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Donnerstag, 6. Oktober 2016

Schweiz 1988: Zug im Bauzustand

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Ergänzung 9.10.2016: Hanspeter Thöni hat auch zu diesen Bildern und Texten wieder Ergänzungen und Korrekturhinweise verfasst, die ich im Folgenden kursiv ergänzt habe.

In Zug wurde damals gerade der Bahnhof umgebaut. Die Sicherungsanlage am Stellwerk II war mit offenbar länger bestehenden Provisorien versehen worden, wie man auf einigen der folgenden Fotos sieht. Zug ist ja ein Keilbahnhof und hatte eine interessante Anordnung der Stellwerke:
  • Im Ankunftsgebäude, direkt an der "Spitze" des Keils, befand sich die Fahrdienstleitung mit einem Befehlswerk in Form eines Integrapultes, von dem außerdem alle Bahnhöfe zwischen Thalwil und Zug ferngesteuert wurden.
  • Etwa beim Zusammentreffen der zwei Strecken stand auf der Ostseite das Stellwerk II mit einem Integra-Schalterwerk.
  • Am Nordende stand bei der Abzweigung der (zwei Jahre später stillgelegten) "Zuger Schleife" das Stellwerk I, ebenfalls mit einem Integra-Schalterwerk.
Als ich in der Fahrdienstleitung vorstellig wurde mit dem Interesse, die Stellwerksanlagen zu fotografieren, wurde mir gleich eine Schutzweste sowie ein Eisenbahner zur Führung über Gleisanlagen und Baustelle mitgegeben – einfach so und ohne viel Aufhebens!

Die folgenden vier Bilder aus der Fahrdienstleitung habe ich eigentlich erst am Ende meines Besuchs geschossen, ich stelle sie aber hier des besseren Überblicks halber voran. Das erste Bild zeigt das ganze Integra-Pult für Fernsteuerung sowie Befehlsabgaben an das Stellwerk II. Man sieht
  • in der obersten Reihe nach der Haltestelle Oberrieden Dorf die Bahnhöfe Horgen Oberdorf und Sihlbrugg (mit der abzweigenden Strecke nach Sihlwald),
  • in der Mitte den Bahnhof Baar mit der zweispurigen Strecke von Litti her
  • sowie unten das schematische Diagramm von Zug für die Befehlsabgabe und die Blockbedienung.
Am Fahrdienst- und Fernsteuerungsstellwerk sieht man auch schön die verschiedenen Stellwerkgenerationen:
  • Horgen Oberdorf und Sihlbrugg: Domino 55 ohne Rangierfahrstrassen.
  • Litti und Baar: Domino-67
  • Zug: Befehlswerk (Schalterwerke)
 Am Arbeitstisch erkennt man das Bedienungspult für den Fahrdienstleiter:

Integra-Pult, Fdl, Zug, 23.8.1988

Das nächsten beiden Bilder zeigen den Bereich des Bahnhofs Zug, mit einer händischen Ergänzung einer Gleisverbindung zwischen den Gleisen D1 und C4:

Integra-Pult, Fdl, Zug, 23.8.1988

Integra-Pult, Fdl, Zug, 23.8.1988

Zuletzt ist am folgenden Bild der Bahnhof Sihlbrugg zu erkennen:

Integra-Pult, Fdl, Zug, 23.8.1988

Das Signalstellwerk von Zug war das Stellwerk II. Hier sieht man den Stellwerksapparat:

Stellwerksapparat, Stw.II, Zug, 23.8.1988

Für vier neue (oder neu elektrifizierte) Weichen hinter der Lokremise waren die hier sichtbaren Weichenschalter installiert worden.
Diese eher nicht eisenbahntypischen neuen Weichenschalter konnten nur gebaut werden, da diese Weichen reine Rangierweichen sind. Diese sind mit der Prinzip-Schaltung 'Rangierweiche' gebaut. Es gibt bei diesen Weichen keine Überwachung. Lediglich das Leuchten der Lampe zeigt, dass die Weiche Endlage hat. Die Weichen können nicht verschlossen werden. Auch Umstellung bei Belegung kann nicht verhindert werden. Bei einer Aufschneidung erfolgt auch kein Alarm, es wird nur der Stellstrom wieder eingeschaltet, und die Weiche versucht wieder in die Endlage zu laufen. Daher gibt es auch oben nur eine Sicherung. Das ist der Stellstrom. Ein Überwachungsstromkreis gibt es nicht.

