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Freitag, 7. Dezember 2018

Ehemaliger Blockposten in Wien Süd: Stellwerk 12, 1989

Zwischen der Zugförderung und den Abstellanlagen befand sich in Wien Süd das Stellwerk 12. Hier sieht man die Gleistafel:

Gleisplan mit alter Signalanzeige, Stw.12, Wien Süd, 21.12.1989

Auf dieser Tafel kann man eine ganze Menge erkennen (unten noch eine Vergrößerung der Tafel aus diesem Bild):
  • Zuerst einmal sieht man hier links die alten Bezeichnungen "Heizhaus" und "E-Lok Halle".
  • Interessant muss der Betrieb gewesen sein: Sowohl die Bahnsteiggleise wie die Abstellgleise sind Stumpfgleise. Um eine Garnitur etwa aus einem Bahnsteiggleis in ein Abstellgleis zu stellen, muss man (wenn man nicht Maschinen "einsperren" will) eine Lok ans andere Ende bringen. Mehrere Verfahren sind denkbar: (a) Eine Verschublok, die irgendwo die Garnitur umfährt; (b) zwei Verschubloks, wo die eine der anderen die Garnitur "übergibt"; (c) die Zuglok schiebt die Garnitur bis ins Abstellgleis – wobei das in der Gegenrichtung nicht funktioniert; dann könnte man aber wie in (b) vorgehen, aber als die "übernehmende" Lok die Zuglok verwenden, die die Garnitur dann ins Bahnsteiggleis drückt. Vermutlich wurden alle Varianten verwendet, es wäre aber interessant zu wissen, was der Regelbetrieb war.
  • Dann sieht man, dass das Stellwerk 12 hier als "Block Wien-Südbf. 1" bezeichnet ist, und auf der Gleistafel sind dazu zwei Blocksignale A1 und Z1 mit zugehörigen isolierten Schienen aufgezeichnet. Dabei ist am Signal A1 auch das Vorsignal a2 des folgenden Blocksignals angebracht; und zusätzlich ist dort auch die Beschriftung für das Verschubsignal V43c angeführt – ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass dieses Verschubsignal am selben Mast wie das Blocksignal angebracht war: Es bezog sich ja nicht auf das Streckengleis 1, sondern auf das Nebengleis 43 direkt daneben.
  • Allerdings sind die Signalsymbole alle dunkel und nur mehr Überbleibsel eines früheren Zustandes; zu dieser vergangenen Gleisanlage gehören auch die schwach erkennbaren Lampen zu weiteren Signalsymbolen in der weißen Fläche unterhalb der Gleise. Die Frage ist: Wie sahen die Gleisanlagen früher aus, und wie sahen sie zum Zeitpunkt meiner Aufnahmen, also Ende 1989, aus?

Gleisplan mit alter Signalanzeige, Stw.12, Wien Süd, 21.12.1989

Zum Zustand im Jahr 1989 werfen wir einen Blick auf die ganze Sicherungsanlage: Eine Hebelbank der Bauart 5007 ausschließlich mit Weichenhebeln, dazu 3 Knebel und als Aufsatz ein kleines Gleisbild-Stellpult mit Siemens-Feldern:

Hebelbank, Stw.12, Wien Süd, 21.12.1989

Das kleine Stellpult schauen wir uns am folgenden Bild im Detail an. Man sieht darauf, dass hier ein Nebengleis von der Weiche 110 aus die beiden Streckengleise der Südbahn kreuzt und zu einer DKW im Bahnhof Wien Matzleinsdorf führt. Die Details dieser Querung sind weiter unten dargestellt, hier einige weitere Einzelheiten:
  • In der linken oberen Ecke tummelt sich eine Menge von Verschubsignalen. VH und V898N haben jeweils eine Taste in einem Gleissymbol, alle anderen müssen mit einer Anzeige ohne Taste und Gleis auskommen. Die zwei ersten Signale werden mit den rechts sichtbaren SGT und HaGT (Signalgruppentaste und Haltgruppentaste) gestellt, für die anderen sind ziemlich sicher die Knebel am Schieberkasten der Hebelbank zuständig.
  • Rechts oben findet sich eine einfache Tag/Nacht-Umschaltung der Signallampen.
  • Über die Tasten links unten kann ich nur spekulieren: Ein Teil von ihnen dient sicher der Rückgabe der Nahbedienungsfreigabe vom Zentralstellwerk, die wir gleich sehen werden – FrRGT=Freigabe-Rückgabe-Gruppentaste? SiRT=Signal-Rückgabe-Taste?? RT=Rückgabetaste?? Und was ist eine TWUT? – WUT ist üblicherweise eine Weckerunterbrechungstaste – aber was ist das T vor dem Wecker?
  • Entlang des durchgezogenen Gleises sieht man die zwei Verschubsignale V898S und V899 sowie die Weiche 110 – alle drei dunkelgeschaltet. Die Bedienung dieses Elemente schauen wir uns gleich an.

