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Samstag, 25. Oktober 2014

Von der Flexibilität des Schlüsselbretts: Umfahrstraße in Linz Urfahr, 1987

Ergänzungen 29.11.2014: Ein ÖBBler, der wiederum mit anderen Eisenbahnern gesprochen hat, hat ein paar interessante Informationen über Urfahr aufgetrieben, die ich weiter unten eingearbeitet habe.

Sicherungsanlagen dienen unter anderem dazu, in Bahnhöfen Zugfahrten von einem Punkt A zu einem Punkt B sicher durchzuführen. Dazu gehört vor allem, dass die Weichen zwischen A und B richtig gestellt sind und sich während der Zugfahrt nicht umstellen lassen. Man führt die Fahrt von A nach B dabei normalerweise immer über dieselben Weichen, und zwar über jene, wo man (a) möglichst wenig andere Fahrmöglichkeiten behindert und (b) mit der höchsten Geschwindigkeit fahren kann. Hier ist ein Beispiel, wo man natürlich nicht entlang des roten Weges, sondern entlang des grünen auf Gleis 2 einfährt, weil man dabei alle Weichen in gerader Stellung befahren kann:


Für Einfahrten auf Gleis 4 muss der Zug auf jeden Fall langsam fahren, aber das Kriterium (b) – behindere möglichst wenig andere Fahrten! – fordert noch immer, dass man nicht im "Zick-Zack" fährt.

In manchen Fällen hat man aber solche alternativen Fahrten trotzdem planmäßig auf Stellwerken vorgesehen. Hier ist ein (erfundenes) Beispiel: Im Regelfall wird man von Gleis 4 auf das Streckengleis S1 über die Weichenverbindung 5/6 ausfahren. Der Grund ist, dass dann Einfahrten von S2 auf Gleis 6 über die Weichen 2 und 4 nicht behindert werden. Allerdings könnte man eine alternative Fahrmöglichkeit über die Verbindung 2/1 vorsehen, wenn häufig genug Fahrten vom Gleis 1 auf die abzweigende Strecke S' stattfinden, um diese nicht zu behindern:


Auf mechanischen und elektromechanischen Stellwerken habe ich so etwas nie gesehen oder davon gehört, auf Relaisstellwerken der ersten Generation ("Drucktastenstellwerken") wurden einzelne solche Fahrstraßen projektiert – was aber teuer war und daher nur für einzelne, betrieblich besonders "ertragreiche" Fahrstraßen vorkam –, erst in Spurplanstellwerken wurde es aufgrund der anderen Technik des Fahrstraßenaufbaus rentabel, alle vom Spurplan her möglichen Fahrstraßen zu erlauben.

Nun aber – vorerst – zu etwas ganz anderem ("And now for something completely different" ...): Die einfachste Sicherungsanlage, die man sich vorstellen kann, ist das Schlüsselbrett. Es "funktioniert" so: Auf einem Holzbrett wird aufgemalt, welche "Fahrwegelemente" (i.d.R. nur Weichen) wie stehen müssen, damit auf ein Gleis eingefahren oder davon ausgefahren werden kann. Die Weichen erhalten Schlüssel, und wenn durch Augenschein festgestellt wird, dass alle passenden Schlüssel vorhanden sind, dann darf das jeweilige Signal auf Frei gestellt werden. Ein Schlüsselbrett ist also mehr "Erinnerungsmaßnahme" als wirkliche Sicherungsanlage – es stellt allerdings sicher, dass niemand draußen eine Weiche umstellen kann.

Schlüsselbretter sind nur zum Einsatz unter einfachen Betriebsbedingungen zugelassen. Dazu gehören allerdings auch längerdauernde Bauzustände wie in Krems, und in Sillian tat ein Schlüsselbrett lange auf einer Hauptbahn regulär Dienst.

Wie auch immer, man würde erwarten, dass man unter solchen einfachen Betriebsbedingungen nicht mehrere Fahrmöglichkeiten auf ein und dasselbe Gleis benötigen würde. In Linz Urfahr wurde allerdings tatsächlich auf einem Schlüsselbrett so etwas vorgesehen! Wir können ja, nachdem wir den folgenden Gleisplan studiert haben, überlegen, was das bringen sollte.

