Vor ein paar Wochen gab es hier ein Posting zu St.Margrethen im Jahr 1991, das mich etwas ratlos zurückgelassen hat.
Stefan Niklaus hat auf seiner Webseite www.gleisplaene-schweiz.ch ja auch den Gleisplan von St. Margrethen gepostet; und mir nun dankenswerterweise eine großartige Reihe von Kommentaren und Überlegungen zu dieser alten Anlage geschickt, die ich hier 1:1 (nur ein wenig umformatiert) wiedergebe. Besten Dank!
Wenn ich mir die Beschreibung so durchlese, dann meine ich hier noch die Betriebsführung aus "ganz alten Zeiten" im 19. Jahrhundert zu erkennen: Viele besetzte Posten, die alle Weichen per Hand stellen; ein detailliertes Kommunikationssystem, das über diverse Anzeigen (die z.B. vom Fahrstraßen-Wähler gesteuert werden), über Wecker und teils "schon" Telephone, aber ganz ohne Blockfelder Befehle an die Posten und Rückmeldungen an den Vorstand geben. Technische Abhängigkeiten gibt dagegen es kaum – ein Blick zurück in den personalintensiven und vorrangig auf Vorschriften basierenden Eisenbahnbetrieb von vor (mehr als) 100 Jahren!
Beim Lesen des Textes ist es hilfreich, den Gleisplan von www.gleisplaene-schweiz.ch vorliegen zu haben. Ich habe aber einzelne Ausschnitte aus dem Gleisplan zur Orientierung auch im Text untergebracht. Und hier ist ein Ausschnitt aus der Mitte, mit den Gleisnummern:
Nun überlasse ich aber Stefan das Wort!
Vorstandsapparat
Fahrstrassen-Freigabe („Stufenschalter“)
Es kann nur eine Fahrt gleichzeitig eingestellt werden. Beispielsweise könnte eine Ausfahrt nach Au ab Gleis 3 einen einfahrenden Zug aus Lustenau gefährden, da die Stellung der Handweichen nicht kontrolliert wird. Falls z.B. Weiche 24 auf Ablenkung steht, besteht die Gefahr einer Flankenfahrt.Nicht enthalten in den Fahrstrassen-Freigaben sind Ausfahrten nach Rheineck und nach Lustenau. Nach Rheineck war die Sicherheit offenbar ausschliesslich in Verantwortung des Vorstands. Er hatte die Einfahrten mittels Signal F 1/2 unter Kontrolle. Und hier gab es eine Kontrollverriegelung der Weichen.
Nach Lustenau ist ebenfalls keine Stellung vorhanden. Die Posten 1 – 3 haben aber eine Zustimmung gegeben, zumindest steht das im Text auf dem SwPlan unter „Gleistafel mit Rückmeldungen“.
Ich vermute, dass mit der Fahrstrassen-Freigabe den Posten der Auftrag erteilt wird, die Handweichen in die richtige Stellung umzulegen. Bei Posten 1 – 3 hat nach Betätigung wahrscheinlich der Wecker „Aufforderung zur Einstellung des Betätigungshebel“ geklingelt. Der Wärter hat die entsprechenden Manipulationen vorgenommen und anschliessend mit dem „Betätigungshebel“ die Zustimmung an den Vorstand erteilt. Wie dieser „Betätigungshebel“ ausgesehen hat, weiss ich nicht. Die Zustimmung der Posten wurde dem Vorstand in der Gleistafel gemeldet, wohl durch eine aufleuchtende Lampe.
Positionen der Fahrstrassen Freigabe von rechts nach links:
1) Von Lustenau auf Gleis VI bis IX. Wegen dem begonnenen Bahnhofsumbau bereits gesperrt.
2) Von Lustenau nach Gleise V
3) Von Lustenau nach Gleisen II-IV.
Bei 2) und 3) muss das Rangiersignal R1 auf „Rangieren verboten“ sein. Die Fahrstrassen unterschieden sich hier nicht.
4) Von und nach Au. Ein- und Ausfahrten auf einem gemeinsamen Hebel.
5) Von Rheineck auf Gleis III. Hier ging Signal F 1/2 mit Fahrbegriff 1 auf Frei.
6) Von Rheineck auf Gleis IV und V. Wegen Bahnhofumbau entfernt.
