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Sonntag, 18. November 2012

Die Schwarz-Weiß-Trennlinie auf Stellgewichten österreichischer Weichen, letzter Teil

Nach zwei Postings über die Schwarz-Weiß-Trennlinien auf Stellgewichten ortsbedienter Weichen will ich noch einige Bilder über fernbediente Weichen anhängen.

Zuerst einmal muss man wissen, dass in Österreich auch fernbediente Weichen üblicherweise mit Stellgewichten ausgestattet waren (natürlich nur, wenn sie über mechanische Antriebe verfügten). Bei der Einführung von Weichen mit federnden Zungen (statt Gelenkzungen) sollte das Gewicht helfen, die Zungen und den Spitzenverschluss sicher in der Endstellung zu halten.

Spätere Antriebe etwa der Südbahnwerke, die dann fast ausnahmlos verwendet wurden, hatten diese zusätzliche Sicherung in der Regel nicht mehr nötig, weil sie durch Druckfedern und Leerlaufwege im Antrieb sicherstellten, dass dieser die Endlage nicht verließ. Allerdings wurden in Österreich keine Spannwerke in Drahtzugleitungen verwendet, sodass die Leitungen weit entfernter Weichen im Sommer doch relativ locker werden konnten. Das Gewicht bewegt und hält den Spitzenverschluss auch bei extremeren Ausdehnungen sicher in der eingeklinkten Lage.

Zuletzt hilft das Gewicht beim Umstellen der Weiche, wenn man ihm mit der Anfangsbewegung des Weichenhebels im Stellwerk einen gewissen Schwung verleiht.
In Salzburg hat mir vor langen Jahren ein Fahrdienstleiter am Stellwerk 2 gezeigt, wie man eine weit entfernte Weiche "sich fast von selbst umstellen lässt": Man gibt dem Gewicht mit dem Weichenhebel einen ziemlichen Anfangsschwung, lässt über die Drahtzugleitung eine Schwingung hin- und zurücklaufen und kann dann "fast mit dem kleinen Finger" den Weichenhebel in die Endlage stellen. Er hat's mich ausprobieren lassen, aber ich hatte kein "Gefühl für diese Schwingungen" und blieb mit dem Hebel in der Mitte hängen ...
Aus all den genannten Gründen hatten praktisch alle mechanischen Weichenantriebe in Österreich weiterhin gewichtsbeschwerte Stellhebel (eigentlich nun Gewichtshebel – ich bleibe aber bei der Bezeichnung aus den vorherigen Postings). Allerdings sollte das Gewicht nun nicht mehr, wie bei einer ortsbedienten Weiche, einen Teil des Weges "frei" zurücklegen, sonst würde es unkontrolliert nach unten fallen. Deshalb wurde auf den Stellhebel eine Stützgabel geschraubt, die sich mit ihren beiden Schenkeln (oder "Zinken") auf die Stellgabel stützte. Praktisch war das Stellgewicht dadurch mehr oder weniger fest mit der Stellstange zur Weiche verbunden.

Hier ist ein Beispiel, wo man diese Konstruktion halbwegs erkennen kann: Am Fuß des Stellhebels sieht man links und rechts die zwei Schenkel der Stützgabel. Weil die Weiche nicht ortsbedient ist, ist das Gewicht einheitlich dunkelgrau gestrichen:

Weiche 12, Ebenfurth, 26.7.1986

Allerdings ist die Sache nicht so einfach, dass Weichen entweder ortsbedient oder fernbedient sind: In der Zwischenkriegszeit haben die Südbahnwerke den "Weichenhebel 3549" – allgemein bekannt als "Madnerhebel" – konstruiert. Mit diesem Weichenhebel und dem dazugehörigen Antrieb "695a" kann eine ferngestellte Weiche zur Ortsbedienung freigegeben werden. Dafür wurden die Gewichte solcher Weichen wie jene nur ortsbedienter Weichen mit einem Griff versehen. Und außerdem erhielten sie nun wieder einen schwarz-weißen Anstrich, um die Grundstellung zu kennzeichnen!

