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Sonntag, 23. Dezember 2012

5007er mit eineinhalb Gleiswechselbetrieben: Mödling, 1986

Von Brunn-Maria Enzersdorf bin ich an diesem Herbstnachmittag weitergefahren nach Mödling. Einen Gleisplan von Mödling kann man bei sporenplan.nl hier sehen.

In Mödling stand eine übliche 5007er-Anlage mit Befehlswerk in der Fahrdienstleitung und Endstellwerken. Allerdings war hier Richtung Liesing vollständiger Gleiswechselbetrieb eingerichtet, was zu einer erheblichen Anzahl von Fahrstraßenknaggen führt. Auf der Wiener Neustädter Seite war ebenfalls beim rechten Streckengleis ein Einfahrsignal Y angeordnet. Allerdings konnte auf dieses Einfahrsignal signalgesichert nur auf Gleis 2 eingefahren werden, und der Streckenblock konnte bei einer solchen Fahrt nicht bedient werden.

Auf dem Befehlswerk in der Fahrdienstleitung führten alle diese Fahrtmöglichkeiten zu folgenden Bezeichnungen untern den Blockfeldern:
  • "von od.nach Wien Südbf. über Strgl.1";
  • "von od.nach Wien Südbf. über Strgl.2";
  • "von od.nach Strgl.1 Mürzzuschlag" für alle Ausfahrten nach Mürzzuschlag sowie für die Einfahrt auf Gleis 2 auf Signal Y;
  • "von Strgl.2 Mürzzuschlag".
Folgende Fahrtmöglichkeiten waren an den Fahrstraßenknaggen angeschrieben:
  • "von Wien Südbf. über Strgl.1" auf die Gleise 6, 4, 2, 1 und 3;
  • "von Wien Südbf. über Strgl.2" auf dieselben Gleise;
  • "nach Wien Südbf. über Strgl.2" aus den Gleisen 6, 4, 4K (Sch4 bleibt auf Halt), 2, 1 und 3;
  • "nach Wien Südbf. über Strgl.1" aus denselben Gleisen;
  • "über Strgl.1 nach Mürzzuschlag" aus den Gleisen 4, 2, 1 und 3;
  • "über Strgl.1 von Mürzzuschlag" in das Gleis 2;
  • "über Strgl.2 von Mürzzuschlag" in die Gleise 4, 4K (bis zum Sch4), 2, 1 und 3.

Befehlswerk, Fdl, Mödling, 1.11.1986

Die Signal- und Blockanzeige- und -bedienungstafel war wegen der Möglichkeiten zum Gleiswechselbetrieb auch größer als üblich. Wir sehen
  • zwei RWT (Richtungswechseltasten) Richtung Brunn-Maria Entersdorf, obwohl dort am ZG kein Gleiswechselbetrieb sichtbar ist! – das ist mir momentan sehr unklar ... vielleicht komme ich noch drauf, wie die Situation dort war ...
  • einzelne Signaltasten – sie dienen allerdings nur zum Stellen der Ersatzsignale auf den Hauptsignalen sowie am Schutzsignal Sch4; die reguläre Signalbedienung erfolgt von den Stellwerken;
  • die Anzeige des Verschubsignals V6-14; es wird über eine Knagge am Befehlswerk gestellt, was ziemlich unüblich ist.

Signalanzeige und -bedienung, Fdl, Mödling, 1.11.1986

Am Stellwerk 2 befand sich eine kurze Hebelbank, ohne freie Hebelplätze von abgebauten Formsignalen:

Hebelbank, Gleisanzeiger und Blockapparat, Stw.2, Mödling, 1.11.1986

Auf der Signalanzeige sieht man wieder, dass zwar ein Einfahrsignal Y für Einfahrten am rechten Streckengleis vorhanden war, dass aber der Streckenblock nicht direkt Gleiswechselbetrieb unterstützte. Links vom rechten Fahrstraßenfestlegefeld sieht man eine "übriggebliebene" Blocktaste, die auf ein abgebautes Zustimmungsfeld hindeutet:

Blockfelder und Signalanzeige, Stw.2, Mödling, 1.11.1986

Am folgenden Bild sieht man die Signalanzeige- und -bedientafel noch einmal. Man erkennt, dass die Zustimmungen vom Stellwerk für Fahrten auf Gleis 4 nicht mehr über Blockfelder, sondern über Tasten abgewickelt wurden:
  • ZE 4 für eine Einfahrt auf Gleis 4 – dazu musste am Stellwerk 1 die Mittelweiche im Gleis 4 festgelegt sein;
  • ZE 4K für eine Einfahrt auf Gleis 4 bis zum Schutzsignal Sch4 beim Stellwerk 1;
  • ZE 4n.M. für eine Ausfahrt aus Gleis 4 Richtung Mürzzuschlag – auch dazu musste am Stellwerk 1 die Mittelweiche festgelegt sein.
Mit der Gruppentaste ZAGT konnte eine Zustimmung angefordert werden, mit der ZGRT erfolgte die Rückgabe einer Zustimmung, wenn sie nicht gesperrt war, was die rote Lampe "Zust.gesp." anzeigte. Ein- und Ausfahrten auf Gleis 6 waren auf dieser Bahnhofsseite nicht möglich, daher waren dafür auch keine Zustimmungen erforderlich.