Weichenschalter W61...W64, Stw.II, Zug, 23.8.1988

Hier sieht man den linken Teil des Bedienfeldes:

Bedienungsfeld, Stw.II, Zug, 23.8.1988

Das folgende Bild zeigt einige Weichenschalter, oder eigentlich Weichentaster.

Die normalen Weichenschalter im Stellwerk sind elektrisch gesehen keine Schalter sondern Taster. Hier war bereits ein Weichenrelaissteuersatz eingebaut, welcher die Weichensteuerung mittels Impulsen zulässt. Auch waren diese Weichentaster nicht mehr mechanisch verriegelt. Die Integra-Schalterwerke hatten zwar generell kein mechanisches Verschlussregister mehr, aber die normalen Dreh-Schalter (siehe z.B. Maroggia-Melano) wurden mittels Magnetschalter und Sperrpendel mechanisch verriegelt, so dass diese in verschlossenem oder belegten Zustand nicht gedreht werden konnten. Die Schwenktaster hier in Zug dagegen konnten immer bedient werden, bei nicht erfüllter Bedingung zur Umstellung bliebt die Bedienung einfach wirkungslos.

Die viel kleineren Weichen-Schwenktaster hatten gegenüber den normalen Weichenschaltern den Vorteil (nebst Platzersparnis), dass der Weichenlauf für Zugfahrstrassen automatisiert werden konnte. Dabei wurden beim Einstellen des Fahrstrassensignalschalter (FSS) nach der Gleiswahl die Weichen selbstständig in die richtige Lage gesteuert. Ob das auch in Zug der Fall war, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis.  

Die Schalter auf dem folgenden Bild sind genau diejenigen, welche auf beiden Stellwerken Bedienungselemente hatten, die Überwachungslampen sind dunkel, da das Stellwerk I aktiv war:

Weichenschalter, Stw.II, Zug, 23.8.1988

Und hier eine Reihe von Bedientasten für
  • Isolierungsumgehungen für Stellwerk I,
  • die Freigabe der W101 (den Schlüssel dazu sieht man weiter unten am Stellwerk I),
  • Gruppen von Anstrahllampen und
  • Gruppen von Weichenbeleuchtungen:

Bedientasten, Stw.II, Zug, 23.8.1988

Der folgende Ausschnitt zeigt:
  • Rangiersignaltasten,
  • Isolierungsumgehungen (was in Österreich "Weichenhilfstasten" genannt wird) und darunter
  • Weichenschalter.
Mit den Tasten der oberen Reihe konnte man die Vorrücksignale (Rangiersignale) auf Fahrt stellen (Tasten mit Beschriftung R…, die man weiter unten sieht, sind hingegen für Räumungssignale). Die Vorrücksignale geben, im Gegensatz zum Räumungssignal, dem Rangierleiter die Erlaubnis zur Fahrt.

    Bedientasten, Stw.II, Zug, 23.8.1988

    Hier sieht man den rechten Teil des Bedienfeldes mit den Schaltern für die Zugfahrstraßen.

    Die Fahrstrassenschalter sind übrigens Fahrstrassensignalschalter, da diese beide Funktionen innehaben (45° Fahrstrassenfestlegung, 90° Signalfreistellung). Auch hier gibt es etliche Besonderheiten. An den FSS sieht man die Grossbuchstaben der Signale (bzw. Staffeln) B, A, D, C, F, G, H, J sowie der Zwischensignale U, T. Im Gleisplan sieht man jedoch auch noch eine Signalstaffel E (Gleissignale vom Perron nach links, Baar oder Steinhausen). Einen Grossbuchstaben E findet man jedoch nicht auf den FSS. Bei der Einfahrt von links stellte man zuerst eine Fahrstrasse vom Einfahrsignal A, A(f) oder D zu den Zwischensignalen T oder U. Man sieht auf dem Gleisplan bei der Strecke von Steinhausen, dass am Einfahrsignal ein Vorsignal TU* vorhanden war. Somit waren die Zwischensignale T und U vorsignalisiert. Von den  Zwischensignalen T und U wurde dann mit dem jeweiligen FSS eine zweite Fahrstrasse in die Bahnhofsgleise B1-2 oder A1-4 gestellt.

