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Samstag, 23. April 2011

Wie schnell was passieren kann ...

Arbeiten auf der Eisenbahn ist auch gefährlich – das ist so. Die Geschichte hier erzählt von einem Unfall, wo mehrere Leute – auch ich – nur wenige Meter danebenstanden – und trotzdem hatten wir keine Chance, ihn zu verhindern (glaube ich).

Die Betriebsausweiche Strechau war damals der nächste Bahnhof nach Selzthal auf der Rudolfsbahn in Richtung Leoben. Normalerweise hielt dort kein Personenzug, also bin ich mit dem Bahnbus hingefahren. Kurz vor der Ausweiche kreuzt die Bundesstraße die Bahn, dort hat mich der Busfahrer bei mittlerem Regen einfach so rausgelassen. Die Sicherungsanlage war eine deutsche Einheit, wenn ich mich richtig erinnere; und es wurde grade umgebaut: Ich denke, ein neues Relaisgestell für den Streckenblock ist ins Stellwerk 1 gekommen. Der alte musste raus. Dafür stand am Gleis ein Niederbordwagen, und ein ganzer Bautrupp hatte die Aufgabe, das Gestell – zerlegt in einige auch nicht leichte Stücke – dort raufzuwuchten. Das Bahngleis lag dort auf einem kleinen Damm, vielleicht einen halben Meter hoch, darauf die Bettung mit dem Gleis. Ein Arbeiter klettert auf den Niederbordwagen, um die Ladebordwand herunterzuklappen – links und rechts die Verriegelung öffnen, dann der Wand einen Tritt geben, damit sie herunterklappt. Er ruft noch "Achtung", damit keiner zu nahe dran steht – geht aber eh nicht, wegen dem Damm –, tritt dagegen – und als nächstes fällt er mit dem Kopf voraus nach unten vom Wagen.

Eine Gürtelschnur der Arbeitshose hatte sich wohl oben an der Ladebordwand verfangen; die Wand hat sicher über 100 kg, vielleicht auch das doppelte – durch den Tritt bekam sie so viel Schwung, dass sie ihn kopfüber heruntergerissen hat.

Er hatte enormes Glück – er kam mit dem Kopf (ohne Schutzhelm ... war ja keine Gefahr in der Nähe; oder ist er ihm runtergefallen?) auf der Schräge des Dammes auf, dadurch war erstens der "Bremsweg" wohl fast einen halben Meter lang, und zweitens war der Damm nicht aus scharfkantigem und extrem harten Gestein, sondern aus wegen Regen matschiger Erde, plus Unkraut. Jedenfalls war er kurz bewusstlos, dann wurde er versorgt – er meinte, alles wäre in Ordnung, aber dann wurde er (und netterweise ich, weil ich fahrzeuglos war) mit der Bauzuglok, einer 2060, nach Rottenmann gefahren. Ich weiß nicht, wie's weiterging – hoffentlich hat er keine größeren oder bleibenden Schäden davongetragen.

Was ich gelernt habe: Man kann nie vorsichtig genug sein, besonders wenn schwere und vor allem bewegliche Teile in der Nähe sind. Trotzdem kann etwas so schnell passieren, dass man auch aus nur drei oder vier Meter Abstand keine Chance mehr hat, noch einzugreifen.

Zuglängen und Zuverlässigkeit

Im deutschen Eisenbahnforum wird gerade ein wenig über Zuglängen diskutiert; und über die Zuverlässigkeit der Eisenbahn kann man auch ewig diskutieren, sei's steckengebliebene ICEs oder Stellwerksstörungen auf der Müncher S-Bahn-Stammstrecke. Dazu fällt mir auch eine Geschichte ein, die mir ein Fahrdienstleiter in Penzing erzählt hat (oder war's in Marchtrenk, am "anderen Ende"?). Sei's drum ...

Es geht um die 1042. Die 1042 war jahrzehntelang das Arbeitspferd bei der ÖBB für alles und jedes (wo Strom da war). 1042er haben vom schnellsten bis zum langsamsten Zug alles gefahren. Ich bin mir nicht sicher, aber mit ca. 300 Stück war die 1042 auch die erste wirklich große Bauserie nach der 52er. Trotzdem - wo hab ich das wieder gehört? - hat es auch mit der 1042 am Anfang Probleme gegeben; daher sind in der Entwicklungszeit zwischen einigen 1042ern und 1010ern die Trafos getauscht worden, um festzustellen, ob die Probleme machen ...