Die Weichen sind hier übrigens weitgehend nach deutscher Norm nummeriert, was man nicht nur daran sieht, dass die Nummern am westlichen Bahnhofskopf einfach weiterlaufen, sondern auch daran, dass bei zwei DKWs die zwei Seiten nicht wie in Österreich üblich getrennte Nummern erhielten, sondern mit a/b und c/d bezeichnet waren. Der Grund dafür ist allerdings nicht ein Umbau zu Reichsbahnzeiten, sondern einer im Jahr 1956, als mehrere Stumpfgleise samt den erforderlichen Weichen ergänzt wurden (offenbar um 1988 wurden übrigens erneut Weichen eingebaut, dabei erhielten dann alle Weichen Nummern nach österreichischer Regelnummerierung). Klick auf das Diagramm öffnet wie üblich eine PDF-Datei.


Bevor wir uns die Fahrtmöglichkeiten genau ansehen, sieht man hier zuerst die ganze Sicherungsanlage – ein interessanter, "kompakter" Aufbau verschiedener Teile: Links ist von oben nach unten
  • der Gleisplan mit den Fahrstraßenprüfbereichen (Zitat: "Fahrdienstleiter: Von Einfahrweiche 1 bis km 0,100 (Höhe des Lademaßes); Verschieber: Von km 0,100 (Höhe Lademaß) bis zur Verschubhalttafel km 0,573"),
  • dem Zentralschloss für Fahrten am westlichen Bahnhofskopf, also Richtung Aigen-Schlägl,
  • und dem Schlüsselbrett für Fahrten auf der Ostseite, also Richtung Linz Hbf
zu sehen. Auf der rechten Seite befindet sich
  • ganz oben links eine Relaisgruppe für ein "Ers.sig. 1B" (woher auch immer diese Bezeichnung kommt: Das Einfahrsignal von Aigen-Schlägl her hatte jedenfalls die Bezeichnung Z),
  • daneben der Netzumschalter sowie die Tag-Nacht-Umschaltung der zwei Signale,
  • darunter ein Bedienkästchen für die Überwachung und Bedienung zweier EKs sowie des Einfahrsignals (samt Ersatzsignal)
  • darunter ein minimales Blockwerk mit einem Ff-Feld für Fahrten von und nach Aigen-Schlägl (links daneben Schlüsselschalter mit Zählwerk und Taste für die Hilfsauflösung)
  • dann mehrere Relaissätze (ich nehme an für die Signale)
  • und zuletzt die Stromversorgung.
Alles schön wie bei einer Junggesellenküche auf engstem Raum zusammengebaut!

Sicherungsanlage, Fdl, Linz Urfahr, 6.8.1987

Hier sehen wir eine weitere Aufnahme vom oberen Teil dieser Anlage:

Sicherungsanlage, Fdl, Linz Urfahr, 6.8.1987

Das Zentralschloss hat, was ich sonst nie gesehen habe, den Sperrenplan wie eine Schlüsselbrett aufgemalt (üblicherweise waren die Weichenstellung neben den Fahrstraßenschlüsseln vermerkt).

Interessant ist, dass vom Gleis 6 nur Ausfahrten zulässig waren (bei den Einfahrten sind für das Gleis 6 keine Schlüsselsymbole angebracht!). Auf der rechten Seite sieht man die vier Fahrstraßenschlüssel. Bei einer Fahrt wurde der passende im Ff-Feld eingeschlossen:

Zentralschloss, Fdl, Linz Urfahr, 6.8.1987

Aber nun endlich eine Detailansicht des Schlüsselbretts, herauskopiert aus der ersten Aufnahme oben. Bemerkenswert ist neben dem Gleis 4, über das ich mir gleich den Kopf zerbreche, die Zwirnspule am Schlüsselhaken der Weiche 3. Ihr Zweck erschließt sich mir nicht wirklich:

Schlüsselbrett, Fdl, Linz Urfahr, 6.8.1987

Und man sieht, dass für das Fahrten in und aus Gleis 4 hier tatsächlich jeweils zwei Fahrmöglichkeiten erlaubt sind:
  • Einmal "u.W.2.3",
  • aber außerdem "ü.Kanal".
Sehr erstaunlich. Ich habe keine Ahnung, was der Grund dafür sein könnte. Interessant ist zumindest, dass auf das Gleis 6 – auf dem nur Fahrten in Richtung Aigen zulässig waren, also auf diesem Bahnhofskopf nur eine Einfahrt – überhaupt nur über den "Kanal" eingefahren werden konnte. Da diese Gleise nur von Güterzügen befahren wurden, könnte der Grund sein, dass längere Züge in diesem sehr gedrängten Bahnhof nicht das durchgehende Hauptgleis 2 zustellen sollten. Dann aber hätte auch für Gleis 4 eine Fahrstraße nur über den "Kanal" ausgereicht. Aber vielleicht war der Kanal des öfteren zugestellt – vielleicht mit einer Lok des Fahrverschubs? (eine Reserve gab es m.W. in Urfahr nicht). Rätselhaft, rätselhaft ...

Mittlerweile habe ich, wie oben erwähnt, Folgendes erfahren:
Einfahrten der Güterzüge von Linz Vbf nach Gleis 4 und 6 erfolgten immer über den „Kanal“, der üblicherweise nicht mit Fahrzeugen besetzt war. Tfz wurden auf den Gleisen 8a oder 8b bzw. auf Gleis 6 (Linzer Stutzen) hinterstellt.

Da damals zwei Güterzüge von Linz Vbf nach Linz Urfahr verkehrten (einer in der Früh, einer am Vormittag) und der erste bei Überlast Wagen stehen ließ, war ein zweites Einfahrgleis für Güterzüge sinnvoll.
Außerdem erhielt ich noch ein wenig Information über die Sicherungsanlage vor jener, die ich fotografiert habe:
Bevor die von Ihnen fotografierte Sicherungsanlage in Betrieb ging, hatte Linz Urfahr von Aigen-Schlägl ein einflügeliges Form-Einfahrsignal (dazu eine Kreuztafel), das in km 1,090 stand und vom dortigen Schrankenposten bedient wurde. Der Fahrdienstleiter hatte ein Blockfeld (Ba oder Za, das weiß ich nicht mehr), mit dem er den Wärter zum Freistellen beauftragte. Das Blockfeld selbst hatte zu den Fahrwegen des Bahnhofes, die nur mit einem Schlüsselbrett gesichert wurden, keinerlei Abhängigkeit.
Vielen Dank für diese Infos!

Ein letztes Bild von mir zeigt das Bahnhofsgebäude und im Vordergrund die DKW 5:

DKW 5a/b, Linz Urfahr, 6.8.1987

Die Gleise zum Hauptbahnhof laufen ja über die Urfahrer Eisenbahnbrücke, die auch eine Straßenbrücke ist. Wenn ein Zug sie überquert, wird der Straßenverkehr gestoppt – der dazu nötige EK-Sicherungsposten ist rechts (von der Brücke Richtung Norden) zu sehen (vielen Dank an Ph.Ringseisen, der mich hier ortskundig korrigiert hat):

Überwachungsposten für die Urfahrer Eisenbahnbrücke, EK-Signal, Linz Urfahr, 6.8.1987

Ich erlaube mir hier, Philipps Bild aus dem Inneren des Postens (aus neuerer Zeit) einzufügen:

Bedieneinrichtungen im Überwachungsposten für die Urfahrer Eisenbahnbrücke, Linz Urfahr (Foto von Ph.Ringseisen)

Und dann habe ich noch einen kurzen Zug auf der Urfahrer Eisenbahnbrücke gesehen (von der nun offenbar noch immer nicht klar ist, ob und wann sie abgerissen wird):

2043.039 auf der Urfahrer Brücke, Linz Urfahr, 6.8.1987

2043.039 auf der Urfahrer Brücke, Linz Urfahr, 6.8.1987

2043.039 auf der Urfahrer Brücke, Linz Urfahr, 6.8.1987

1 Kommentar:

  1. Eisenbahnbrücke: Bevor die Brücke mit Lichtzeichennanlagen und Monitorüberwachung gesichert wurde, gab es auf jeder Seite einen – meist mit Frauen – besetzten Brückenposten. Bei Annährung eines Zuges wurden die Handschranken geschlossen, allerdings gleich nach dessen Vorbeifahrt wieder geöffnet. So konnte man über die Brücke praktisch auf Tuchfühlung hinter dem letzten Wagen nachfahren oder sich als Fahrradfahrer am Verschieberhandgriff anhängen.

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