 18. Juni 2012

Was ist eigentlich ein "elektromechanisches Stellwerk"?

In einem Posting im EBFÖ hat "Signalmeister" folgende interessante Frage und Kritik zu einigen Bildunterschriften in meine Postings über das EM55 in Hadersdorf und das "212" in Fels angebracht:
So erschließt sich mir beim Überfliegen der Bildunterschriften zB nicht, warum die Anlage in Fels elektromechanisch sein soll, und daß bei einem EM55 die Fahrstraße mechanisch festgelegt wird.
Ich finde das zwei ziemlich interessante Fragen. Die ganz kurzen Antworten drauf sind:
  • Die Anlage in Fels kann kein elektromechanisches Stellwerk sein, weil es die Bezeichnung "elektromechanisches Stellwerk" bei den ÖBB nicht mehr gibt. Sie ist ein Reihenstellwerk.
  • Die 30-Grad-Stellung beim EM55 in Hadersdorf ist ein Verschluss, keine Festlegung (das habe ich unter den Bildern korrigiert). In Bezug auf die meisten Stellelemente ist dieser Verschluss bei diesem Stellwerk tatsächlich elektrisch, daher sollte ich den Begriff "mechanisch" weglassen.
Also hab ich mich in beiden Punkten geirrt. Hab ich? Nach meinem Wissen ist die Sache nicht ganz so einfach.

Zur ersten Frage: Wenn man nicht, wie die ÖBB, den Begriff "elektromechanisches Stellwerk" vollkommen verbannt, sondern – wie ich – weiterverwenden will, dann muss man zumindest eine grobe Definition davon haben, was man damit meint. Den Begriff "elektromechanisches Stellwerk" gab es lange ja gar nicht, sie hießen "Kraftstellwerke", und damit gemeint waren Stellwerke, wo zur Umstellung der Stellelemente (i.w. Weichen und Signale) nicht die Arbeit des Bedieners, sondern eine "technische Kraft" (bei uns immer Elektrizität) verwendet wird.
Bei jenem Teil der Stellwerkstechnik, wo es um Verschlüsse und Festlegungen geht, war andererseits schon seit langem eine Mischung aus Mechanik und Elektrizität im Einsatz – eine elektrische Festlegung von Stellwerkselementen erfolgt ja auch in fast allen mechanischen Stellwerken über Blockfelder -, sodass es bezüglich der Verschluss- und Festlegeaufgaben keine Unterscheidung in "elektrische" und "nicht elektrische" Stellwerken gibt (aber natürlich in "rein elektrische" und "gemischt mechanisch elektrische" – kommt sofort).
Als dann die ersten Stellwerke entwickelt wurden, bei denen auch alle Verschlussaufgaben rein elektrisch erfolgten (bis auf, nun ja, so Kleinigkeiten wie Stützrelais), trennte man die Bezeichnungen in
  • "elektromechanische Stellwerke" = jene Stellwerke, wo für die Stellelemente Elektrizität verwendet wird, aber viele Verschlussaufgaben (konzeptuell) mechanisch wahrgenommen werden; und
  • "Drucktastenstellwerke" oder "Relaisstellwerke" = jene Stellwerke, wo sowohl für die Stellelemente als auch die Verschlussaufgaben Elektrizität verwendet wird.
Daneben blieben natürlich noch immer die
  • "mechanischen Stellwerke", wo die Stellelemente weiterhin durch Arbeit des Bedieners umgestellt werden.
Allerdings steht nirgends, dass ein Stellwerk nach mehreren Umbauten oder Ergänzungen nicht einen beliebigen Mischmasch dieser Techniken verwenden kann. Und spätestens seit der Einführung der Lichtsignale sind diese "Stellelemente" ja immer elektrisch "angetrieben", sodass eigentlich die meisten "mechanischen" Stellwerke nach meinen obigen Beschreibungen "teil-elektromechanische" Stellwerke geworden sind. Darüberhinaus kann man ein "mechanisches Stellwerk" durch elektrisch angetriebene Weichen ergänzen (was z.B. während Umbauten oft passiert ist), und dann wird ein solches Stellwerk noch "elektromechanischer".

Und spätestens bei der Bauart "212" ist diese Entwicklung zum Abschluss gekommen: Dort sind alle Stellelemente elektrisch gestellt. Daher bezeichne ich so ein Stellwerk als ebenfalls "elektromechanisch".

