Donnerstag, 29. März 2012

Stellwerksanlagen im Drautal

1983 begann die Modernisierung der Drautalstrecke, die später in die Elektrifizierung mündete. Ich habe am 16.2.1983 eine Reihe von Stellwerken aufgenommen – manche noch im alten Zustand, manche schon neu.

Sillian

Sillian hatte damals schon ein neues "212er" Mittelstellwerk bekommen:
  • Während in Klaus die elegantere hellgrüne Schlaglack-Lackierung zum Einsatz gekommen war, war es hier wieder die klassische dunkelgrüne Variante.
  • Die Ff-Felder sind hier (ziemlich sicher) Wechselstrom-Gleichstromfelder, die manuell geblockt, aber von Zug durch Befahren einer "isolierten Schiene" entblockt werden ("isolierte Schiene" schreibe ich hier unter Anführungszeichen, weil das die Bezeichnung für ein Zusammenwirken einer Schienenisolierung mit einem Schienenkontakt ist – also mehr als ein Stück isolierter Schiene!).
  • Am Ostende des Bahnhofs (also weit weg von der Fahrdienstleitung) gab es zwei Anschlussweichen 1A und 52 mit Gleissperrschuhen. Dafür war ein Za-Feld vorhanden, dem ein Ze-Feld im "ZP1" ("Zustimmungsposten 1"?) entsprach.
  • Obwohl die Weiche 3 in dasselbe Ladegleis wie die Weiche 52 führte, war hinter ihr kein Gleissperrschuh angeordnet. Der Grund ist wohl, dass der Bahnhof leicht im Gefälle liegt und Waggons freundlicherweise nicht gegen die Schwerkraft davonrollen.
  • Eine Knagge "Zw Sp" für "zeitweilige Sperre" (was früher "Nachtsperre" hieß) dient dazu, alle Elemente in der Grundstellung festzulegen.
  • Die Weichenknaggen werden hier interessanterweise zum Stellen der Weichen um 45° umgelegt, wie man an den Knaggen für die W53 und W54 sieht. Bei späteren Ausführungen, wie der in Groß Weikersdorf (Fotos von 1983) oder in Fels (Fotos von 2012), wurde die Rastenscheibe um 45° verdreht montiert, und die Weichenknagge muss um 90° in die Waagerechte umgelegt werden.
Bei sporenplan.nl gibt es diesen passenden Gleisplan.

Mittelstellwerk "212", Sillian, 16.2.1983

Mittelstellwerk "212", Sillian, 16.2.1983

Als Reminiszenz an frühere Zeiten hier noch ein etwas unscharfes Bild von einer Zugskreuzung am Innichner Bahnhofskopf – man sieht das alte, alleinige, einflügelige Gruppenausfahrsignal:

2 mal 2043 und das alte Ausfahrsignal Richtung Innichen, Sillian, 1979

Oberdrauburg

In Oberdrauburg stand damals noch eine mechanische Anlage. Bei sporenplan.nl gibt es einen passenden Gleisplan.
Das Stellwerk ist schon eine ziemlich interessante kleine Anlage:

In der Fahrdienstleitung stand ein Stellwerk der Bauart 5007, eine interessante Mischung aus Mittelstellwerk und Befehlswerk. Da die ganze Strecke zu Südbahnzeiten SBW500-Stellwerke hatte, ist diese Anlage sicher bei einem späteren Umbau errichtet worden – und vielleicht wurden auch erst zu diesem Zeitpunkt Endstellwerk und Befehlswerk in der Fahrdienstleitung zusammengefasst.
  • Die "Zwitterrolle" sieht man schön an den Blockfeldern: Richtung Spittal-Millstättersee Ba/Fa/Ba, also die üblichen Befehlsfelder; Richtung Lienz Ff/Fa, entweder (wie in Sillian) vom Zug aufgelöst oder noch nach der älteren Version von einem Schlüsselschalter am Bahnsteig. Nett ist übrigens das Wort "und" unter dem Fa-Feld – üblicherweise stand hier "v.u.n.", weil "Fa und Abzw. Lendorf" ja nicht wirklich vernünftiges Deutsch ist.
  • Die Weiche 1 war noch fernbedient und mit Riegel, weil Zugskreuzungen auf dieser eingleisigen Strecke nicht selten waren. Die Weichen 2 und 3 allerdings waren (im Zuge des Umbaus?) auf schlüsselgesperrtes ortsbedientes Umstellen umgebaut worden.
  • Die Schriftart und auch die Bezeichnung "Zeitw.Sp." (statt "Nachtsperre" oder "N.Sp.") lassen darauf schließen, dass dieser Umbau nicht allzulange her gewesen sein kann.
  • Richtung Lienz standen schon Lichtsignale, die über Knaggen auf der Hebelbank (A und H) gestellt wurden:
  • Interessant ist die Anordnung der Fahrstraßen-Knaggen (und damit der Fahrstraßenschieber im Schieberkasten): Jene für die Befehlsabgabe zum Stellwerk befanden sich im unteren Schieberkasten, jene für den Verschluss Richtung Lienz aber, wie für einen Stellwerksapparat üblich, im oberen:

Blockapparat und Hebelbank Fdl, Oberdrauburg, 16.2.1983

Blockapparat Fdl, Oberdrauburg, 16.2.1983

Für die Signalanzeige und die Ersatzsignale sowie für die Bedienung der zwei Schrankenanlagen gab es ein "ÖBB-Stellpult":

Signalpult Fdl, Oberdrauburg, 16.2.1983

Der Bock der Weiche 3 vor der Fahrdienstleitung war direkt an die Wand gebaut, vermutlich damit niemand drüberstolperte. Das Gewicht war deshalb parallel zur Wand umzustellen (oder – bei dieser Bauart – eigentlich "umzuschwingen"), und deshalb war zur eigentlichen Weiche hin ein Winkelhebel eingeschaltet, der sich in dem Blechkasten verbirgt:

Weiche 3, Oberdrauburg, 16.2.1983

Beim Gang zum Stellwerk ist mir in winterlicher Landschaft die 2043.64 mit dem Sammler begegnet:

2043.64 vor dem Sammler 78050, Oberdrauburg, 16.2.1983

Im Stellwerk stand noch die originale SBW500-Anlage, allerdings schon arg kannibalisiert: Nur mehr ortsbediente Weichen, daneben noch die 3 Hebel für das Gruppenausfahrsignal R1-5 und Einfahrhaupt- und -vorsignal:

Stellwerk, Oberdrauburg, 16.2.1983

Auf der folgenden Aufnahme sieht man, wo am "halbstelligen Hebel" die Handfallenstange einkuppelt, um den Hebel freizugeben:

Signalhebel Stellwerk, Oberdrauburg, 16.2.1983

Hebelbank Stellwerk, Oberdrauburg, 16.2.1983

Auch am Stellwerk war der Blockapparat ein Zwitter: Für die Einfahrt war die übliche Kombination Be+Ts vorgesehen, d.h. es gab isolierte Schienen auf den Bahnhofsgleisen, die über das Tastensperr-Feld die Befehlsrückgabe freigaben. Für die Ausfahrt gab es nur ein "nacktes Be-Feld", das offenbar ohne Zugmitwirkung frei blockbar war (das Signal musste natürlich schon auf Halt zurückgestellt sein). Die Annahme war vermutlich, dass bei einer Ausfahrt nicht allzuviel schiefgeht, wenn der Befehl zurückgegeben wird (außer dass bei einer Umstellung einer Weiche unter dem noch ausfahrenden Zug der Hebel dem Stellwerker brutal aus der Hand gerissen wird, wenn der Zug die Weiche auffährt).

Blockapparat Stellwerk, Oberdrauburg, 16.2.1983

Der Gleisanzeiger für 3 Gleise ist SBW500-Standard – darunter sind die Hebelersatzschlösser angeordnet:

Gleisanzeiger und Hebelbank im Stellwerk, Oberdrauburg, 16.2.1983

Zum Schluss noch Fotos vom Neubau der Draubrücke. Die alte Bücke hatte schon längere Zeit eine Langsamfahrstelle erfordert, und spätestens mit der Elektrifizierung wäre sie unbrauchbuar geworden:

2043 fährt auf die alte Draubrücke, Oberdrauburg, 1979

Die neue Brücke ist definitiv imposanter:

Alte und neue Draubrücke, 2043.68 mit 4622, Oberdrauburg, 16.2.1983

Alte und neue Draubrücke, Oberdrauburg, 16.2.1983

Dölsach 

Das Stellwerk von Dölsach haben wir zuletzt gesehen, als die Einfahrsignale noch Formsignale  waren. Nun hatte Lienz sein "neues 5007er"-Stellwerk bekommen, und im Zuge dessen gab es am Dölsacher Mittelstellwerk in der Fahrdienstleitung drei Umbauten:
  • Es war ein ZG-Block in Betrieb genommen worden (Anmerkung: Ich hatte das Gerücht gehört, dass das kein "vollwertiger Streckenblock" war. Aber die Bedienelemente in Dölsach – Rückblocktaste RBL, Richtungswechseltaste RWT – machen es schon sehr unwahrscheinlich, dass hier entwas anderes als ein normaler ZG irgendeiner Bauform eingebaut war).
  • Da mit dem ZG nun die Ausfahrten aus Dölsach von Lienz aus gesperrt werden konnten, war das Za-Feld für die Anschlussbahn zum Verbund verschwunden – es gab nun eine direkte Verbindung von Lienz zu einem Blockfeld bei der Anschlussbahn.
  • Auch die Einfahrsignale waren nun Lichtsignale.
Bei sporenplan.nl gibt es diesen Gleisplan von 1983.