Anzeige- und Stellpult für Verschubsignale, Stw.12, Wien Süd, 21.12.1989

Schauen wir uns nun aber die Querung der Südbahngleise genauer an. Offensichtlich muss diese Querung durch Signale gedeckt sein – welches Stellwerk ist dafür verantwortlich? Tatsächlich kann man dieselbe Situation auf dem vorletzten Bild aus dem Posting von Wien Matzleinsdorf zu sehen – ich zeige es hier noch einmal:

Rechter Teil der Panoramatafel, ZStw Wien Matzleinsdorf, 20.12.1989

In der Mitte sieht man die Querung, die von den Einfahrsignalen A und B (das erste steht hier auf frei) einerseits und den Ausfahrsignalen H1 und H2 andererseits gedeckt wird (die letzteren sieht man auf zwei Bildern im Posting von Matzleinsdorf). Details kann man auf dem folgenden Ausschnitt aus dem folgenden Bild erkennen:
  • Die Weiche 110 wird vom ZStw Matzleinsdorf aus gestellt und verschlossen, so wie natürlich auch die gegenüberliegende DKW 111/112.
  • Die Verschubsignale V898S und V899 werden ebenfalls vom Zentralstellwerk gestellt.
  • Allerdings gibt es unterhalb der Weiche 110 eine "NbET", also wohl eine Nahbedienungseinschalttaste; und über sie sollte es möglich sein, die Bedienung dieser beiden Verschubsignale vor und hinter der Weiche 110 an das Stellwerk 12 zu übergeben. Und offenbar werden dort die Symbole nur ausgeleuchtet, wenn sie bedienbar sind – andernfalls sind sie dunkel.

Ausschnitt aus der Panoramatafel mit Querung der Südbahngleise zum Stellwerk 12, ZStw Wien Matzleinsdorf, 20.12.1989

Wie aber hat diese Querung früher funktioniert? Wenn man den Übersichtsplan von 1945 unter sporenplan.nl anschaut, sieht man, dass das Gleis früher von der Weiche 729 an der doppelten Gleisverbindung direkt vor dem Stellwerk ausging (in der Weichennummerierung gibt es auch eine Lücke zwischen 729 und 731, daher wird die nun fehlende Hälfte der damaligen DKW wohl die Nummer 730 getragen haben). Die zwei Kreuzungen auf den Südbahngleisen lagen also direkt zwischen den beiden Blocksignalen A1 und Z1, die damit auch als Deckungssignale dienten. Allerdings kann die Deckung nicht nur durch den Blockposten erfolgt sein: Denn das kreuzende Gleis querte außerdem noch die – damals zweigleisige – Strecke zum Steudeltunnel und weiter zum Frachtenbahnhof auf der Ostseite. Die Weichen für die Querung mussten also auch mit den Ein- und Ausfahrsignalen dieser anderen Strecke in Abhängigkeit stehen, die aber von Matzleinsdorf aus gestellt wurden. Es muss damals also wohl eine Blockabhängigkeit zwischen dem Stellwerk 12 und dem Matzleinsdorfer Befehlswerk gegeben haben.

Die Weiche 110 hatte es damals – mit anderer Nummer, was man an der Überklebung auf der Gleistafel erkennen kann – offenbar auch schon gegeben, sie war aber Teil einer Verbindung vom Gleis 710 (dem nördlichsten Abstellgleis) zum Streckengleis 1. Wieso hier betrieblich eine Verbindung der Heizhausanlage mit einem Streckengleis sinnvoll war, kann ich mir nicht wirklich erklären – eine signalmäßige Ausfahrt war jedenfalls sicher nicht möglich, und eine Einfahrt von der im Linksbetrieb betriebenen Südbahn schon gleich gar nicht. Die entsprechende Weiche im Hauptgleis 1 war jedenfalls auch durch das Blocksignal A1 gedeckt.

Alex Binder hat mir dazu geschrieben:
Der Grund für die besondere Gleisquerung in diesem Bereich war – schon damals – die Notwendigkeit von verschubmäßigen Lok-Fahrten zwischen Heizhaus Wien Süd und Matzleinsdorf Fbf. Die von dir vermuteten Abhängigkeiten bestanden sicherlich mit dem Stw. Abzw Kliebergasse, der späteren Gleiskreuzung Nord, die damals mit Fdl besetzt war.
Besten Dank für diese Auskunft!

Außen am Stellwerk stand dieser Weichenantrieb aufgestellt – so sauber, wie er sich hier präsentiert, ist er wohl gerade von der Aufarbeitung gekommen und war als Ersatz für einen anderen, vielleicht nach langer Zeit ausgeschlagenen vorgesehen:

Weichenantrieb, Wien Süd, 21.12.1989

Und zuletzt sieht man hier noch ein Bild des – allerdings teilweise verdeckten – Stellwerksgebäudes:

Stellwerk 12, Wien Süd, 21.12.1989

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