Montag, 31. Dezember 2012

Wie läutet der Kleeblatt-Schrankenantrieb der Südbahnwerke?

Im letzten Posting zum Kleeblattantrieb (oder eigentlich "Vorläutewerk") ist in den Kommentaren die Frage aufgetaucht, wie das funktioniert, dass vor dem Schließen des Schrankens die Glocke schlägt, nicht aber beim Öffnen. Die entsprechende Mechanik habe ich auch noch nie "live" gesehen. Man kann sie aber, wenn man Konstruktionszeichnungen lesen kann, direkt aus der alten Zeichnung im Röll entnehmen. Weil aber Animationen so ... belebend sind, habe ich mir die Zeit gegönnt, dafür auch noch eine zu fabrizieren!

Hier ist zuerst der Ausschnitt aus der Zeichnung im Röll, wobei ich die wichtigen Teile eingefärbt habe:
  • Das Vorläuterad ist grün.
  • Ein kleiner waagrechter Hebel ist hellblau, mit einem dunkelblauen Quersteg.
  • Daran ist ein kleiner senkrechter Hebel mit einem Rad unten montiert, der ebenfalls blau ist. Gemeinsam bilden die zwei blauen Hebel einen "Doppelhebel".
  • Und nach oben geht der Stößel, der die Klöppel an die Glocke schlagen lässt.


Die folgende Animation zeigt den Zusammenbau der Teile des ganzen Läutewerks:




Nun beginnen wir mit dem Schließen des Schrankens:
  • Der Doppelhebel wird durch die steigende Flanke jedes Vorläutezahns nach oben gehoben.
  • Auf der fallenden Flanke jedes Zahns "klappt er ein" und lässt dadurch den Stößel herunterfallen.
  • Die Klöppel schwingen dadurch nach außen, federn ein wenig durch und schlagen an die Glocke. Durch ihr Zurückfedern berühren sie die Glocke gleich darauf nicht mehr, sodass diese frei schwingen kann und kraftvoll tönt.
  • Beim jedem weiteren Zahn wiederholt sich das Spiel.




Beim Öffnen des Schrankens hingegen läutet die Glocke nicht:
  • Jeder Zahn schiebt den unteren Teil des Doppelhebels nach rechts.
  • Aber sonst passiert nichts – der obere Teil des Doppelhebels bewegt sich nicht (oder kaum), dadurch wird der Stößel nicht bewegt.




Wieso hört man manchmal auch beim Öffnen einen einzelnen Glockenschlag? Der Doppelhebel kann bei geschlossenem Schranken ziemlich weit oben auf einem Zahn stehen. Das Anlaufen des Vorläuterads erfolgt nicht gleichmäßig, sondern der Drahtzug spannt sich und reißt es dann ziemlich los (das sieht man auf dem Video aus dem letzten Posting beim Schließen). Dadurch fällt der Doppelhebel doch ziemlich schnell über die fallende Flanke des Zahns nach unten und kann dadurch noch einen Schlag auslösen – der aber manchmal auch deutlich leiser ist als die eigentlichen Vorläuteschläge, weil der Stößel samt Doppelhebel nicht frei fällt, sondern der Hebel eben über die fallende Flanke des Zahnes nach unten läuft.

Nun habe ich, glaube ich, alle Geheimnisse des Kleeblattantriebs (oder eigentlich Kleeblatt-Vorläutewerks) aufgedeckt. Leider sind nur mehr wenige dieser Apparate in Betrieb – bald werden sie alle abgebaut sein, und diese nette mechanische Problemlösung ist dann, wie so viele andere Mechaniken, für immer verschwunden.

Update: Hier habe ich nun einige Videos und Fotos eines solchen Schrankenantriebs in Fels am Wagram gepostet.

Sonntag, 30. Dezember 2012

Wien Donaukaibahnhof, 1986

Vier Tage nach meiner Allerheiligenfahrt 1986 habe ich vier Wiener Bahnhöfe entlang der Donau (mehr oder weniger) besucht:
In der Brigittenau habe ich zufällig zwei Fotos von einer Klinkprobe aufnehmen können – es braucht aber noch ein paar Postings bis zu diesen Fotos.