Meiner Argumentation muss man nicht folgen. Man kann den Begriff "elektromechanisch" auch an anderen Eigenheiten eines Stellwerks festmachen, z.B. ob (ursprüngliche) Aufbau der Bedienungseinrichtung in Lehrbüchern oder Unterlagen als solches bezeichnet wird (dann gehören dazu nur die Bauarten EM55, K47 und 42733 sowie einige aus Deutschland übernommene Bauarten, die nur in wenigen Exemplaren in Österreich standen). Oder man zieht typische Schaltungsteile dafür heran, wie die ursprüngliche Vierdraht-Weichenschaltung. Oder sonstwas.

Und es geht gleich weiter mit der zweiten Frage: Ist der Verschluss bei der 30-Grad-Stellung in Hadersdorf ein mechanischer?

Zuerst einmal: Wäre das Stellwerk ein Hadersdorf ein EM55, wo auch die Weichen über "Schalter" [siehe Anm. unten] gestellt werden (ein Beispiel für so ein Stellwerk sieht man hier), dann wäre der 30-Grad-Verschluss auf jeden Fall ein mechanischer. Ich zitiere – weil ich grad nichts anderes in Reichweite habe – das DB-Fachbuch "Das elektromechanische Stellwerk" von 1976 (3.Auflage), S.78:
"[...] so ist [...] durch Freibewegbarkeit des Fahrstraßensignalhebels bis 30° wenigstens ein mechanisches Verschließen der Fahrstraße gewährleistet." (meine Hervorhebung)
Mechanisches Verschließen bedeutet hier, dass das mechanische Verschlussregister ein Umstellen von Weichen verhindert, was durch das Zusammenwirken der Fahrstraßenschubstangen samt ihren Verschlusselementen und der besonders geformten Schalterachsen erreicht wird. Also gibt es bei elektromechanischen Stellwerken prinzipiell eine mechanischen Verschluss – deshalb haben sie ja eben das "mechanisch" im Namen.

In Hadersdorf allerdings gibt es (außer für drei Sperrschuhe) gar keine Weichenschalter mehr! Stattdessen ist ein Weichenselbstlauf in der 30°-Stellung und eine Gleisbildbedienung für die Einzelstellung vorgesehen. Weichen können also gar nicht mehr mechanisch verschlossen werden, sondern werden – wie bei einem DrS-Stellwerk – elektrisch verschlossen! – mit Ausnahme der drei Sperrschuhe in Etsdorf und, darüberhinaus, dem gegenseitigen Ausschluss von Fahrstraßen, der weiterhin (auch) mechanisch erfolgt.

Ich meine allerdings, dass trotzdem jeder diesen 30-Grad-Verschluss weiterhin den "mechanischen Verschluss" nennen würde, weil er "eben schon immer so hieß" und wegen der nicht so unwesentlichen Ausnahmen aus dem letzten Absatz. Aber da kann man sicher anderer Meinung sein.

Man kann sich zuletzt – und das schließt den Kreis zur ersten Frage – überhaupt die Frage stellen, ob das Stellwerk in Hadersdorf nach der neuen Definition ein Reihen- oder ein Gleisbildstellwerk ist. Ich kenne die genaue Definition eines "Reihenstellwerks" bei der ÖBB nicht, es wird aber wohl wesentlich dafür sein, dass die Bedieneinrichtungen für Stellelemente in einer Reihe angeordnet sind. Das trifft aber auf Hadersdorf so nicht mehr zu: Diese Bedieneinrichtungen sind für fast alle Stellelemente, nämlich die Weichen und Signale, im Gleisbild platziert! Nur die "Fahrstraßenelemente" liegen noch in einer Reihe – aber Fahrstraßen sind keine Stellelemente. Man müsste dann das EM55 in Hadersdorf als "Gleisbildstellwerk mit mechanischem Fahrstraßenausschluss" bezeichnen; und sich die Formulierung "mechanischer Verschluss in der 30-Grad-Stellung" doch verkneifen, aber "mechanischer Ausschluss in der 30-Grad-Stellung" wäre dann noch sinnvoll.

Interessant, interessant. Ich werde (weiterhin) versuchen, möglichst  genau mit meinen Begriffen zu sein: Aber im Eifer des Gefechts, oder eben weil es manchmal gar nicht so einfach ist, werden sich immer wieder Formulierungen einschleichen, die man weniger oder eben auch mehr hinterfragen kann.

[Anm.] Die Stellelemente an elektromechanischen Stellwerken werden m.W. in Österreich und der Schweiz als Schalter, in Deutschland als Hebel bezeichnet.