Signalanzeige, Stw.2, Mödling, 1.11.1986

Die Schrankenanlage war, soviel ich mich erinnern kann, komplizierter als man glaubt: Mehrere Schrankenbäume sicherten sowohl ein Zufahrtsgleis zu mehreren Anschlussbahnen wie auch die Überquerung der Südbahn.

Schrankenkurbeln und Hebelbank, Stw.2, Mödling, 1.11.1986

Auf diesem Bild des Stellwerks sieht man links zwei der Schrankenbäume, die das Zufahrtsgleis sicherten:

Stellwerk 2, Mödling, 1.11.1986

In der Nähe des Stellwerks stand dieses Bahnwärterhaus, das wohl noch aus der Ursprungszeit der Südbahn stammt:

Bahnwärterhaus, Mödling, 1.11.1986

An einer Weiche im Anschlussbereich (Weiche 22?) befand sich dieser Hakenverschluss:

Hakenverschluss der W22, Mödling, 1.11.1986

Die folgende Aufnahme der 5007er-Anlage am Stellwerk 1 sieht fast wie eine Werksaufnahme auf – nur ganz selten war vor Hebelbänken österreichischer Stellwerke genügend Platz für solche Frontalaufnahmen. Ganz rechts außen ist gerade das Be-Feld für eine Einfahrt entblockt und daneben über das geblockte Ff-Feld die Fahrstraße festgelegt. In der Mitte sieht man die dazugehörige umgelegte Fahrstraßenknagge für die Einfahrt auf Gleis 1:

Hebelbank, Gleisanzeiger und Blockapparat, Stw.1, Mödling, 1.11.1986

Am Signalanzeige- und -bedienpult sieht man, dass das Einfahrsignal auf Frei steht; und auch die Ausfahrt muss schon freigestellt sein, weil beim Ausfahrvorsignal auch die grüne Anzeige leuchtet. Interessanterweise fehlt eine Anzeige für das Einfahrvorsignal b, das wegen des Gleiswechselbetriebs sicher existiert hat. Links oben sieht man die Anzeigen für die Zustimmung: Drei Lampen zeigen eine Zustimmungsanforderung vom Stellwerk 2 an, außerdem gibt es die Möglichkeit, mit einem Schlüsselschalter und einer Taste eine gegebene Zustimmung zurückzunehmen (was am Stellwerk 2 ein freigestelltes Signal auf Halt wirft). Auch hier gibt es, wie am Stellwerk 1 in  Melk, keine gemeinsame Taste für die Ausfahrsignale, sondern ausnahmsweise Einzeltasten. Rechts oben schließlich eine EK-Überwachung für den Schranken in der Nähe der Einfahrsignale angebracht:

Signalanzeige und -bedienung, Stw.1, Mödling, 1.11.1986

Hier sehen wir noch einmal den Blockapparat etwas näher. Interessanterweise ist für die Abgabe der Zustimmungen an das Stellwerk 2 ein Blockfeld angebracht (während dort ja nur Lampen und Tasten für die Zustimmungen vorhanden sind). Das ist auch sinnvoll, weil hier ja Fahrstraßenschieber verschlossen werden, die wiederum die Mittelweiche oder das Schutzsignal Sch4 sperren. Das Feld ist daher ziemlich sicher ein Gleichstrom-Wechselstrom-Feld, damit es mit einem einzelnen Impuls vom Stellwerk 1 wieder entblockt werden kann. Die entsprechenden Fahrstraßenknaggen sieht man rechts zwischen zwei Madnerhebeln – die Aufschriften "4" und "4k" (im Gegensatz zur Fahrdienstleitung und zum Stetllwerk 2 hier mit kleinem k) an der rechten Knagge kann man gut erkennen, an der linken Knagge muss die Aufschrift "4n.M." stehen. Der Zug, für den vorher die Einfahrt freigestellt war, ist übrigens schon durch, und Fahrstraßenverschluss und Befehlsfeld sind wieder in Grundstellung:

Hebelbank und Blockapparat, Stw.1, Mödling, 1.11.1986

Dieses Bild des relativ neuen Stellwerksgebäudes (oder war nur der obere Stock neu aufgebaut worden?) zeigt, wie man mit wenigen Fenstern auch eine ausreichende Sicht gewähren kann und nebenher vermutlich einiges an Heizkosten spart:

Stellwerk 1, Mödling, 1.11.1986

Fast zuletzt noch ein Bild des Bahnhofs, mit den Gleisen 6, 4, 2 und 1 (vom Bahnhof her):

Bahnhof, Mödling, 1.11.1986

Und zum Schluss noch ein Bild einer interessanten Mechanik an einem Güterwagen: Die linke Federschake hängt hier an einem zweiarmigen Hebel, der über einen Winkelhebel eine Umstellung an der Bremsausrüstung bewirkt (die ich nicht dokumentiert habe). Wenn man als Achslast 16 Tonnen annimmt, dann hängen an der linken Schake noch immer 4 Tonnen, und über den ca. 4:1 übersetzten Hebel wird an der Zugstange mit etwa einer Tonne gezogen – auf eine entsprechende Gegenkraft muss also die Feder an der Umstellung gespannt sein:

Mechanik einer lastabhängigen Bremsventilverstellung, Mödling, 1.11.1986

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