Am Donaukaibahnhof befand sich an der Südseite ein Befehlsstellwerk, am Nordende ein Endstellwerk, beide mit Anlagen der Bauart 5007. Die Gleisanlage des Bahnhofs mit seinen sechs Hauptgleisen ist etwas "verbogen":
  • Die ehemalige Hauptstrecke über den Alberner Hafen nach Oberlaa und Maxing ist ja seit 1945 unterbrochen, auf ihr fanden – und finden – nur mehr (allerdings häufige) Bedienungsfahrten für den Hafen statt.
  • Am Südende fanden und finden Zugfahrten über die Schleife Richtung Erdberg statt, was allerdings nur von den Gleisen 1, 2 und 4 möglich ist. Hier führt übrigens jede Ein- und Ausfahrt über eine DKW mit entsprechend erhöhten Erhaltungskosten,
  • Am Nordende verlässt seit "immer schon" die zweigleisige Donauuferbahn den Bahnhof:


Am Donaukaibahnhof fand relativ umfangreicher Verschub statt, weil hier die Strecke zum Alberner Hafen mündet, die damals noch nicht elektrifiziert war. Die Weichen beim Befehlsstellwerk waren alle ortsbedient. Hier sieht man die Stellwerksanlage, mit folgenden Teilen:
  • Auf der Hebelbank finden sich nur vier Hebelersatzschlösser. Zwei davon sind für die Weichen 1 und 4, die anderen beiden sind für Fahrstraßenschlüssel für die drei möglichen Fahrten auf der Strecke zur Erdbergerlände: "Gl.1g.El." = "Gleis 1 gegen Erdbergerlände", "Gl.2g.El." und "Gl.4g.El.".
  • Rechts sieht man das Zentralschloss für diese Fahrten, über das die Weichen 11 bis 14 festgelegt wurden.
  • Am Blockapparat gab es ganz links ein Zustimmungsfeld für eine Anschlussbahn hinter dem Handelskai, dann die vier Felder für die zweigleisige Strecke Richtung Donauuferbahnhof und zuletzt ein Gleichstrom-Wechselstromfeld für die Fahrstraßenfestlegung am Befehlsstellwerk:

Hebelbank, Blockapparat und Zentralschloss, Fdl, Wien Donaukaibahnhof, 5.11.1986

Hier sieht man die Signalbedienungstafel etwas genauer. Weil die Strecke zum Hafen Teil des Bahnhofs ist und daher nur von Verschubfahrten befahren wird, gibt es dort kein Einfahrsignal, sondern das Verschubsignal V1. Trotzdem ist an der Strecke zum Hafen als Endpunkt "Maxing" angeschrieben. Nur an der Strecke von der Erdbergerlände her steht ein Einfahrsignal mit Bezeichnung B – ich glaube nicht, dass es sonst noch einen Bahnhof gab, der kein Einfahrsignal A, aber ein Einfahrsignal B hat:

Hebelbank, Signalanzeige und Blockapparat, Fdl, Wien Donaukaibahnhof, 5.11.1986

Der Schranken über den Handelskai, bei dem 4 Jahre vorher die Schrankenbäume noch von Hand heruntergeklappt wurden, weil er nicht einmal eine Kurbel hatte, war nun elektrisch angetrieben:

Schrankenüberwachung, Fdl, Wien Donaukaibahnhof, 5.11.1986

Hier sieht man das Bahnhofsgebäude, das rechts die Hausnummer "Handelskai 427" trägt. Interessant ist das Schutzgeländer vor der Eingangstür, das wohl verhindern soll, dass jemand gedankenlos in einen vorbeifahrenden Zug läuft ...