    In der umgekehrten Fahrrichtung war das jedoch nicht möglich. Die  Distanz zwischen den Gleissignalen E.. und den Ausfahrsignalen BD… war zu kurz. Die Signale E hatten daher auch keine Vorsignale.  Daher gab es keine Möglichkeit, vom Signal E nur bis zu den Signalen BD zu fahren. Für eine Ausfahrt musste nun zuerst eine Teilfahrstrasse gestellt werden. Die Schalter mit den Zwischensignalen T und U haben, wenn man diese nach links dreht, genau diese Funktion. Man sieht dort die Beschriftung eD1 und eD2. Das ist die Teilfahrstrasse vom Signal E… nach dem Gleis D1 oder D2 und damit zu den Ausfahrsignalen BD.. Mit der Drehung auf 45° wurde die Fahrstrasse verschlossen und festgelegt. Das Signal E… bliebt jedoch auf Halt. Nun muss man das Ausfahrsignal BD (Schalter B nach Baar oder D nach Steinhausen) einstellen. Sobald das Ausfahrsignal BD Fahrt zeigt, wechselt auch das Signal E… auf Fahrt. Mit dem heutigen Domino-67 Stellwerk kann man vom Gleissignal zum Ausfahrsignal fahren. Dazu wurde an den Signalen E... der Fahrbegriff 6 (gelb über gelb am Hauptsignal) = Kurze Fahrt eingerichtet.


    Das folgende Bild zeigt auch Auswirkungen des Umbaus. Die Felder im dunkleren Grau enthielten normalerweise immer die Blockbedienungstasten. Unten (Steinhausen und Cham) passt das noch. Oben, für Baar und Oberwil, passt es hinten und vorne nicht mehr: Da wurden Tasten für Barrieren und anderes einfach ohne Farbanpassung in die bestehenden Felder reingebaut. Auch bei den Fahrstrassensignalschaltern nach Baar hat man es nicht für nötig gehalten, neue Bezeichnungen zu machen. Es steht dort immer noch af und bf in Rot, obwohl es keine 'falschen' Fahrten mehr gibt im Wechselbetrieb.

    Schalterwerk, Stw.II, Zug, 23.8.1988

    Darüber befanden sich diese Bedienungstasten für eine Barriere.

    Die Barrierensteuerung ist von neuerer Generation. Man sieht es schon an den Tasten, die Bezeichnungsschilder sind ziemlich neu. Bei Zugfahrten brauchte die Barriere nicht bedient zu werden. Das Einstellen des Fahrstrassensignalschalters steuerte die Barriere an. Die Fahrtstellung des jeweiligen Signals wurde solange verhindert, bis die Barriere den ordnungsgemässen geschlossenen Zustand meldet. Nach der Fahrt wurde die Barriere selbstständig wieder geöffnet. Für Rangierfahrten musste man die Barriere über die Taste 'Barriere ... schliessen/verschliessen' einschalten. Die Barriere öffnet in diesem Zustand jedoch nicht selbsttätig. Mit der Taste 'Barriere ... öffnen/Verschluss aufl.' kann man diese wieder öffnen. Man kann aber auch die Taste 'aut.öffnen erlauben' drücken, dann öffnet die Barriere nach dem nächsten Befahren wieder selbsttätig. Diese drei Tasten gab es auch im Stw I, die Barriere musste auch in beiden Stw bedient werden können:

    Stw.II, Zug, 23.8.1988

    Die Taste ganz links am folgenden Bild zeigt, dass Stellwerk I "ausgeschaltet" werden kann – sie ist beschriftet mit "Freigabe rückmelden nach Steinhausen wenn Stw.I ausgesch.".