Wie auch immer. In Penzing - damals, vor Klederinger Zeiten, der westliche Verschubbahnhof von Wien - wird ein Zug Richtung Wels Vbf zusammengestellt. Der Zug ist fertig, eine 1042 wird davor gesetzt, ankuppeln, Bremsprobe, irgendwann später fährt er los. Der Lokführer findet noch, dass der Zug ein wenig "zäh" ist - er zieht nicht so richtig -, aber was soll's. Wienerwald rauf - die Maschine zieht ganz schön Strom, aber das Unterwerk macht mit. So geht's dahin, weiter, über den Haager Berg, an Linz vorbei nach Marchtrenk, wo der Zug auf's Seitengleis soll und dann in den Welser Vbf. Der Lokführer zieht bis zum Ausfahrsignal vor, das auf Halt steht. Er kriegt einen Funk, dass er gefälligst seinen Zug grenzfrei vorziehen soll - da müssen auch noch andere durch. Lokführer: Ich steh ganz vorn.

?

In Penzing ist, wie auf vielen alten Verschubbahnhöfen ohne eigentliche Ausfahrbahnhöfe, des öfteren in ein Gleis mit einem abfahrbereiten Zug weiter abgestoßen worden - so viel Gleise hatte man auch nicht. Offenbar sind die abgestoßenen Wagen bis an den Zugschluss drangerollt, irgendein Verschieber hat dann das ganze Gleis gekuppelt, und fertig war der überlange und überschwere Zug. Am Rekawinkler Berg ist die Grenzbelastung einer 1042 normalerweise 1000 Tonnen (wenn ich's richtig in Erinnerung habe) - der fragliche Zug soll eher um die 1500 gehabt haben. Sowohl Motoren als auch Zughaken haben das Ganze anscheinend problemlos überlebt ...

Es ist vielleicht kein Zufall, dass mir solche Geschichten zu einer Zeit erzählt wurden, als es genügend Probleme mit der 1044 gab oder diese Probleme noch nicht lang zurücklagen - die berühmten Lüftergitter, die im Winter so viel Schnee angesaugt haben, dass die Motoren unter Wasser standen (es soll nicht nur eine 1044 gegeben haben, die es gerade noch mit einem Motor über den Rekawinkler Berg geschafft hat), oder der anfangs nicht perfekte Makroschlupf, der bei Herbstlaub die Lok immer wieder ein wenig zurückgeregelt hat, bis sie schließlich (bei Friesach war das) mit 800 Tonnen in der Steigung stand und sich keinen Millimeter bewegt hat. Eine 1245 soll ihr dann weitergeholfen haben ... Dagegen war eben die 1042, wie die 5007er Stellwerke, bekannt als "nicht umzubringen" - obwohl es mit ihr am Anfang eben auch Probleme gegeben haben soll. Und mittlerweile ist die 1044 die Maschine aus der "guten alten Zeit", wo man noch alles verstanden hat und nicht überall sich diese unverständliche Software breitgemacht hat ...

Foto oder Leben?

Diese Geschichte habe ich nur aus zweiter Hand - von einem Fahrdienstleiter in Klamm-Schottwien auf der Semmeringbahn.

Eines Tags schaut er raus und sieht einen Fotografen samt Stativ in der Mitte des bergführenden Streckengleises, bei gestellter Durchfahrt. Er stürzt raus und macht dem Mann klar, dass er da rauszuverschwinden habe. Der Zug fährt durch, kurz drauf steht der Fotograf wieder im Gleis. Nächster Auftritt Fdl: Wenn er nicht sofort aus dem Gleisbereich rausgeht, holt er die Polizei. Nachdem er reingegangen ist, schaut er nocheinmal raus - der Fotograf steht zum dritten Mal im Gleis. Jetzt lässt er ihn stehen.

Der Zug kommt. Man hört ihn lang pfeifen.

"Betropezt" (wie heißt das auf hochdeutsch?) klopft der Fotograf an: Er ist grade noch aus dem Gleis rausgekommen, sein Stativ ist zertrümmert 50 Meter weiter im Gleis gelegen, der Fotoapparat ist weg. Ob er nicht oben am Semmering anrufen könnte ...?
Tatsächlich hängt der Fotoapparat, etwas zerbeult, vorne auf der Lok! Allerdings wird er vom Semmering an die Generaldirektion verschickt, wo der Fotograf ihn sich später, zwar gegen geharnischte Maßregelung, aber ohne rechtliche Folgen, abholen durfte.

Se non e vero, e ben trovato ...

