In Lucca steht als einziger mittelalterlicher Turm der Torre delle Ore:
Torre delle Ore, Lucca, August 2012
Zum Betrachten steht dort das alte Uhrwerk. Ich war leider nicht oben, sondern nur meine Kinder + Frau, daher kann ich es nur vom folgenden Foto beschreiben. Interessant ist, dass dieses Werk aus dem Jahr 1754 ein Rechenschlagwerk enthält – damals waren in Turmuhren praktisch nur Schlossscheibenschlagwerke im Einsatz.
Das Werk ist ungeschmiert, und sowohl auf unserem Bild wie auf jenen, die ich im Internet gefunden habe, hängt das Pendel immer senkrecht (Ausnahme: Aufnahme in der italienischen Wikipedia); außerdem ist der Rechen "eingefallen", d.h. das Werk müsste eigentlich zu schlagen beginnen. Wegen all dieser Punkte ist es sicher nicht mehr in Betrieb.
Einige Details des Uhrwerks sind in der italienischen Wikipedia erklärt, unter anderem, dass "römische Stunden" mit ein bis sechs Schlägen geschlagen werden. Das erklärt auch den kurzen Rechen, der nur für ein bis sechs Schläge ausreichen muss. Auf der Aufnahme in der Wikipedia (wo das Werk noch läuft, weil das Pendel ausschlägt) ist erkennbar, dass die Stundenstaffel deswegen aus zwei halben Schnecken besteht.
Torre delle Ore, Lucca, August 2012
Angetrieben wurde das Werk, wie bei Turmuhren bis heute üblich, mit Steingewichten:
Torre delle Ore, Lucca, August 2012
Die Fallhöhe der Gewichte war ziemlich groß – und ihr Gewicht auch, deshalb sah man wohl diesen Fangkorb vor:
Torre delle Ore, Lucca, August 2012
In Cardoso läuft im Glockenturm bis heute ein relativ modernes mechanisches Uhrwerk. Ein altes Werk mit Spindelhemmung – vermutlich das vorher verwendete Werk – ist an der Wand aufgehängt, hier habe ich's mit Blitz von schräg oben fotografiert. Dieses Werk hatte ein Schlossscheibenschlagwerk, man sieht die Schlosscheibe auf der Rückseite des Werks:
Das "neue" Werk dient nur dazu, Stundenschläge auszuführen, es gibt kein außen sichtbares Zifferblatt. Als wir den Glockenturm besucht haben, war leider kein Licht eingeschaltet, deshalb habe ich nur Blitzaufnahmen gemacht und im Finstern auf die Einzelteile gezielt. Hier ist das ganze Werk zu sehen:
Der Schlag dieses Uhrwerks ist übrigens so:
- Stundenschlag fünf Minuten vor der vollen Stunde;
- Stundenschlag zur vollen Stunde;
- ein weiterer, einzelner Schlag zur halben Stunde.
Turmuhrwerk Cardoso, August 2012
Das folgende ist der Antrieb des Schlagwerks. Rechts ist die Antriebswelle, in der Mitte das Rad mit den "Hebnägeln". Unten quer liegt, mit einer Kröpfung um die Aufzugswelle, der Hammerhebehebel, an dem rechts (außerhalb des Bildes) irgendwo ein Drahtzug zum Hammer im Stockwerk darüber befestigt ist. Das Firmenschild ist von den Fratelli Terrile aus Genova-Recco; die Firma gibt's anscheinend noch immer:
Turmuhrwerk Cardoso, August 2012
Hier sieht man den Antrieb des Schlagwerkes von oben. Die Eingriffe von der Antriebswelle bis zum Windfang lassen sich hier einfach verfolgen:
Turmuhrwerk Cardoso, August 2012
Auf der Rückseite ist die Pendelaufhängung (oben die Pendelfeder, unten die Gabel) und links daneben der Windfang für das Schlagwerk (mit einem Freilauf):
Turmuhrwerk Cardoso, August 2012
Hier sieht man die Stiftenhemmung – wegen ihrer Robustheit, einfachen Bauweise und Genauigkeit (sie ist eine ruhende Hemmung) die meistverwendete Hemmung "moderner" (mechanischer) Turmuhrwerke:
Turmuhrwerk Cardoso, August 2012
Der mittlere Teil der Schlagwerksmechanik:
Turmuhrwerk Cardoso, August 2012
Dieser Winkelhebel ist wohl für den Drahtzug für den Halbstundenschlag:
Turmuhrwerk Cardoso, August 2012
Und zum Schluss noch einmal das ganze Werk:
Turmuhrwerk Cardoso, August 2012
Tolle Werke! Sehr schöne und aufschlussreiche Bilder von alter Uhrmacherkunst.
AntwortenLöschenÜbrigens: Der Schlag 5 Minuten vor Voll wird durch einen vorgesetzten Nocken auf dem Auslöser (hinter den Ziffernblatt, daher nicht sichtbar) erreicht. Super Lösung für alle, die pünktlich zur Andacht müssen.