    Was mich hier erstaunt hat, ist die Taste 'Betriebs-Auflösung g3'. Die Auflösung der Fahrstrassenfestlegung war in diesen Jahren schon längst automatisiert worden. Der Grund für eine zusätzliche manuelle Auflösung findet man, wenn man die Gleistafel genau anschaut. Es geht ja um die Fahrstrasse g3, also Einfahrt von Cham nach Gleis 3. Auf dem Gleisplan findet man im Gleis A3 in der Perron-Mitte eine Weiche, welche in dieser Fahrstrasse spitz befahren wurde.  Gemäss den Projektierungsgrundsätzen durfte die Festlegeauflösung jedoch erst geschehen, wenn die letzte spitzbefahrene Weiche im Fahrweg belegt wurde. Was nun, wenn der Zug kurz ist und die Weiche gar nicht befährt? Dann hat man die Verantwortung an den Stellwerksbediener übertragen. Damit er sich aber bewusst wird, dass er kontrollieren muss dass der Zug angehalten hat, gibt es für die Auflösung dieser Fahrstrasse eine Taste, welche bewusst bedient werden muss, wenn die Weiche nicht befahren wurde:

    Stw.II, Zug, 23.8.1988

    Hier ist die Blockbedienung für die Zuger Schleife. Die Strecke ist gesperrt und die Fahrleitung geerdet, wie man an den Hilfssperren über den unteren Tasten sieht:

    Stw.II, Zug, 23.8.1988

    Dieses Bild zeigt die Fahrstraßenschalter für Ein- und Ausfahrten auf den Strecken nach Baar (Thalwil) und Steinhausen (Zuger Schleife). Auch hier ist wegen der Streckensperrung über dem Schalter Richtung Steinhausen eine Hilfssperre angebracht:

    Stw.II, Zug, 23.8.1988

    Hier sieht man die weiteren Fahrstraßenschalter, auch für die Zwischensignale T und U sowie dazwischen den Schlüssel für ein ortsbedientes Zungenpaar einer doppelten Kreuzungsweiche:

    Stw.II, Zug, 23.8.1988

    Hier noch einmal das Schalterwerk als ganzes:

    Stw.II, Zug, 23.8.1988

    Der Gleisplan war für die Bauanlage auf Papier gezeichnet und auf eine Pressspanplatte geklebt worden:

    Stw.II, Zug, 23.8.1988

    Stw.II, Zug, 23.8.1988

    Rechts außen am Gleisplan ist akribisch vermerkt: "Gleistafel für spez. Befestigung an der Wand" und, nicht ganz normgerecht, "500 x 2100 m/m":

    Stw.II, Zug, 23.8.1988

    Hier sieht man die linke Hälfte dieser Tafel:

    Stw.II, Zug, 23.8.1988

    Der folgende Ausschnitt zeigt, wie genau die Symbole aufs Papier gezeichnet wurden. Nur mit dem großen C der Gleisgruppe rechts unten hapert es ein wenig – da treffen sich oben die zwei Striche nicht so, wie sie sollten:

    Stw.II, Zug, 23.8.1988

    Beim Ausschneiden des Ausschnitts für diese drei Messgeräte war der Mann an der Stichsäge etwas lässiger unterwegs als der Zeichner – die drei Messinstrumente sind (von links nach rechts) für Stellstrom (Ampere), Überwachungsspannung (36V) und Gleisisolierung (12V):

    Stw.II, Zug, 23.8.1988

    Und unterhalb des Gleisplans ist auf einer Tafel genau die Dauer der Sperre der Zuger Schleife vermerkt – vier Tage nach meinem Besuch würde sie wieder befahrbar sein:

    Stw.II, Zug, 23.8.1988

    Die Blockausrüstung der Strecken war ziemlich unterschiedlich. Steinhausen und Cham hatten noch keine Gleisfreimeldung und daher Handrückmeldung. Baar war isoliert (sieht man knapp an den Leuchtfenstern im Zusatz-Domino-Panel). Richtung Oberwil war ein Achszähler drin, sieht man an den vielen Leuchtfenstern auf dem folgenden Domino-Zusatzpanel mit einer Binäranzeige des Zählregisters. Die Anzeigelampen sind dabei: 0 (frei), 1, 2, 4, 8, 16, 32, 64, 128. Es dürfen somit maximal 255 Achsen verkehren. Und man musste also noch rechnen, wenn man wissen wollte, wie viele Achsen in den Blockabschnitt eingezählt sind.