Zickzackfahrten in Maxing

In Maxing (auf der Verbindungsbahn) war ich irgendwann im Winter - ein wolkenverhangener, aber ganz passabler Sonntagnachmittag. Damals gab's dort noch keinen Schnellbahnbetrieb - also grade einmal ein paar Güterzüge, vielleicht ein Lokzug, und ein oder zwei Schnellzüge aus dem oder in den Ostblock.
Maxing hatte damals schon ein Spurplanstellwerk - wie man an der Geschichte merken wird. Jedenfalls haben wir wieder in den langen Zugpausen politisiert, und es hat sich auch herausgestellt, dass der Fahrdienstleiter ein eher komplizierter Typ war - er hat sich anscheinend mit so ziemlich jedem Vorgesetzten angelegt, den er je hatte. Natürlich hatte immer er Recht. Als Unbeteiligter soll man sowas aber eher nicht beurteilen.

Jedenfalls hab ich damals das Prinzip der Umfahrstraßen noch nicht verstanden - oder ich wusste nicht, was die UFT war, oder ähnliches. Jedenfalls hab ich ihn gefragt. Der nächste Zug war ein Lokzug, also hat er es mir demonstriert: Einfahrt hin und her über die doppelte Gleisverbindung auf der - glaube ich - Hütteldorfer Seite. Als die Lok dann unter dem Stellwerk vorbeifuhr - grade ein wenig über den 40 km/h, auf die er runterbremsen musste -, hat der Lokführer uns ziemlich deutlich einen Vogel gezeigt ...

Für die nächsten Züge hat der Fdl dann zuerst entschieden, dass wir solche Spielchen auf der Ausfahrseite machen ... und außerdem dann gleich, dass er alle Züge über das hinterste Gleis fahren lässt. Vorteil: Auf dem vorletzten Gleis waren Wagen abgestellt, also konnte man das hinterste Gleis nicht sehen, und daher musste er keine Zugbeobachtung machen - was damals noch überall vorgeschrieben war, wo man Sicht auf den Zug hatte. So sind wir dann gemütlich herumgehockt und haben noch zwei Stunden vertratscht und auf alle möglichen Oberen und Großkopferten geschimpft. Ich hoff, er hat sich's nicht ganz verscherzt mit seinen Chefs, dann und später.

Nicht alle Bahner sind ok ...

Fast alle, die ich in den letzten 35 Jahren auf der Eisenbahn getroffen habe, sind nette, normale Typen. Am schwierigsten ist es immer mit den höheren Chargen – BKs (Betriebskontrollore) waren sowieso ein Thema für sich, und auch manche Bahnhofsvorstände mussten manchmal beweisen, dass sie "das Sagen haben". Wobei einer der nettesten Eisenbahner unser späterer Bahnhofsvorstand Jusner in Lienz gewesen ist (vorher war er in Penk, evangelisch so wie wir im tiefkatholischen Osttirol, daher kannten wir uns ziemlich schnell – ich bin mit seinem ältesten Sohn in die Schule gegangen). Aber ich schweife ab ...

Zum Beispiel in Tallesbrunn (Richtigstellung 19.9.2014). Die Nordbahn hatte damals noch einige Blockposten mit Formsignalen, war aber schon elektrifiziert – und hatte Linksbetrieb. Daher standen die Signalflügel der Blocksignale sozusagen "in die Oberleitung hinein" – ein durchaus seltener und seltsamer Anblick, den man sonst nirgends mehr hatte! Grund genug für mich, einmal diese wenigen Blockposten zu besuchen. Und – der Blockwärter in Tallesbrunn war besoffen. Und zwar ziemlich. Ich habe später mit einem Fahrdienstleiter geredet und ihn wegen der Sicherheit gefragt – er hat gesagt, dass alle von den Problemen desjenigen wussten; aber zu gewerkschaftlichen Zeiten war es faktisch nicht möglich, ihn wegzukriegen, solange nichts passiert – und passiert war nichts.

Ich habe unlängst über meine Mutter eine dazu verwandte Geschichte gehört: Über eine weitschichtige Verwandtschaft waren meine niederösterreichischen Großeltern mit einem Weinbauern in der Großweikersdorfer Gegend verwandt. Der Weinbauer war auch (in den 1950ern!) Stellwerker in Großweikersdorf – und immer öfter so besoffen, dass statt ihm seine Frau Dienst auf dem Stellwerk tat. Das war offenbar von allen akzeptiert – "war halt so". Ich kann nicht ganz glauben, dass die Geschichte stimmt – aber andererseits, der Blockposten in den 80ern ...