P.S. Weil Blogs ja auch was sehr Persönliches sind, finde ich, dass ein Verweis auf meine Vorstellung hier vielleicht wieder mal am Platze ist; oder, um's mit den Worten von "Signalmeister" zu sagen, die ich mir hier ausborge: "Es handelt sich hier um die persönliche Meinung des Verfassers, der sich hobbymäßig damit befasst hat".

Sonntag, 17. Juni 2012

Elektromechanisches Stellwerk EM55, Hadersdorf am Kamp, 2012

Bahnhofsgebäude, Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

In Hadersdorf steht schon seit langem ein elektromechanisches EM55-Stellwerk für die Stationen Hadersdorf am Kamp und Etsdorf-Straß:

EM55, Fdl Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Betriebstechnisch sind beide Stationen zu einem Bahnhof zusammengefasst, daher sind die östlichen (oder eigentlich nördlichen) "Ausfahrsignale"* von Hadersdorf mit K bezeichnet, während die westlichen Signale von Etsdorf N1 und N2 heißen. Die jeweiligen "Einfahrsignale" (tatsächlich natürlich auch Zwischensignale*) sind mit E und S bezeichnet. Das Gleis zwischen beiden Bahnhofsteilen hat die Nummer 51, und an diesem Gleis gibt es zwischen beiden Bahnhofsteilen noch zwei Verschubsignale V51H und V51E, mit denen Verschubfahrten in den jeweils anderen Bahnhofsteil möglich sind. Interessanterweise sind an diesen Verschubsignalen Verschubhalttafeln angebracht, sodass die zwei Teile verschubtechnisch doch eher eigene Bahnhöfe sind.

* Update Mai 2013: Das ist nicht so klar! Aufgrund der gemeinsamen Sicherungsanlage sind diese Signale zwar mit K.., N.., E und S bezeichnet. Sie können aber doch Einfahr- bzw. Ausfahrsignale sein, wenn Hadersdorf und Etsdorf-Straß zwei getrennte Bahnhöfe sind. Darauf weisen zumindest die "Halt für Verschubfahrten"-Tafeln an dem Verbindungsgleis hin, und auch, dass diese Signale keine weißen Hinweise "ZS" tragen (die sich sonst "wie die Schwammerl" vermehren). Leider fehlt mir das Wissen für eine definitive Aussage, ob es sich hier um einen oder zwei Bahnhöfe handelt.

EM55, Gleisbild für Hadersdorf, Fdl Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

EM55, Gleisbild für Etsdorf-Straß, Fdl Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Des EM55 in Hadersdorf ist insofern ein modernes Stellwerk, als keine Weichenschalter, sondern (fast) nur mehr Fahrstraßensignalschalter vorhanden sind. Hier sieht man eine gestellte Fahrstraße aus Gleis 103 in Hadersdorf nach Gleis 1 in Etsdorf. Auf dem Gleisbild leuchten die Festlegemelder, und die Signale K103 und S stehen auf frei. Unten sind die beiden Fahrstraßenschalter für k103 und S1 umgelegt (tatsächlich sind die Fahrstraßen für das Signal S mit S1 und S2 statt s1 und s2 beschriftet):

EM55, Fahrt von Hadersdorf nach Etsdorf-Straß, Fdl Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Hier sieht man den Schieberkasten des Stellwerks:

Schieberkasten des EM55, Fdl Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Ein kurzer Film macht das Einstellen von Fahrstraßen sicht- und hörbar. Wenn man genau hinsieht, erkennt man auf dem Film zweierlei:
  • Erstens, wie durch das Umlegen der "Fahrstraßenschalter" sich die Fahrstraßenschubstangen verschieben.
  • Zweitens, dass der Fahrdienstleiter den dritten umgestellten Schalter nicht vollständig umlegt – der Schalter rastet nicht vollständig ein:


Die nächsten beiden Bilder zeigen einen solchen "halb umgestellten" Schalter für die Fahrstraße e103 (von Etsdorf auf Gleis 103). In dieser 30-Grad-Stellung laufen die Weichen für die Fahrstraße schon ein, aber es erfolgt noch keine elektrische Festlegung und deshalb auch keine Freistellung des Signals. Für die (selten verwendete) Einzelumstellung der Weichen ist wie auf Gleisbildstellwerken eine Weichengruppentaste (WGT) vorhanden, die man im linksäußersten blau hinterlegten Tastenfeld sieht; darüber befindet sich das Auffahrzählwerk (Af).