Im folgenden Bild sieht man die Weiche 1 in Aspang, die mit einem solchen Antrieb ausgestattet ist. Man erkennt auch den (nach links stehenden) Griff am Stellgewicht für die Ortsbedienung. An der rechten vorderen Ecke des Antriebs im Vordergrund sieht man eine ausgeklappte rote Segmentblende, die anzeigt, dass der Antrieb gerade für die Ortsbedienung freigegeben ist. Die Weiche steht hier in der Minusstellung, man könnte sie aber mit dem Gewicht direkt hier umstellen. Die Trennlinie an dem Gewicht liegt in der Verlängerung des Stellhebels:

Weiche 1, Aspang, 25.9.1986

Auch die darauf folgende Weiche 2 war mit einem solchen Antrieb und daher einem schwarz-weißen Stellgewicht versehen. Sie steht hier in der Grundstellung und ist nicht für die Ortsbedienung freigegeben, daher ist die rote Blende eingezogen (ganz wenig sieht man sie hervorstehen):

Weiche 2 und Ausfahrsignal H2-5, Aspang, 25.9.1986

Was allerdings ist von der folgenden Situation zu halten? Diese Weiche hat ein grau gestrichenes Gewicht, ist also wohl nicht ortsbedient. Allerdings ist an dem Gewicht ein Umstellgriff angebracht! Soviel ich aus Stellwerksfotos eruieren kann, wurde sie aber nicht mit einem Madnerhebel gestellt. Der Griff war wohl irgendwie "übriggeblieben" – vielleicht von einem Umbau, bei dem die Weiche zeitweise ausgebunden war und vor Ort gestellt werden musste:

Weiche 1, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.5.1981

Auch die folgende Weiche im selben Bahnhof ist unpassend ausgerüstet: Das schwarz-weiße Gewicht ließe vermuten, dass wir hier eine Weiche mit Ortsbedienungs-Freigabe vor uns haben:

Weiche 56, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1987

Auf der folgenden Hebelbank des zugehörigen Stellwerks sieht man aber, dass das nicht der Fall ist: Ja, hier gibt es einen dreistelligen großen Madnerhebel, aber er stellt die Weiche 53 um. Die Weiche 56 wird von dem zweistelligen Hebel fast rechts außen mit dem blanken Griff gestellt:

Hebelbank, Stellwerk 2, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1987

Auf dieser Hebelbank erkennt man übrigens auch einen Hebel, der mit "2S" gekennzeichnet ist – das war die erstaunliche "gefesselte" Weiche aus dem vorherigen Posting. Gleich daneben sind noch zwei Hebel "1S" und "R 1S" – also Riegel für 1S – vorhanden. Ist also der "2S"-Hebel kein Riegelhebel? – das kann ja wohl nicht sein! Ungelöste Rätsel leben länger ...
Eine weitere interessante Situation, nämlich österreichische Weichenantriebe ohne Gewichte sieht man hier in Stainach-Irdning. Der Grund dafür war wohl, dass diese Weichen so knapp vor dem Stellwerk lagen, dass eine Sicherung gegen lockere Drahtzüge aufgrund der Wärmeausdehnung nicht nötig war. Die frei stehenden leeren Stellhebel waren mit ein wenig gelber Farbe als Warnanstrich markiert:

Weichen 55 und 56, Stainach-Irdning, 30.8.1986

Viel unerwarteter, insbesondere für unsere Freunde in Deutschland, ist aber sicher die folgende Situation: Ein Einheitsantrieb mit zusätzlichem Gewicht! Das Gewicht ist ordnungsgemäß mit einer Stützgabel versehen, um seine Bewegung zu begrenzen – man sieht sie hier besonders schön. Allerdings hat das Gewicht einen schwarz-weißen Anstrich, der die Grundstellung kennzeichnet. Trotzdem ist die Weiche natürlich nicht für Ortsbedienung freigebbar – dazu war ein Einheitsantrieb nicht in der Lage. Und das Gewicht hatte daher auch keinen Stellgriff. Warum dann ein schwarz-weißes Gewicht? Entweder war gerade nur ein solches Gewicht zur Hand, als dieser Antrieb zusammengebaut wurde; oder man hielt es hier im Heizhausbereich für sinnvoll, die Grundstellung auch außen kenntlich zu machen – insbesondere, weil die Grundstellung der Weiche die ablenkende Stellung ist:

Weiche 806, Attnang-Puchheim, Februar 1987

Was ist aber der Grund für dieses Stellgewicht an einem Einheitsantrieb? Man sieht ihn hier, im unteren Stockwerk des zugehörigen Stellwerks: Hier fehlen Spanngewichte für die Weichen – die Drahtseile werden über einfache Umlenkrollen zur Außenanlage geführt! Damit konnte natürlich wieder das Problem auftreten, dass bei einer sich aufgrund der Temperatur ausdehnenden Drahtzugleitung die Endlage nicht sicher erreicht wurde. Durch das Gewicht wird diesem Übelstand abgeholfen:

Untergeschoß mit Umlenkrollen, Stw.3, Attnang-Puchheim, Februar 1987

Für Interessierte hier zum Vergleich noch das Untergeschoß eines regelgerecht ausgestatteten Einheitsstellwerks mit Innenspannwerken:

Innenspannwerke, Stw.6, Wels Vbf, Februar 1987

Aber zurück zu Gewichten an fernbedienten Weichen! Das folgende Bild zeigt von vorne nach hinten
  • eine ortsbediente Weiche in Grundstellung;
  • die fernbediente Seite einer DKW in der Minusstellung
  • und die fernbediente Seite einer DKW in der Plusstellung.
Bei der DKW stehen die Gewichte "ziemlich alleine in der Gegend herum" – es gibt ja kein Weichensignal direkt daneben, sondern über ein Gestänge (das in einem vergrabenen Rohr läuft) wird das mittig stehende DKW-Signal angetrieben. Rechts neben der ortsbedienten Weiche sieht man übrigens eine "kleine Grenzmarke": Die zwei rot-weißen Markierungen kennzeichnen die Stelle, wo der Abstand der Gleismitten 3,5 Meter beträgt. Die "große", schwarz-weiße Grenzmarke ist erst beim Ende der Isolierschiene angeordnet, hinter das das Ende eines Zuges zur Fahrstraßenauflösung vorgefahren sein muss:

Weichen 52, 53 und 54, Bad Ischl Fbf, 31.8.1986

Alle Trennlinien auf Stellgewichten auf den bisherigen Fotos in diesem Posting befanden sich in der Verlängerung des Stellhebels. Die folgenden zwei Bilder zeigen aber, dass es auch fernbediente Weichen mit waagrechter Trennlinie am Gewicht gab. Die folgende Weiche 11 des Bahnhofs Brigittenau hatte ein enorm hohes Weichensignal und zusätzlich wieder ein Fahrleitungsende-Signal ("Halt für Fahrzeuge mit angehobenem Stromabnehmer") für die ablenkende Stellung:

Weiche 11, Brigittenau, 5.11.1986

Und hier sehen wir die Weiche 2 des Bahnhofs Gurten, die über einen Madnerhebel gestellt wurde. Auch hier ist die Trennlinie wunderschön waagrecht, wenn die Weiche wie hier in der Grundstellung steht. Wenn man genau hinsieht, erkennt man am Antrieb wieder die ausgeklappte rote Blende, die anzeigt, dass die Weiche zur Ortsbedienung freigegeben ist:

Weiche 2 und Ausfahrsignal H, Gurten, 20.2.1987

Aber – vielleicht kann man ja ganz ohne diese komplizierten mechanischen Apparate auskommen?

"Weiche" zur Bahnmeisterei, Obdach, 26.4.1987

Nach diesem Ausflug in ein kleines Spezialgebiet der Stellwerkerei kehre ich aber mit dem nächsten Posting wieder zu Bahnhofsbeschreibungen von 1986 zurück.

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