Noch eine Geschichte, nicht wirklich heftig, auch von der Nordbahn: Am nächsten Blockposten war ein netter, etwas – nunja, sagen wir: – nicht ganz schnell-denkender junger Blockwärter (diese Haltestelle hatte eine Fußgänger-Brücke; und ich glaube, sie war nahe an der March – weiß jemand, wo das ist?). Ziemlich treuherzig hat er mir erzählt, dass er sein Radio während der Arbeit in Betrieb hatte – was eigentlich verboten war. Eines Tages kommt der BK – kontrolliert, verwarnt ihn wegen Radio und weist ihn an, es im Spind zu verstauen. BK geht, Blockwärter räumt Radio wieder raus und schaltet es ein ... klar, was dann kommt? Der BK ist nach fünf Minuten noch einmal reingekommen. Der Blockwärter hat eine Strafe von ein paar Prozent (Gehaltsabzug) bekommen. Bei mir hat er sich bitterlich über die Heimtücke der BKs beschwert.

Süßenbrunn und der Blitz - damals

Wie jeder weiß, ist das Süßenbrunner Stellwerk im Juni 2009 von einem Blitz zerstört worden, nachdem Erdungskabel gestohlen worden waren. Zufällig habe ich vielleicht 20 Jahre vorher ausgerechnet auf genau diesem Stellwerk auch einen Blitzeinschlag mit massiven Folgen miterlebt.

Wie immer war's Sonntag - mein Stellwerksbesuchstag -, und ich bin frisch-fröhlich mit meiner A-Karte auf den Turm in Süßenbrunn marschiert. Als ich reinkam, sind drei Wecker im Dauerbetrieb gelaufen, einer der beiden Fdl hatte die Füße auf den Tisch gelegt, die Rotausleuchtungen auf der Panoramatafel waren wie eine Weihnachtsbeleuchtung, und im Relaisraum waren zwei Signalmeister am Werken. Der Grund: Im Marchfeld hatte ein Blitz eingeschlagen - der Blitz, muss man wohl sagen. Das hat gereicht. Mindestens die Hälfte der EKs hat rot geblinkt - wenn ich mich richtig erinnere, sind einige Schranken einfach so zugegangen. Der ZGS (Zeichengabestreckenblock) ist großteils ausgefallen. Und die Störungswecker haben geläutet, ohne Unterbrechung.

Gottseidank waren nur wenige Züge unterwegs - Sonntag nachmittag ist der Schnellbahn-Fahrplan ziemlich dünn, Güterzüge aus der Tschechoslowakei waren auch keine unterwegs (oder sie sind in Dürnkrut oder wo immer auf die Seite gestellt worden), und der eine Schnellzug - wie hieß der noch? - war auch nicht das Problem. Es war halt überall mündliches Rückmelden eingeführt - was heißt, dass die armen Zugführer bei jedem Signal (jeder Zugfolgestelle) runtersteigen und zum Telefon traben mussten, um "Zug 12345 ist mit Schluss eingefahren in HierUndDort" zu melden. Wenigstens hat der Regen nach dem großen Gewitter aufgehört, daher sind sie nicht nass geworden ...

Wir haben uns neben den Weckern ein bissl unterhalten. Drei Wecker sind aber nervig - ein Auffahrwecker, einer für die EKs und noch einer - ich weiß nicht mehr, wofür. Frage: Kann man die nicht ausschalten? Antwort: Nein - auch die WUT geht nicht mehr. (WUT? Die Wecker-Unterbrechungs-Taste!). Und da hatte ich(!) einen Geistesblitz: Wozu brauchen wir noch Störungswecker - wir wissen eh, dass wir eine Riesenstörung haben, und die Signalmeister sind auch da - können die nicht einfach den verdammten Draht abzwicken? Ich bin dann mit runtergegangen in den Relaisraum, wir haben den revolutionären Vorschlag rübergebracht, und sie haben tatsächlich einen oder zwei Drähte abgezwickt!

Ah, welche Ruhe!

Fotos von diesem Besuch gibt es nun in diesem Posting.

Sicherungsanlagen gegen Ende ihres Lebens (2) ...

Simmering Verschiebe Abzweigung – eigentlich heißt das ja Abzweigung Kledering. Simmering Verschiebe ist noch in Betrieb, aber die Baumaschinen reißen schon rundherum alles ab – wird ja nächstens zum Einfahrbahnhof des Wunderbahnhofs Kledering. Diesmal ein Samstag – am Wochenende hatte ich die meiste Zeit, Stellwerke abzuklappern; die Fahrdienstleiter sind relativ wenig gestresst, eher schon gelangweilt, und freuen sich über Unterhaltung; und ein BK (Betriebskontrollor) taucht auch eher nicht auf ...

