Auf meine kurzen Texte zu den Fotos aus Kreuzlingen hat Hanspeter Thöni eine lange erklärende EMail geschrieben, die ich in diesem Posting mit den entsprechenden Bildern wiedergebe.
Zuerst einmal hat mir Hanspeter einen Scan des sicherungstechnischen Plans der vorher in Kreuzlingen stehenden, rein mechanischen Anlage gesendet. Ich habe daraus das folgende Bild der früheren Hebelbank am Stellwerk zusammengesetzt, das beim Verständnis einiger folgenden Punkte hilft (Klick öffnet ein größeres, lesbares Bild):
Plan der früheren mechanischen Stellwerksanlage (Hanspeter Thöni)
Den ganzen Scan kann man hier als PDF herunterladen.
Aber nun folgt der Text von Hanspeter Thöni:
Die Anlage ist im Zustand 1988 doch eher speziell.
Das Schalterwerk in der Fahrdienstleitung war kein reines Befehlswerk. Der Fahrdienstleiter stellte die Signale selber. Es gibt pro Strecke einen Fahrstrassensignalschalter (FSS). Ich vermute, dass der Fahrdienstleiter den FSS auf 30° stellen konnte. Damit erfolgte die Anforderung der Fahrstrasse im Wärterstellwerk. Sobald der Wärter die Fahrstrasse verschlossen hatte, wurde der FSS frei zum Weiterschalten auf 90° und somit zur Signalfahrtstellung.
Auch die Blockbedienung oblag dem Fahrdienstleiter. Ganz links auf dem Bild sieht man noch die plombierte, mit Zählwerk versehene, Taste 'Blockumgehung'.
Wie man sieht, waren die Bahnhofsgleise nicht isoliert, also nicht mit Gleisfreimeldung ausgerüstet. Daher gab es hier noch eine 'fiktive Gleisbelegung'. Nur war diese nicht mehr mechanisch, sondern elektrisch. Dazu gab es in der Gleistafel die rote und die weisse Lampe. Man sieht, Gleis 6 ist 'belegt'. Bei einer aktiven Belegung konnte man den FSS nicht über die 10°-Sperre stellen und somit keine Einfahrt anfordern. Musste man eine solche Belegung einstellen oder löschen (nach Rangierfahrten), musste man hier eine blinde Ein- oder Ausfahrt (bis 30°) stellen und zurücknehmen.
Die Barrieren sind auch etwas speziell. Zwei der drei wurden im Fahrdienstleiterstellwerk bedient. Man sieht die Schalter dazu in der Gleistafel.
Schalterwerk, Fahrdienstleitung, Kreuzlingen, 22.8.1988
Eine Umwegfahrstrasse scheint es auch noch gegeben zu haben. Dies erkennt man an der Gleiswahltaste Gleis 5/6. Vermutlich ging die vom Gleis 6 über die Weichen 8/7 nach oben und dann nach unten über den Engländer nach Tägerwilen MThB und umgekehrt. Im kurzen Zwischengleis (oberhalb 6a) hat es nämlich zwei Fahrstrassenpfeile, welche den Umweg anzeigten.
Schalterwerk, Fahrdienstleitung, Kreuzlingen, 22.8.1988
Schalterwerk, Fahrdienstleitung, Kreuzlingen, 22.8.1988
Der Aufbau des Wärterstellwerkes ist auch etwas speziell: Links und rechts gibt es je einen Fahrstrassenhebelkasten, die Weichen und Signalhebel waren in der Mitte angeordnet. Das stammte noch von der alten, rein mechanischen Anlage her (siehe den Plan oben).
Auf dem folgenden Foto sieht man den linken Fahrstrassenkasten, dazu die Riegelhebel a4 und b5,6:
Fahrstraßenhebel, Stellwerk, Kreuzlingen, 22.8.1988
Anmerkung H.M.: Die zwei Hebel sind folgendermaßen bezeichnet, wie man am folgenden Detailausschnitt sehen (oder erahnen) kann:
- Riegelhebel a4 - Zungenverriegelung 5, 9
- Riegelhebel b5,6 - Kontrollverriegelung 1a (vermutlich)
Riegelhebel, Stellwerk, Kreuzlingen, 22.8.1988
Auf dem folgenden Foto sieht man die Riegelhebel k2,3 und i4, rechts davon einen Fahrstrassenhebel des rechten Fahrstrassenhebelkastens und links davon den Barrierenschalter der Barriere, welche eben nicht im Fahrdienstleiterstellwerk bedient wurde.
Riegelhebel, Stellwerk, Kreuzlingen, 22.8.1988
Anmerkung H.M.: Hier noch ein Detail der Beschriftungen der zwei Riegelhebel:
- Riegelhebel k2,3 - Zungen-Verriegelung W 28
- Riegelhebel i4 - Zungen-Verriegelung W 24, 27b
Riegelhebel-Detail, Stellwerk, Kreuzlingen, 22.8.1988
Zu den vier Riegelhebeln: Wenn man den alten Plan anschaut, sieht man, dass diese Riegelhebel genau auf den Plätzen der vier Einfahrsignale montiert sind und auch noch die gleichen Buchstaben (nun allerdings in Kleinschrift) haben. Nun, diese Riegelhebel bedienten nichts anderes als die Signaldrahtzüge der früheren Einfahrsignale. Nun fragt man sich vielleicht: Was soll denn das nun wieder? Wie man im zweiten Beitrag zu St.Blaise nachlesen kann, hat man früher im Signaldrahtzug der Einfahrsignale bei geraden Einfahrten (=hohe Geschwindigkeit) die spitzbefahrenen Weichen geriegelt. Das war auch hier der Fall. Nun hat man ja aber hier alle Signalhebel abmontiert und die Lichtsignale werden im Fahrdienstleiterstellwerk bedient. Da man die Riegel aber noch brauchte, hat man die Riegelhebel anstelle der Einfahrsignalhebel montiert, den Signaldrahtzug noch bis zum Riegel stehengelassen und die Hebel in den Fahrstrassenverschluss miteinbezogen.
Besten Dank wie immer an Hanspeter für diese interessanten fachmännischen Erklärungen!
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