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Mittwoch, 15. Juli 2020

Allein am Stellwerk in Heerbrugg, 1991

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Von St.Margrethen bin ich am selben Tag weitergefahren nach Heerbrugg und Salez-Sennwald.

In Heerbrugg war ich zuerst in der Fahrdienstleitung, wo der Vorstandsapparat aufgestellt war. Er bestand aus einer Hebelbank für drei Weichenhebel, Blockfeldern sowie Fahrstraßenhebeln des Blockwerkes für die Fahrstraßenfestlegung, einem kleinen Integra-Pult für drei Barrieren und zuletzt den Bedieneinrichtungen für Streckenblock und die Hauptsignale, die alle durch umgewidmete Fahrstraßenhebel von hier aus gestellt wurden:

Vorstandsapparat, Fdl, Heerbrugg, Frühling 1991

Weil das AG ("Ankunftsgebäude") dem einen Ende des Bahnhofs etwas näher zugewandt war, wurden die dortigen Weichen (die Spitzenweiche 1 und zwei Weichenverbindungen) direkt aus der Fahrdienstleitung gestellt. 1991 hatten diese Weichen schon elektrische Antriebe erhalten, daher waren die Weichenhebel mit Bremsbändern versehen:

Weichenhebel am Vorstandsapparat, Fdl, Heerbrugg, Frühling 1991

Hier sieht man die Signalhebel. Heerbrugg hatte, wie in der Schweiz lange üblich, noch Gruppenausfahrsignale, sodass jeder Hebel tatsächlich für ein Signal zuständig war (nicht wie in Österreich, wo beim Umbau auf Lichtsignale auch nur mehr ein Knebel je Ausfahrrichtung eingebaut wurde; es wurde aber praktisch immer ein eigenes Ausfahrsignal je Gleis aufgestellt, und die ausgewählte Fahrstraße steuerte, welches dieser Signale auf Frei ging):

Freigabehebel, "Vorstandsapparat", Fdl, Heerbrugg, Frühling 1991

Einmal habe ich ein Foto von einer Tafel mit Verlautbarungen geschossen. Den Text auf dem Blatt in der Mitte, zum Thema Schneeräumung, gebe ich darunter in voller Länge wieder:

Verlautbarungen, Fdl, Heerbrugg, Frühling 1991


         
                                                          30.11.90
Schneeräumung Winter 90/91

Personaleinsatz

Bei starken Schneefällen hat sich das Personal unaufgefordert zum Dienst zu
melden. Setzt am Vorabend Schneefall ein, so haben die Frühtouren Büro und
Rangier den Dienst von sich aus früher anzutreten. R ...?
Reicht dieses Personal nicht aus, bietet der Bürofrühdienst unverzüglich
weiteres Personal auf.(ev. auch dienstfreies Personal). Dies gilt für alle
Mitarbeiter, wobei ev. Uez zu leisten ist oder Ruhetage zu sistieren sind.

Dringlichkeit

Tour 24 beginnt mit den Weichen 4 – 3 (Zug 94805).

Achtung: Elektr. Weichenantriebe erfordern saubere Reinigung.

Tour 5 räumt mit dem Schneepflug die Ueberfahrten und die Perrone. Diese
sollten wenn möglich vor dem Betreten durch Reisende abgestossen sein. Die
Frühtouren werden wenn nötig durch aufgebotenes Personal unterstützt.

Einsatz von weiterem Personal nach Absprache mit dem Frühdienst oder der Tour
1. Das Schuppenpersonal ist in dringenden Fällen ebenfalls mit der
Schneeräumung in den Gleisen oder auf den Perrons einzusetzen. Im weiteren ist
es für die Räumung der Rampen und Zufahrten zum Schuppen verantwortlich.
Setzen Schneefälle während des Tages ein, so hat das Personal sofort mit den
Räumungsarbeiten zu beginnen. Wenn es die Situation erfordert, bleiben abends
die Touren 1,4,3, und 25, 26, 27, 28 ,29, 23 länger im Dienst.
Es ist unbedingt darauf zu achten, dass abends die Weichen gereinigt verlassen
werden, auch wenn es nachher weiter schneit. Der Frühdienst ist dafür dankbar.
Die gereinigten Weichen sind abends und Samstags/Sonntags unbedingt mit Wagen
abzudecken und zwar so viele Weichen als möglich(Gleis 8 – 1 – 9, 2 und 2 – 5)