Aber: Das Deckungssignal der Abzweigstelle ist beim vorletzten und letzten Zug auf grün hängen geblieben. Der Fdl hat schon den Signalmeister angerufen – der kommt eine halbe Stunde, nachdem ich aufgekreuzt bin. Er öffnet den Block fachgerecht – nur selten hab ich die Gelegenheit, die Innereien eines 5007er so schön zu sehen (da gibt es auch Dias davon).
Ein gar nicht so langes Suchen und Messen fördert die Ursache zutage: Eine Kontaktfeder an einem Druckstangenkontakt ist abgebrochen und liegt irgendwo unten drin im Block. Sowas hat er natürlich dabei – einmal Kontakt abschrauben, Feder ersetzen, wieder dranschrauben, fertig.

Er erklärt mir auch was: Wieso muss ein Signalmeister immer eine Zehn-Groschen-Münze dabei haben? (wir sind noch lang vor der Euro-Zeit; 10 Groschen ist eine Alu-Münze – sie soll in der Fertigung teurer gewesen sein als ihr Wert ...). Grund: Wenn man auf die Blocktaste drückt, geht die Druckstange genau um den Durchmesser einer 10gr-Münze herunter; und daher lässt sich die Münze elegant zwischen den Druckstangenanschlag und den festen Anschlag klemmen, wenn man in diesem Zustand was rausmessen muss und nicht jemand dabei hat, der die ganze Zeit draufdrücken kann ....

Weil er schon da ist, macht er noch "Augenscheinprüfung" fürs ganze Blockwerk – ein bissl dran wackeln, mit dem Schraubenzieher alle Schrauben nachziehen, die locker sind ... aha, da ist eine ... schauen, ob die Druckstangen leichtgängig sind. Das war's dann, Deckel drauf, Stifte rein, Vorhangsschlösser dran. Der Fdl, der genauso interessiert zuschaut wie ich, meint, dass eh gleich ein Lokzug kommt – da können wir dann ja schauen, ob das Signal wieder will, wie es soll. "Gleich" heißt an einem Wochenende dann schon mal 20 Minuten – so lang tratschen wir halt über irgendwas ... dann kommt die Lok, eine rote 1042, steigt drauf, das Signal fällt auch schön zurück – aber dann löst die Tastensperre (glaub ich) nicht aus.

Was ist jetzt wieder los?

Also Schlösser wieder runter, Frontplatte wieder abbauen und schauen, was da los ist. Wackeln an den Druckstangen – und es ist gleich klar: Die eine lockere Schraube hatte einen guten Grund. Sie war ein kleines Stück zu kurz, oder die Auflage der Welle leicht schräg oder verbogen oder was auch immer – jedenfalls durfte man sie nicht ganz reinschrauben, sondern hat man das ganze Kontaktgestänge "festgenagelt". Und weil – siehe oben, Kledering kommt eh bald – die ganze Abzweigung bald weggerissen wird, samt Block und allem Drumherum, hat sich halt der vorherige Signaler gedacht, dass sich eine ordentliche Reparatur nicht mehr auszahlt.

Ende der Geschichte: Schraube locker gelassen, noch einen Zug abgewartet – alles geht, Signalmeister wünscht noch ein schönes Wochenende, und wir zwei Zuschauer hatten eine Geschichte zum Erzählen.

Sicherungsanlagen gegen Ende ihres Lebens ...

Zwei Geschichten von betagten 5007ern. Das 5007er ist das Standardstellwerk der k.k.St.B – also in weiten Teilen des österreichischen Teils der alten Monarchie. Nicht verwendet hat es die Südbahn – die hatte ihre eigene Bauart, das SBW500 ("Südbahnwerke 500"). Zu "meinen Zeiten" – 1980er, 90er – war Österreich noch fast flächendeckend mit 5007ern versehen – jetzt ist es offenbar nur mehr die Salzkammergutbahn, und nicht einmal geschult werden die Fdls noch auf einem 5007er. Naja.