    Stw.II, Zug, 23.8.1988

    Das Stellwerk I war ein Rangierstellwerk. Allerdings konnte es einige Weichen in den Hauptgleisen stellen. Wie Verschluss und Festlegung dieser Weichen bei Zugfahrten erfolgten, weiß ich nicht. Ich könnte mir denken, dass mit den Tasten im Gleisbild, die man auf einigen der folgenden Fotos sieht, eine "Zustimmung" an das Stellwerk II abgegeben werden konnte, die von dort nach Auflösung der Fahrstraße wieder zurückgegeben wurde.
    Ich bin mit deiner Vermutung einverstanden, dass die Tasten im Gleisbild am Stellwerk I dazu dienten, die Zustimmungen abzugeben. Eventuell wurde damit auch gleichzeitig der Weichenlauf angesteuert (siehe oben).

    Hier sieht man den Stellwerksapparat:

    Stw.I, Zug, 23.8.1988

    Auf dem unteren Teil war (eventuell später) ein Aufsatz für weitere Weichenschalter und Bedientasten aufgesetzt worden.

    Rechts sieht man den Schlüssel der Weiche 101, der vom Stellwerk II freigegeben werden konnte.
    Wie man auf dem Gleisplan im Stellwerk I sieht, war die Weiche 101 eine Anschlussweiche auf dem Streckengleis nach Steinhausen. Der Schlüssel war im Stellwerk I, da dort die Strecke abzweigt und der Rangierleiter bei einer Bedienfahrt somit nicht extra zum Stellwerk II musste. Da aber die Blockbedienung im Stellwerk II war, lag es in der Verantwortung dieses Stellwerkes den Schlüssel freizugeben. Nebst Streckensperre (telefonisch mit Steinhausen) war es auch vorgeschrieben, die Fahrrichtung (Erlaubnis) zu besitzen und festzuhalten.

    Daneben erkannt man einen weiteren Schalter – m.E. ist dient er zum Ausschalten des Stellwerks, wodurch manche Weichen vom Stellwerk II aus bedienbar werden:

    Stw.I, Zug, 23.8.1988

    Hier sieht man eine Reihe von Weichenschaltern von Weichen, die auch vom Stellwerk II aus bedient werden konnten, wie man auf einem Bild weiter oben sieht:

    Stw.I, Zug, 23.8.1988

    Beim Block hast du die Zustimmungstaste 'Freigabe rückmelden nach Steinhausen wenn Stw.I ausgesch.' erwähnt. Daraufhin bin ich auf den Fotos auf die Suche nach der entsprechenden Taste im Stw I gegangen. Auf dem vorherigen Foto, und hier noch einmal vergrößert, ist diese Taste in der Mitte oberhalb der Weichenschalter zu erkennen. Die Blockbedienung war ja im Stw II. Das Stw I stand jedoch genau am Streckenende. Deshalb musste der Wärter I, nach Kontrolle des Zugschlusses, dem Wärter II die Zustimmung zum Rückmelden geben. Bei ausgeschaltetem Stellwerk I konnte der Wärter II sich die Zustimmung mit der oben erwähnten Taste selber geben. Ob er allerdings den Zugschluss immer sehen konnte oder ob er auch ab und zu rausrennen musste, weiss ich nicht...

    Stw.I, Zug, 23.8.1988

    Das folgende Bild zeigt den rechten Teil der Gleistafel.

    Dass der Block nach Baar früher Richtungsbetrieb hatte, sieht man auch schön. Hier sieht man auf der rechten Seite der Gleistafel das einzelne Einfahrsignal (nicht mehr aktiv) sowie die vier zugedeckten Pfeile des ehemaligen Blockes. Die Anzeigen für Block und Einfahrsignale wurden dann einfachheitshalber als Domino-Panel angebaut:

    Stw.I, Zug, 23.8.1988

    Für die zwei Räumungssignale R1 und R2 gab es diese vier Bedientasten. Das sind die gleichen Signale wie das Räumungssignal R1 in Kreuzlingen, nur dieses Mal nicht mechanisch, sondern in der Lichtsignalausführung. :

    Stw.I, Zug, 23.8.1988

    Hier sieht man noch einmal die Gleistafel und die obere Reihe von Weichenschaltern und Tasten:

    Stw.I, Zug, 23.8.1988

    Am rechten Rand ist mit einigen Magneten ein Schreiben angebracht:

    Stw.I, Zug, 23.8.1988

    Hier ist der Text, so wie ich ihn lese – Abschnitte in eckigen Klammern habe ich sinngemäß ergänzt (und an einer Stelle nach einem sehr sinnvollen Vorschlag von Hanspeter korrigiert):

    [?] Umlegen bei Belegung der Isolier[ung der Weiche 7]

    Bei [belegter] Isolierung der Weiche 7 kann die [Weiche 8] nicht umgelegt
    werden, egal ob diese auf + oder – steht.