7) Von Rheineck auf Gleis VI bis IX. Signal F1/2 mit Fahrbegriff 2.
Anschliessend die drei Fahrstrassenhebel:
1. Hebel
- Von Rheineck auf Gleis A III (Position 5) = R1 auf „Rangieren verboten“, Weichen 1 bis 6 in Stellung + verriegelt.
- Von Rheineck auf Gleis A IV / V bzw. VI – IX (Positionen 6 bzw. 7) = Weiche 6 auf – verriegelt, R1 bzw. R2 auf „Rangieren verboten“. Interessant ist, dass in der gleichen Hebelstellung unterschiedliche Rangiersignale auf „Rangieren verboten“ gebracht werden mussten. Evtl. wurden die Rangiersignale bereits bei der Fahrstrassen-Freigabe kontrolliert. Oder sie wurden gar nicht kontrolliert…
2. Hebel
- Nach Au ab Gleise II – V (Position 4) = R1, ab Gleise VI/V = R1 + R2* auf „Rangieren verboten“.
- Von Au gleiche Gleise wie oben. Auch hier die Frage, wie die beiden Rangiersignale kontrolliert wurden, da in der gleichen Position entweder R1 oder beide R auf „Rangieren verboten“ stehen müssen.
3. Hebel
- Freigabe von Lustenau Gleise II – IV (Position 3) = Weiche 34 auf + verriegelt, R1 auf „Rangieren verboten“ und Signal E Fahrbegriff 1.
- Freigabe von Lustenau auf Gleise V (Position 2) = Weiche 34 auf –, R1 auf „Rangieren verboten“ und Signal E Fahrbegriff 2 bzw. auf Gleise VI – IX (Position 1) = R2 auf „Rangieren verboten“, Rest wie oben.
Einfahrten in Gleis 1 sind nicht möglich.
Bei den Fahrstrassenhebeln gibt es ein Signal R2*. Auch auf der Skizze vom Vorstandsapparat auf dem Gleisplan ist ein solches Signal vorhanden, nicht aber im Gleisplan selber.
Signalhebel F
Bei Signal F gab es wegen den Kontrollverriegelungen wohl trotzdem noch einen Signaldraht. Dieser führte nicht mehr bis zum Signal, sondern endete nach der letzten Weiche auf einer Rolle. So etwas gab es mal in Kerzers.Weitere Punkte
Nicht ersichtlich ist, wie Signale B, C und D auf Fahrt gestellt werden und wie der Block bedient wird. Ebenfalls fehlt die Fahrstrasse von Rheineck nach Gleis II (Punkt f in den Modifikationen).Ursprünglich gab es nur Signal B, eine Hippsche Wendescheibe, welche wohl mit einem separaten Kasten bedient wurde. Danach gab es folgende Änderungen:
- 1954 Lichtsignal B (Punkt f) und neue Fahrstrasse fII. Wie wurde das Lichtsignal gesteuert? Wie die neue Fahrtstrasse eingestellt? Von beidem ist auf dem Vorstandsapparat nichts zu sehen.
- 1960 neue Gleistafel (Punkt l). Hier wurden neu die Signale und die erhaltenen Zustimmungen der Posten rückgemeldet.
- 1967 Streckenblock nach Au und Signal C (Punkt n). Von wo gesteuert?
- 1980 Ausfahrsignal D und wohl auch Streckenblock nach Rheineck (Punkt u). Von wo gesteuert?
Wenn es wirklich so war, musste der Vorstand jeweils hin- und herlaufen: Fahrstrassen-Freigabe, dann Fahrstrassenhebel, dann ins Büro Signal auf Fahrt stellen, dann wieder nach draussen, um den Zug mit dem Befehlsstab abzufertigen.
Wieso es ursprünglich nur Richtung Lustenau ein Ausfahrsignal gab, kann ich nur vermuten. Evtl. wurde das von den ÖBB so verlangt. Aussergewöhnlich ist der Buchstabe A für ein Ausfahrsignal. Normalerweise ist dieser Buchstabe einem Einfahrsignal vorbehalten.
Nach Lustenau scheint es keinen Streckenblock zu geben. Im Buch Schienennetz Schweiz Ausgabe 1980 ist die Strecke noch ohne Block gekennzeichnet.