EM55, mech.Verschluss der Fahrstraße e103, EM55, Fdl Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

EM55, mech.Verschluss der Fahrstraße e103, EM55, Fdl Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Auch auf der Ausfahrseite Richtung Krems ist die Fahrstraße gestellt und mechanisch festgelegt:

EM55, mech.Verschluss der Fahrstraße r103, EM55, Fdl Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

EM55, mech.Verschluss der Fahrstraße r103, EM55, Fdl Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Kurz darauf sind die Fahrstraßen ganz eingelegt und die Signale auf frei. In Etsdorf sieht man schon die Rotausleuchtung durch den Zug, der dort am Bahnsteig steht:

Fahrt Etsdorf-Straß über Hadersdorf nach Krems, EM55, Fdl Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Fahrt von Etsdorf-Straß nach Hadersdorf, EM55, Fdl Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Und hier ist der Zug:

5047, Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Auf dem Gleisbild sieht man die entsprechende Rotausleuchtung im Gleis 103:

Gleisbelegung Gl.103, EM55, Fdl Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Auf dem folgenden Video der Ausfahrt sieht man, wie zuerst das Ausfahrsignal auf Halt fällt. Erst später, wenn die Zugschlussstelle freigefahren ist, beginnt der Festlegemelder zu blinken und fordert damit den Fahrdienstleiter auf, den Fahrstraßensignalhebel wieder in die Grundstellung zu legen:


Hier folgen einige Detailfotos des Alcatel-Gleisbildes:

Gleisbereich Hadersdorf, Steuerung und Anzeige Diesel-Aggregat, EM55, Fdl Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Gleisbereich Etsdorf, EK-Steuerung, EM55, Fdl Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Hier steht eine Durchfahrt von Hadersdorf bis nach Etsdorf-Straß:

EM55, Fdl Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Bald darauf sieht man, dass der Abschnitt zwischen Rohrendorf und Hadersdorf belegt ist (rote Ausleuchtung von "11"). Interessanterweise leuchtet der ZG-Pfeil nicht rot, sondern bleibt trotz der Streckenbelegung weiß:

Einfahrt, EM55, Fdl Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Hier sieht man noch einmal diese Fahrt. Links oben sieht man eine Schrankenanlage im geschlossenen Zustand (waagrechter Balken), eine weitere zeigt dem Straßenverkehr schon Halt (rote Ausleuchtung in der Mitte), die Schranken sind aber noch nicht vollständig geschlossen (senkrechter Balken):

Einfahrt, EM55, Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Kurz später hat der Zug das Einfahrsignal schon auf Halt gestellt (und beide Schranken sind wieder offen) ...

Einfahrt, EM55, Hadersdorf am Kamp, Juni 2012 ..bei der Einfahrt (Sig rot)

... und hier ist er:

1142 mit REX von Krems nach Wien FJBf, Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Auf der Seite des Schalterwerks befindet sich ein Schloss für die Bahnhofsperre (ein entsprechender Schalter ist auf einem vorherigen Bild sichtbar). Außerdem hängen hier diverse Störungszettel für den Fahrkartenautomaten ...:

EM55, Fdl Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Schalter für Weichenheizung, Fahrleitungsschaltplan, Fdl Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Die folgenden beiden Bilder zeigen eine weitere Fahrt von Etsdorf nach Hadersdorf. An das Gleisbild wurde ein zusätzlicher Teil angebaut, als die mechanischen Schrankenantriebe in Etsdorf-Straß aufgelassen wurden:

Einfahrt von Fels, EM55, Fdl Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Einfahrt von Fels, EM55, Fdl Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Hier sieht man eine gleiche Fahrt mit bewegten Bildern:



Hier wieder eine "halb eingelegte" Fahrstraße, diesmal eine Einfahrt von Sigmundsherberg auf Gleis 102:

Einfahrt von Sigmundsherberg, EM55, Fdl Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Und hier ein Ausfahrt nach Krems – bei dieser Fahrt leuchtet der ZG-Pfeil rot:

Ausfahrt nach Krems, EM55, Fdl Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Das folgende Bild zeigt links oben die Beschriftung der Felder im Gleisbild sowie die Nummerierung der Lampenplätze in jedem Feld. Das ist nötig, damit der Signalmeister das richtige Birndl tauscht:

Ausfahrt nach Krems, EM55, Fdl Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Drei Fotos dieses Stellwerks aus dem Jahr 1984 habe ich nun hier gepostet.