    Unsere Anfrage betreffend Aufhebung dieser Sperre wurde vom techn.
    Dienst geprüft und aus Sicherheits[gründe]n abgelehnt.

    Eine Aufhebung der Sperre nur bei [- Stel]lung ist nicht möglich. Bei
    + Stellung bietet diese Sperre Schutz gegen ein Umstellen der Weiche 8
    in Richtung belegter Weiche 7 (inkl. Profil).

    Des[halb i]st folgendes zu beachten:
    " B[ei Ran]gierfahrten in das Gleis C2 ist darauf zu achten, da[ss die]
      Weiche 8 in gerader Stellung ist. Insbesondere beim Abstelle[n von]
      Kompositionen im Gleis C2 ist dies von Bedeutung, damit aus Gleis C1
      über Gleis 13 W12-11 usw gleichwohl rangiert werden kann."

    Die entsprechende Gleissituation sieht man auf diesem Ausschnitt aus dem Gleisplan am Stellwerk II:

    Stw.II, Zug, 23.8.1988

    Das Stellwerk I habe ich auch von außen aufgenommen – im Hintergrund kurvt die Zuger Schleife Richtung Steinhausen hinter das Stellwerk:

    Stellwerk I, Zug, 23.8.1988

    Und für ein Bild dieser zwei Weichensignale habe ich auch noch Zeit gefunden:

    Weichen 42 und 52, Zug, 23.8.1988

    Die folgenden Signale dürften auch aus Zug sein – sie habe ich allerdings zwei Tage zuvor aufgenommen:

    Bedienung für Bremsprobe-und Abfahrtssignale, Zug, 21.8.1988

    Und das war's von dieser nicht alltäglichen Anlage.

    Mittwoch, 5. Oktober 2016

    Schweiz 1988: Noch einmal Kreuzlingen, diesmal erklärt von Hanspeter Thöni

    English version of this posting

    Auf meine kurzen Texte zu den Fotos aus Kreuzlingen hat Hanspeter Thöni eine lange erklärende EMail geschrieben, die ich in diesem Posting mit den entsprechenden Bildern wiedergebe.

    Zuerst einmal hat mir Hanspeter einen Scan des sicherungstechnischen Plans der vorher in Kreuzlingen stehenden, rein mechanischen Anlage gesendet. Ich habe daraus das folgende Bild der früheren Hebelbank am Stellwerk zusammengesetzt, das beim Verständnis einiger folgenden Punkte hilft (Klick öffnet ein größeres, lesbares Bild):

    Plan der früheren mechanischen Stellwerksanlage (Hanspeter Thöni)

    Den ganzen Scan kann man hier als PDF herunterladen.

    Aber nun folgt der Text von Hanspeter Thöni:

    Die Anlage ist im Zustand 1988 doch eher speziell.

    Das Schalterwerk in der Fahrdienstleitung war kein reines Befehlswerk. Der Fahrdienstleiter stellte die Signale selber. Es gibt pro Strecke einen Fahrstrassensignalschalter (FSS). Ich vermute, dass der Fahrdienstleiter den FSS auf 30° stellen konnte. Damit erfolgte die Anforderung der Fahrstrasse im Wärterstellwerk. Sobald der Wärter die Fahrstrasse verschlossen hatte, wurde der FSS frei zum Weiterschalten auf 90° und somit zur Signalfahrtstellung.

    Auch die Blockbedienung oblag dem Fahrdienstleiter. Ganz links auf dem Bild sieht man noch die plombierte, mit Zählwerk versehene, Taste 'Blockumgehung'.