Stellwerke / Posten
Wesentlichen Unterschied beachten: 1 ist ein Wärterstellwerk, 2 bis 5 sind nur Wärterposten.Stellwerk 1
Drei Rangiersignale, alle an verschiedenen Stellen zu bedienen: R auf der Hebelbank, R3 mit einer separaten Kurbel, R5 mit einem Schalter, der an der Barrierenwinde angebracht ist. R5 ist evtl. an der Winde angebracht, damit man nicht vergisst, die Barriere zu schliessen, wenn die Zustimmung für eine Rangierbewegung aus dem nummernlosen Ausziehgleis erteilt wird. Die Winde selber ist nicht eingezeichnet.
Die Ausfahrt A wurde wohl ohne Mittun des Vorstandsapparats betätigt.
Einfahrt E 1/2 mit Kontrollverriegelung W 34. Fahrbegriff 1 für Fahrten nach Gleis II – IV (Weiche 34 in gerader Stellung), Fahrbegriff 2 für Fahrten nach Gleis V – IX (Weiche 34 auf Ablenkung). Die Einfahrgeschwindigkeit war wegen den Handweichen so oder so auf V/max 40 km/h beschränkt, egal ob Fahrbegriff 1 oder 2.
Hebelsperre e1 bzw. e2 zur Kontrolle der Isolierungen. Bei Fahrt e2 hat es eine Isolierung bei Weiche 39. Wahrscheinlich konnte nach Freiwerden dieser Isolierung die Fahrstrasse zurückgenommen werden
Alle Weichen werden direkt vor Ort bedient. Allerdings steht unter den Änderungen Punkt m: Weiche 39 isoliert und nach P1 zentralisiert.
2 Kontrollwecker: Freigabewecker sowie Aufforderung zur Einstellung des Betätigungshebels.
Posten 2
4 Weichenhebel, restliche Weichen werden vor Ort bedient. Keinerlei Abhängigkeiten zwischen Weichen und Signalen.
Auch hier gibt es einen Kontrollwecker für die Aufforderung zur Einstellung des Betätigungshebels.
Von wo wurde Weiche 47 bedient? Logisch wäre eher Posten 2, aber Stellwerk 1 liegt näher.
Posten 3
Keine Weichenhebel, alle Weichen werden vor Ort bedient. Weichen 22 und 20 (Nummer fehlt im Plan) sind irgendwie gekuppelt und können gemeinsam umgestellt werden. Auch bei Weiche 14 und 17 gibt es so etwas, unter den Änderungen steht bei Punkt e: Handstellböcke Weiche 14/17 zusammengezogen. Was „ged.“ bedeutet, ist mir nicht klar.
In unmittelbarer Nähe des Postens gibt es zwei Rangiersignale R1 und R2, die aber vom Vorstandsapparat bedient werden.
Es gibt analog Stellwerk 1 und Posten 2 einen Wecker „Aufforderung zur Einstellung des Betätigungshebel“. Zusätzlich gibt es einen Kontrollwecker und einen Zustimmungswecker. Unterschied zu Stellwerk 1 beachten, dort heisst es Freigabewecker, hier Zustimmungswecker,
Weichen 16 / 19 hatten ein spezielles Hebelkästchen B für Einfahrten von Au. Wieso gerade diese Weichen so gesichert waren, ist mir nicht klar. So wichtig scheinen die Weichen nicht gewesen zu sein, denn sie wurden schliesslich ersatzlos ausgebaut (Änderungen Punkt t).
Posten 4
Hier wurden offenbar nur Handweichen vor Ort bedient. Es gibt auch keinen Kontrollwecker und keinen Betätigungshebel, da der Posten ja direkt gegenüber dem Vorstandsapparat lag. Hier wurde wohl mit Zurufen, Laternen und Flaggen gearbeitet (Anmerkung HMM: Das wäre dann wirklich Betrieb wie im 19. Jahrhundert gewesen!).
Posten 5
3 Weichenhebel 1/2, 3/5 und 6, nicht aber 4/8. Zusätzlich wurden noch die Barrieren der Hauptstrasse bedient. Auch hier gibt es keinen Kontrollwecker und keinen Betätigungshebel. Der Vorstandsapparat ist zwar etwa 200m entfernt. Bei Einfahrten werden aber immerhin die Weichenstellungen mittels Kontrollverriegelungen überprüft.
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