Die Blockanlagen des 5007ers verwenden wunderschöne Siemens'sche (Frischen'sche) Blockfelder – das Rattern geht einem durch Mark und Bein. Und natürlich sind die Blockfelder sicherheitskritisch: Sie sind ja das sichere Kommunikationsmittel zwischen verteilten Anlagen (Fahrdienstleitung und Stellwerken, Blockposten). Daher sind die Blockkästen plombiert und mit Vorhängeschlössern versehen; und wenn was schiefgeht, muss man eine Plombe reißen und mündliches Rückmelden einführen und den Signalmeister holen und so weiter und so fort.

In der Leopoldau stand eines der letzten 5007er auf der Schnellbahn. Der eine Nachbarbahnhof war Floridsdorf (Stw. 3 – bei der Siemensstraße, auch ein 5007er), der andere Süßenbrunn – ich denke, zu diesem Zeitpunkt schon das Zentralstellwerk (ja, dieses Süßenbrunn – das der Blitz zusammen mit Kupferdieben zerlegt hat. Dazu werd ich auch noch eine Geschichte erzählen – eine mit Blitz und Süßenbrunn, die außer mir fast niemand kennt).

Irgendwann im Studium fahr ich vergnügten Sinnes auf die Leopoldau. Am Bahnsteig und ganzen Bahnhof wird schon gebaut (aber nicht am heutigen Sonntag) – neue Signale mit weißen Kreuzen stehen schon da, aber in Betrieb ist noch der ganze alte Apparat. Meine A-Karte gewährt mir Einlass, aber Fahrdienstleiter und Stellwerker sind – wie fast alle – nette Kerls und hätten mich so auch raufgelassen ... Ich tratsch halt mit ihnen, und es fahren ein paar S-Bahnen, und alles ist wie immer ganz interessant. Z.B. stehen Richtung Süßenbrunn noch mechanische Signale, alt-österreichische mit dem komplizierten Antrieb, der im Hager so schön erklärt ist (aber dort versteht man ihn auch nicht wirklich); aber sie haben eine Reichsbahn-Flügelkupplung.

(Ich erzähl das alles aus der Erinnerung. Also kann alles im Detail falsch sein. Auf vielen Bahnhöfen war ich auch öfter – und das mischt sich in meinem Gedächtnis dann manchmal zusammen. Z.B. war ich in Süßenbrunn, als dort noch ein 3414 stand ... zumindest hab ich irgendwann ganz erstaunt ein Foto von mir  gefunden. Korrektur März 2012: Und weil ich diese Fotos nun in den zwei verlinkten Postings auch darstelle, konnte ich den Fehler im folgenden Text korrigieren, dass sich die Sache Richtung Floridsdorf abgespielt hat: Es war Richtung Süßenbrunn).

Wie auch immer: Nächste S-Bahn Richtung Süßenbrunn. Vorblocken. S-Bahn fährt. Rückblock: Blockfeld rattert ein wenig, aber nicht lang genug. Also anrufen in Süßenbrunn – ja, Zug ist mit Schluss durch, und rückgeblockt ist auch.
Ich, in meiner studentischen Weisheit, weiß nun: "Aha, mündliches Rückmelden einführen ...". Der Fdl schaut mich an, sagt, "Wir machen das jetzt anders." Er holt eine Schere; dann zieht er das rechte Vorhängeschloss samt dem Stift, der ins Gehäuse geht raus – "Der ist schon länger locker" – und kann die vordere grüne Tafel vom Blockwerk etwas wegziehen, fünf Zentimeter oder so. Mit der langen Schere erreicht man nun grade so die Sperrzähne des Anfangsfeldes: Mit etwas Fingerspitzengefühl wird nun entblockt. "So machen wir das. Der Block kommt eh bald weg."

Die zweite Geschichte dann heute Abend – jetzt muss ich grillen!

Eine galoppierende Lokomotive ...

Um einige Ecken habe ich den Generalsekretär der Österreichischen Bundesbahnen kennengelernt (der Univ-Prof des Instituts, wo meine Mutter in den 50ern war, hatte einen Kollegen, der Univ-Prof für physikalische Chemie in Wien war; und der Bruder von dessen Frau war dieser Generalskretär). Ohne jetzt ins Detail zu gehen und womöglich anzuecken: Die ÖBB war immer rot (sozialistisch); aber in Österreich braucht es für alles ein Gegengewicht, daher gab es den Generalsekretärsposten, und der war schwarz. Innegehabt hat ihn damals – in den 1980ern – dieser sehr nette, damals schon ältere Bruder der Frau usw., ein Jurist. Er hat mir einmal – in seinem Büro in der "GD", der Generaldirektion der ÖBB in der Elisabethstraße – beschrieben, dass er sich hauptsächlich um das Problem der Weidezäune zu kümmern habe: Wenn der Weidezaun die Kuh nicht aufhält, diese aufs Gleis marschiert, der Zug kommt ... dann stellen sich jahrhundertealte Fragen, ob/wann/wann nicht/warum usw. die ÖBB für die Erhaltung dieser Zäune zuständig gewesen wäre (was anscheinend in Rechtsvorgängen des 19. Jahrhunderts begründet war) oder nicht. Klar, auch darum muss sich wer kümmern.