Mittelstellwerk, Dölsach, 16.2.1983

Hier sehen wir das Stell- und Anzeigepult bei einer Durchfahrt von Oberdrauburg nach Lienz. Alle Signale wurden mit Tasten von diesem Stellpult gestellt. Wie üblich musste dabei nur mit SGT (Signalgruppentaste) und jeweiliger Signaltaste das Signal freigestellt werden. Auf Halt fiel es von selber, wenn der Zug die Zugschlussstelle befuhr (die dann beim Verlassen auch das Fa-Feld entblockte, sodass damit die Fahrstraßenfestlegung aufgehoben werden konnte):

Mittelstellwerk, Dölsach, 16.2.1983

Kurz später ist der Zug von Oberdrauburg eingefahren, wie die zwei rechten Blockfeler zeigen: Das Fa-Feld ist auf weiß gesprungen und dann vom Fahrdienstleiter geblockt worden. Dadurch wurde es wieder schwarz ("Auflösung gesperrt" = keine Auflösung mehr möglich), zugleich wurde das Ff-Feld weiß = Fahrstraße nicht festgelegt, die Weichen sind bedienbar. Auf der Ausfahrseite Richtung Lienz (linke zwei Felder) ist das Ff-Feld aber noch grün = geblockt = die Fahrstraße ist festgelegt, und das zug-gesteuerte Fa-Feld ist noch nicht auf weiß gesprungen, sodass noch keine Fahrstraßenauflösung möglich ist:

Mittelstellwerk, Dölsach, 16.2.1983

Steinfeld

Mein letzter Besuch an diesem Tag galt dem Bahnhof Steinfeld, wo noch die vollständige originale SBW500-Anlage mit Formsignalen vorhanden war. Ein Gleisplan mit dem Anschluss zum Möbelwerk liegt bei sporenplan.nl hier.

Am Befehlswerk in der Fahrdienstleitung sieht man die kümmerliche Ausstattung mit Knaggen: Da Steinfeld nur zwei Hauptgleise hatte, genügte je Bahnhofskopf und Richtung eine Knagge jeweils für Gleis 1 und 2. Die Felder waren die üblichen für diese Strecke: Ba für jede Richtung und Bahnhofskopf, Fa einmal je Bahnhofskopf:

Befehlswerk Fdl, Steinfeld, 16.2.1983

Drei Weichen mit zwei Sperrschuhen waren vorhanden:

Befehlswerk Fdl, Steinfeld, 16.2.1983

Gleissperrschuh im Gleis 5 beim Stellwerk 2:

Gleissperrschuh, Steinfeld, 16.2.1983

Im Stellwerk 2 endlich einmal nicht die Grundstellung: Hier sieht man eine Ausfahrt nach Spittal vom Gleis 1 – ich beschreibe die Elemente in der Reihenfolge, wie sie zeitlich ihren Zustand geändert haben:
  1. Das linke Be-Feld entblockt = weiß ("Befehl ist empfangen")
  2. Am Gleisanzeiger (folgendes Foto) ist "1" sichtbar.
  3. Die Weichen stehen alle in der Grundstellung.
  4. Die Fahrstraßenknagge unter dem Gleisanzeiger legt die Weichen mechanisch fest.
  5. Das Ff-Feld ist geblockt = grün ("Fahrstraße ist festgelegt")
  6. Die Knagge R1 für die mechanische Signalfreigabe ist umgelegt – eine Eigenheit der SBW500-Stellwerke.
  7. Der Signalhebel für R1 steht nach oben, d.h. das Signal steht auf "frei".
  8. (Das Ts-Feld – Tastensperre – neben dem entblockten Be-Feld ist noch nicht durch den Zug entblockt = durch die Doppeltaste Be+Ts kann der Befehl noch nicht zurückgegeben werden: Es ist dazu Zugmitwirkung erforderlich!)

Blockapparat, Stellwerk 2, Steinfeld, 16.2.1983

Gleisanzeiger, Stellwerk 2, Steinfeld, 16.2.1983

Hier sieht man nocheinmal das ganze Stellwerk in der Stellung für diese Ausfahrt:

Stellwerk 2, Steinfeld, 16.2.1983

Eine Stunde späte wurde gerade am Stellwerk 1 eine Einfahrt gestellt. Prüfungsfrage für Interessierte: Was ist hier gerade passiert? und was wird als nächstes passieren? Wer's weiß, kann mir gerne eine EMail an harald_m_mueller@gmx.de schreiben – und wer nicht, auch!

Blockapparat, Stellwerk 1, Steinfeld, 16.2.1983

Hier ist die Einfahrt nun freigestellt, Einfahrsignalhebel und Einfahrvorsignalhebel sind dazu aus der unteren Grundstellung nach oben umgelegt:

Blockapparat und Hebelbank, Stellwerk 1, Steinfeld, 16.2.1983

Und hier kommt der Zug:

2043 mit 50095 ("Schnellgüterzug"), Steinfeld, 16.2.1983

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