    Wie man sieht, waren die Bahnhofsgleise nicht isoliert, also nicht mit Gleisfreimeldung ausgerüstet. Daher gab es hier noch eine 'fiktive Gleisbelegung'. Nur war diese nicht mehr mechanisch, sondern elektrisch. Dazu gab es in der Gleistafel die rote und die weisse Lampe. Man sieht, Gleis 6 ist 'belegt'. Bei einer aktiven Belegung konnte man den FSS nicht über die 10°-Sperre stellen und somit keine Einfahrt anfordern. Musste man eine solche Belegung einstellen oder löschen (nach Rangierfahrten), musste man hier eine blinde Ein- oder Ausfahrt (bis 30°) stellen und zurücknehmen.

    Die Barrieren sind auch etwas speziell. Zwei der drei wurden im Fahrdienstleiterstellwerk bedient. Man sieht die Schalter dazu in der Gleistafel.


    Schalterwerk, Fahrdienstleitung, Kreuzlingen, 22.8.1988

    Eine Umwegfahrstrasse scheint es auch noch gegeben zu haben. Dies erkennt man an der Gleiswahltaste Gleis 5/6. Vermutlich ging die vom Gleis 6 über die Weichen 8/7 nach oben und dann nach unten über den Engländer nach Tägerwilen MThB und umgekehrt. Im kurzen Zwischengleis (oberhalb 6a) hat es nämlich zwei Fahrstrassenpfeile, welche den Umweg anzeigten.


    Schalterwerk, Fahrdienstleitung, Kreuzlingen, 22.8.1988

    Schalterwerk, Fahrdienstleitung, Kreuzlingen, 22.8.1988

    Der Aufbau des Wärterstellwerkes ist auch etwas speziell: Links und rechts gibt es je einen Fahrstrassenhebelkasten, die Weichen und Signalhebel waren in der Mitte angeordnet. Das stammte noch von der alten, rein mechanischen Anlage her (siehe den Plan oben).

    Auf dem folgenden Foto sieht man den linken Fahrstrassenkasten, dazu die Riegelhebel a4 und b5,6:


    Fahrstraßenhebel, Stellwerk, Kreuzlingen, 22.8.1988

    Anmerkung H.M.: Die zwei Hebel sind folgendermaßen bezeichnet, wie man am folgenden Detailausschnitt sehen (oder erahnen) kann:
    • Riegelhebel a4 - Zungenverriegelung 5, 9
    • Riegelhebel b5,6 - Kontrollverriegelung 1a (vermutlich)

    Riegelhebel, Stellwerk, Kreuzlingen, 22.8.1988

    Auf dem folgenden Foto sieht man die Riegelhebel k2,3 und i4, rechts davon einen Fahrstrassenhebel des rechten Fahrstrassenhebelkastens und links davon den Barrierenschalter der Barriere, welche eben nicht im Fahrdienstleiterstellwerk bedient wurde.

    Riegelhebel, Stellwerk, Kreuzlingen, 22.8.1988

    Anmerkung H.M.: Hier noch ein Detail der Beschriftungen der zwei Riegelhebel:
    • Riegelhebel k2,3 - Zungen-Verriegelung W 28
    • Riegelhebel i4 - Zungen-Verriegelung W 24, 27b

    Riegelhebel-Detail, Stellwerk, Kreuzlingen, 22.8.1988

    Zu den vier Riegelhebeln: Wenn man den alten Plan anschaut, sieht man, dass diese Riegelhebel genau auf den Plätzen der vier Einfahrsignale montiert sind und auch noch die gleichen Buchstaben (nun allerdings in Kleinschrift) haben. Nun, diese Riegelhebel bedienten nichts anderes als die Signaldrahtzüge der früheren Einfahrsignale. Nun fragt man sich vielleicht: Was soll denn das nun wieder? Wie man im zweiten Beitrag zu St.Blaise nachlesen kann, hat man früher im Signaldrahtzug der Einfahrsignale bei geraden Einfahrten (=hohe Geschwindigkeit) die spitzbefahrenen Weichen geriegelt. Das war auch hier der Fall. Nun hat man ja aber hier alle Signalhebel abmontiert und die Lichtsignale werden im Fahrdienstleiterstellwerk bedient. Da man die Riegel aber noch brauchte, hat man die Riegelhebel anstelle der Einfahrsignalhebel montiert, den Signaldrahtzug noch bis zum Riegel stehengelassen und die Hebel in den Fahrstrassenverschluss miteinbezogen. 

    Besten Dank wie immer an Hanspeter für diese interessanten fachmännischen Erklärungen!