Mich hat anderes interessiert an der Eisenbahn.

Er hat mich immer wieder gefragt, ob er was tun könne für mich – und irgendwann bin ich dann draufgekommen: Eine Erlaubniskarte mit L-Stempel! Was das ist? Erlaubniskarte der ÖBB: Dass man Bereiche der Eisenbahn betreten darf, wo andere nicht hindürfen. L-Stempel: Der heilige "Lok-Mitfahr-Stempel"! (Es gab noch den A-Stempel – über den erzähl ich später vielleicht, den hatte ich über viel Jahre; und dann noch einen "dazwischen", wo man in Heizhäusern auf Führerstände durfte, aber nicht mitfahren, wenn ich mich richtig erinnere). Zurück zur Geschichte ...

Er war sehr bemüht, mein Herr Generalsekretär, aber L-Stempel gab's nicht auf Dauer. Er hat mir einen besorgt für einen Tag, irgendwann in den Ferien: Für die Strecke Spittal-Millstättersee – Schwarzach-St.Veit: "den Tauern". Also habe ich mich aufgemacht, an diesem Tag möglichst oft über den Tauern hin- und herzufahren. Wenn mich nicht alles täuscht, hatte ich ein Austria-Ticket für 14 Tage, weil ich auf "Stellwerkstour" war – einen Tag davon habe ich mir für diese Tour abgezwackt.

Irgendwann packe ich meine Fotos aus, die ich natürlich gemacht habe – die ich aber unter den Tausenden nicht finde – dann fallen mir vielleicht die übrigen 5 Maschinen ein, auf denen ich damals mitgefahren bin. Erinnern kann ich mich nur an eine: Eine 1044, mit einem Eilzug mit 2 (!) Schlieren und einem Lokführer, der ... naja, Rodeoreiter in Texas wäre was gewesen für ihn.

Die 1044 war, als sie rauskam, die stärkste 4-achsige Lok der Welt. 5400 kW Leistung (7500 PS oder so), "Makroschlupf", 84 Tonnen Stahl (und Kupfer). Mit zwei Schlieren und ein paar Fahrgästen macht das ein Zuggewicht von 140 Tonnen oder so – "nichts", sozusagen.

Jetzt fängt die Geschichte an ... und sie fängt in der Mitte an: An die Strecke von Spittal bis Badgastein kann ich mich nicht mehr erinnern. Vielleicht bin ich auch dort erst auf den Führerstand geklettert ... wie auch immer: Ausfahrt Hofgastein – nicht Haltestelle, sondern unten im Gasteinertal. Dort gab es damals schon die zweigleisige, begradigte Ausfahrt, mit 120 oder 140 oder was immer. Noch was Technisches: Die 1044 hat einen "Geschwindigkeitsschieber" (wie schnell soll's gehen? – V) und einen "Zugkraftschieber" (wie viel Leistung geb ich dir dafür? – Z). Richtig angenehm – sie bremst sogar (elektrisch), wenn's schneller wird, als der Geschwindigkeitsschieber sagt, glaube ich.

Also Ausfahrt. Ich sitze links, auf so einem 4-beinigen Holzhocker, der für einen Mitfahrer (oder Ausbilder?) auf Loks herumsteht. Lokführer rechts, auf ergonomisch federndem Lokführersessel. Ausfahren tut man so, gemäß Rodeo: Man stellt V (Geschwindigkeit) auf 140; dann schiebt man Z ganz nach vorn. Angewandte Physik: Die Motoren drehen mit 7500 PS hoch, vielleicht etwas weniger. Die Lok (84 Tonnen Stahl!) geht wie ein Ferrari vorn in die Höhe. Man glaubt es nicht. 84 Tonnen Stahl - springen. Vielleicht nur ein paar Zentimeter – über den Holzhocker geht das trotzdem ins Kreuz.
Dann kommt der Schleuderschutz: (was beim Auto das ABS ist): "So geht das nicht – die Räder drehen durch". Also werden die Motoren ein Stück runtergeregelt. Was tut Lok? Sie lässt sich vorne runterfallen – wieder alle 84 Tonnen, noch immer mit mir auf dem Holzhocker.
Was sagt Leistungssteuerung? "Jetzt geht's ja wieder". Also schalten wir 7500 PS auf die Motoren - hü.
Schleuderschutz: "So nicht" – hott.
Effekt – siehe Überschrift.