Sicherheitsmassnahmen

Bei jeder Schneeräumung in den Gleisen ist die Warnausrüstung zu tragen.
Diesbezüglich gibt es keine Ausnahmen. Es ist wenn möglich der Funk
mitzunehmen. In den Stellwerken sind über den Weichenhebeln Warnschilder
anzubringen. Bei Arbeiten im Gefahrenbereich von Zügen oder des Rangiers darf
die Zustimmung zur Fahrt erst gegeben werden, wenn die Arbeitenden ausserhalb
des Gefahrenbereichs sind. (Meldung am Funk oder mündlich über Stellwerk oder
Te.)
Mit dem Flammenwerfer darf im Gefahrenbereich von Zügen oder des Rangiers nur
mit einem Sicherheitswärter
gearbeitet werden. Dieser Sicherheitswärter hat den
Funk zu tragen, Anmeldung vorher beim Fahrdienst und im Stellwerk. Nach dem
aufwärmen der Weichen sind diese sofort (wenn sie noch warm sind) zu
schmieren.(durch den Sicherheitswärter)

Bahnhofsvorstand Heerbrugg
W.Rechsteiner



Dann habe ich den Vorstand gefragt, ob ich auch aufs Stellwerk gehen dürfte: Ja klar, nur der Stellwerker ist nicht oben, weil er irgendwas anderes zu tun hat – also bitte nichts angreifen: Erstaunlich, wie entspannt das damals – und so lange ist das eigentlich nicht her – gesehen wurde.

Hier bin ich nun also (alleine) am Stellwerk. Auch hier sind alle Weichen schon elektrisch gestellt, wie man an den fehlenden Drahtzügen und Gestängen sehen kann:

, Stw., Heerbrugg, Frühling 1991

Weil die Hauptsignale alle in der Fahrdienstleitung gestellt wurden, waren keine Befehlsfelder nötig – es reichten Zustimmungsfelder vom Stellwerk zum Vorstandsapparat. Das angeforderte Gleis wurde über eine herunterfallende Klappe aus einem der Fallklappenwecker über den Blockfeldern angezeigt (am Vorstandsapparat sieht man über der Reihe der Blocktasten eine weitere Reihe an Tasten, die diese Klappen auslösen):

, Stw., Heerbrugg, Frühling 1991

An der Wand war die Signal- und Gleistafel befestigt, darunter waren die grafischen Fahrpläene aufgespannt. Auf der Tafel sieht man eine Ausfahrt aus dem durchgehenden Hauptgleis – wieso allerdings bei der DKW 10 eine Festlegelampe (zumindest vermute ich das) leuchtet, ist mir nicht klar: Diese DKW und auch die damit eventuell gekuppelte Weiche 9 sind für den Flankenschutz gegenüber dem Zuggleis eigentlich irrelevant:

Signal- und Gleistafel, Stw., Heerbrugg, Frühling 1991

Und hier sieht man den ausfahrenden Zug, durchgehend in klassischem Schweizer Dunkelgrün. Erstaunlich ist die Menge an Güterwagen, die sich auf diesem relativ kleinen Bahnhof fand:

Ae4/4 11236, Heerbrugg, Frühling 1991

Hier sieht man das Stellwerksgebäude von außen. Die Läutewerke habe ich leider nicht näher in Augenschein genommen und fotografiert:

Stellwerk, Heerbrugg, Frühling 1991

Weil die Läutewerke aber so schön bemalt waren (es gab einige in der Schweiz, die aus welchen Gründen auch immer mit diesen Gesichtern versehen waren), hier eine Vergrößerung aus dem vorherigen Bild (Klick darauf zeigt wie üblich eine noch größere Version, hier in voller Diaauflösung):

Läutewerke am Stellwerk, Heerbrugg, Frühling 1991

Zur Bewegung der vielen Güterwagen war hier dieser Traktor stationiert, der gerade nichts zu tun hatte:

Traktor 145, Heerbrugg, Frühling 1991

Und hier ist zuletzt ein Bild des Bahnhofsgebäudes, mit zwei auch schon historischen Autobussen und zwei Läutewerken, allerdings nur mit den unbemalten verzinkten Blechgehäusen:

Bahnhof, Heerbrugg, Frühling 1991

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