Von außen ist der Bahnhof ein imposantes Gebäude, und gottseidank hat man auch das schöne Bahnhofsvordach erhalten:

Bahnhofsgebäude , Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Bahnhofsgebäude Südseite, Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Gegenüber der Fahrdienstleitung steht der Kilometerstein 0 der Strecke nach Sigmundsherberg:

km 0 nach Sigmundsherberg, Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Hier sieht man die Ausfahrsignale K103 und K105:

Ausfahrsignale K103 und K105, Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Ausfahrsignal K103, Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Im Hintergrund sieht man hier die Geländestufe des Wagram, davor die Hadersdorfer Pfarrkirche:

Ausfahrsignale K103 und K105, Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Hier steht der Zug, für den das K103 auf frei steht:

1142.635 mit REX nach Wien, Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Der folgende kurze Film zeigt den Umlauf von Weichen. Vorher war die Fahrstraße b102 eingestellt, nun soll aus Gleis 103 Richtung Etsdorf-Straß ausgefahren werden. Die erste Hälfte des Films bestreitet ein ungeplanter Mitwirkender, danach sieht man deutlich die "Weichenumlaufkette": Zuerst laufen nur die Weichenantriebe 101 (links hinten) und 102 (vordere Zungen der DKW) um, kurz danach der Antrieb 103 für die hinteren Zungen der DKW:


Sobald der Fahrdienstleiter den Fahrstraßenhebel um 90 Grad umlegt, geht das Signal auf frei, doch diesmal zeigt das Vorsignal "Hauptsignal frei mit 60" in Etsdorf-Straß:

Ausfahrsignale K103 und K105, Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Ausfahrsignal K103, Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Und hier fährt der Regionalzug ein:

5047.012, Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

In der Gegenrichtung kann nun die Ausfahrt nach Krems freigestellt werden:

Ausfahrsignale Richtung Krems, Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Hier kommt der 5047 nach Krems:

5047.025, Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

5047.025, Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Der Gegenzug ist währenddessen auf der Fahrt nach Etsdorf. Hier sieht man auch das Verschubsignal mit der Verschubhaltsignal, das eine Verschubfahrt von Hadersdorf nach Etsdorf-Straß ermöglicht:

5047.012 und V51H, Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Das Schutzsignal am Gleis 102 ist schon ziemlich verwittert:

Schutzsignal Sch102 und Signalnachahmer 1R102-104, Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Schutzsignal Sch102 und Signalnachahmer 1R102-104, Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

In der Gegenrichtung gibt es ebenfalls einen Signalnachahmer, seit das neue Bahnsteigdach die Sicht auf das Ausfahrsignal K102 behindert:

Signalweiderholer 1K102, Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Das entsprechende Signal, obwohl relativ neu, sieht ebenfalls etwas fleckig aus:

Zwischensignal K102, Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Etwas später habe ich eine Begegnung in Etsdorf-Straß aufgenommen. An dem regnerischen Tag hat sich die Kameralinse beschlagen, was diesen unbeabsichtigten Weichzeichnereffekt zur Folge hatte:

1216.013(?) und 5047 bei einer Begegnung, Etsdorf-Straß, Juni 2012

Kurz darauf fährt der 5047 nach Hadersdorf:

Ausfahrt Richtung Hadersdorf am Kamp, Etsdorf-Straß, Juni 2012

Der Regen hat immer mehr zugenommen, große Wolken ziehen hinter dem Zwischensignal N1 auf:

Zwischensignal N1, Etsdorf-Straß, Juni 2012

Das Bahnhofsgebäude ist nicht mehr so belebt wie damals, als noch der Schrankenwärter da war, aber es sieht sehr gut aus:

Bahnhofsgebäude Etsdorf-Straß, Juni 2012

Hier zwei doppelte Isolierstöße – der erste ohne, der zweite mit Diagonalverbinder (nicht die schwarzen, isolierten Leitungen, sondern die nicht isolierte Leitung, die den Schotter überquert):

Doppelter Isolierstroß, Etsdorf-Straß, Juni 2012

Doppelter Isolierstoß mit Diagonalverbinder, Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Irgendwo in der Gegend sind offenbar unlängst Weichenantriebe getauscht worden; die Nummern 20 und 13 sind allerdings weder in Hadersdorf noch in Etsdorf vertreten:

Ersetzte Weichenantriebe, Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Später, wieder bei etwas Sonne, habe ich noch das Einfahrtsignal A fotografiert:

Einfahrsignal A des Bahnhofs Hadersdorf am Kamp, Etsdorf-Straß, Juni 2012

Freundlicherweise ist auch ein Zug gekommen, allerdings war er länger als erwartet:

1116.255 mit Güterzug, Etsdorf-Straß, Juni 2012

Und ein letztes Foto, sozusagen als Abschied von Hadersdorf:

Bahnhof Hadersdorf am Kamp, Juni 2012

Einige Zeit wird diese Anlage noch in Betrieb sein, doch für 2014 oder 2015 ist wohl geplant, sie in die Betriebsleitzentrale "einzugemeinden". Dann wird dieses EM55 auch abgebaut werden.