Zwischendurch spielt noch der Lokführer mit: Er grümmelt irgendwas, reißt den Z-Hebel zurück – also doch keine 7500 PS. Dann wieder hoch – wir wollen ja weiterkommen.
Das Hü-Hott ist also nicht so richtig regelmäßig, sondern noch mit persönlicher Note ...
Er hat keinen Zughaken abgerissen (das hat ein Lokführer mit einer 1044 am Arlberg geschafft – der Haken war aber wohl angerissen), aber ich denke, auch im ersten Wagen muss man den Galoppritt noch gespürt haben ...

Die Geschichte geht noch weiter: Am Ende des Gasteinertales kommen die zwei Klammtunnel. Der zweite Tunnel mündet, ein paar hundert Meter über dem Talboden, in das Salzachtal. Die Eisenbahn beginnt schon im Tunnel eine Rechtskurve, damit sie dann am rechten Hang oberhalb von Lend bis nach Schwarzach-St.Veit hinunterführt. Die Kurve hat eine Beschränkung auf 60 oder 65, wenn ich mich nach den fast 30 Jahren richtig erinnere ... Jedenfalls brettern wir da hinein, mit ein paar kmh mehr als günstig. So macht man das beim Rodeo.
84 Tonnen Stahl fahren (Newtonsche Gesetze? Erstes!) gerade aus. Irgendwann läuft der Spurkranz der Führungsachse an – die Lok wird, ziemlich heftig, hinübergewuchtet. 84 Tonnen ... wie schon etwas öfter angemerkt. Der Holzhocker macht das mit. Ich auch.
Es geht wieder gerade aus. Dann wieder Anlaufen, wieder Wuchten, wieder ...
Emotional spannend war's nach dem Tunnelende: Ich hatte wirklich bei jedem Geradeausfahren das Gefühl, dass wir gradaus ins Salzachtal runterstürzen. Immer wieder kam das rettende Rüberwuchten.

Kleinigkeit noch in Loifarn – auf der halben Strecke nach Schwarzach: Dort stand doch tatsächlich ein 60er. Aussage Lokführer: "Bis gestern waren das aber noch 65!" So ist er dann auch gefahren. Gestern ist er ja auch noch durchgekommen.

In Schwarzach bin ich dann ausgestiegen.

Irgendwann muss man ja anfangen ...

Ich bin ein Stellwerk-Freak. Stellwerke? Die Dinger bei der Eisenbahn, die keiner kennt: Wo irgendjemand es irgendwie hinkriegt, dass die Züge auf die richtigen Gleise fahren, zur richtigen Zeit, ohne dass es kracht. Nein, ich erzähle jetzt nicht, wie Stellwerke funktionieren. Ich erzähle auch nicht, wie eine Eisenbahn überhaupt funktioniert. Ich erzähl für Leute, die das entweder schon wissen oder denen es nicht so wichtig ist, Geschichten, die ich so erlebt habe, als ich in jungen Jahren Eisenbahnen abgegrast habe - vor allem in Österreich, wo ich herkomme, aber auch sonstwo.

Ich bin kein Eisenbahner, und war auch nie einer. Mein Geld verdien ich mit Software-Schreiben (ganz genau nenne ich mich "Software-Architekt"), daneben arrangiere ich seit 10 Jahren Drehorgelmusik (www.haraldmmueller.de), und außerdem hab ich Familie (3 Kinder) + Haus in der Müncher Gegend. Aufgewachsen bin ich allerdings in Osttirol, und dann war ich mehr als 20 Jahre in Wien; dort hab ich mich mit einer Frau verheiratet, deren Bruder sich dann später netterweise entschieden hat, Fahrdienstleiter zu werden - jetzt macht er schon länger Simulation von Eisenbahnen bei der ÖBB (das, was diese Schweizer Firma nun für S21 machen soll ...) ... Außerdem interessier ich mich noch immer für Physik und Mathematik - was womöglich in manchen Geschichten mich auf Seitengleise führt ... Aber das reicht jetzt als Einführung, oder? Das nächste Posting ist dann eine Geschichte - eine, die ich schon oft erzählt habe!