Bahnhof, Wien Donaukaibahnhof, 5.11.1986

Als nächstes habe ich mich auf den Weg zum Stellwerk 2 aufgemacht. Hier sieht man es etwas versteckt unter der Praterbrücke, während links ein Güterzug ausfährt. Sämtliche Signale dieses Bahnhofskopfes hatten nur einen Flügel – wir sehen gleich zwei der éntsprechenden Umbauten. Das Ausfahrsignal R2 allerdings, ein deutsches Einheitssignal, das hier im Hintergrund auf Frei steht, war immer schon einflügelig. Interessant sind auch die Gruppenpfeifpflöcke in der Nähe der Ausfahrsignale:

1042.5 mit einem Güterzug, Stellwerk 2, Wien Donaukaibahnhof, 5.11.1986

Wenn man sich das Ausfahrsignal R4-10 genauer ansieht, sieht man, dass hier noch eine Achse für den zweiten Flügel vorhanden ist, und auch der Lampenschlitten hat eine Aufnahme für eine zweite Signallampe:

Ausfahrsignal R4-10, Wien Donaukaibahnhof, 5.11.1986

Sehr ungewöhnlich sieht allerdings das Einfahrsignal aus: Es war einmal ein zweiflügeliges österreichisches Signal mit durchbrochenen Flügeln. Diese wurden wie an vielen Stellen gekappt und mit Aufsetzflügeln in Löffelform versehen. Irgendwann wurde das Signal dann aber auf einflügelig umgestellt – und dazu hat man einfach am unteren Flügel den Aufsetzflügel abmontiert, sonst aber alles gleich gelassen:

Einfahrsignal Z, Wien Donaukaibahnhof, 5.11.1986

Einfahrsignal Z, Wien Donaukaibahnhof, 5.11.1986

Wurde nun aber bei Fahrten in die Ablenkung der untere Flügel weiterhin mitgestellt, oder war die Sicherungsanlage so umgebaut worden, dass das Signal auch für diese Fahrten einflügelig freigestellt wurde? Um diese Frage zu beantworten, marschieren wir auf das Stellwerk. Dort sieht man im Hintergrund einen nach oben stehenden Signalhebel – das könnte der zweite Hebel eines Doppelstellers sein, sodass also zweiflügeliges Freistellen möglich wäre:

Hebelbank und Blockapparat, Stw.2, Wien Donaukaibahnhof, 5.11.1986

Wenn wir aber näher an den Blockapparat herangehen, sehen wir, dass hier eine Einfahrt gestellt ist (Be-Feld von Nußdorf ist weiß, Ff-Feld geblockt), und der nach oben stehende Signalhebel ist also der des auf Frei stehenden, einflügeligen Einfahrsignals:

Blockapparat, Stw.2, Wien Donaukaibahnhof, 5.11.1986

Zu diesem Einfahrsignal gab es auch ein Vorsignal, das allerdings üblicherweise nicht freigestellt wurde. Dieses Vorsignal habe ich nicht aufgenommen – man sieht aber seinen Hebel auf diesem herauskopierten, extrem vergrößerten Detail des vorletzten Bildes:

Detail der Signalhebel (außer Z), links außen z, Stw.2, Wien Donaukaibahnhof, 5.11.1986

Auf der (leider unscharf aufgenommenen) Hebelbank sieht man, dass zwei der Weichen mit Madnerhebeln gestellt wurden – die übrigens verschieden lange Griffe hatten! – während alle anderen Weichen wie am Befehlsstellwerk ortsbedient und schlüsselgesperrt waren:

Hebelbank, Stw.2, Wien Donaukaibahnhof, 5.11.1986

Diese Weiche mit einer "Gewichtfallbeschränkung" habe ich schon in einem der Postings über Weichengewichte beschrieben:

Weiche, Wien Donaukaibahnhof, 5.11.1986

Und zuletzt noch ein Bild des Stellwerks unter der Praterbrücke. Links steht das Spannwerk für das eine Reichsbahn-Ausfahrsignal R2:

Stellwerk 2, Wien Donaukaibahnhof, 5.11.1986

Mittwoch, 26. Dezember 2012

Der Kleeblatt-Schrankenantrieb der Südbahnwerke

Dieses Posting erklärt mit einer Reihe von Animationen, wie der "Kleeblatt"-Schrankenantrieb der Südbahnwerke funktioniert. (Ergänzung: Hier habe ich nun einige Videos und Bilder eines solchen Antriebs hingestellt.)

Das Problem, das dieser Schrankenantrieb löst, ist das folgende:
Bevor sich die Schrankenbäume senken, muss für eine gewisse Zeit (die "Vorläutedauer") die Schlagglocke des Schrankens läuten. Erst dann dürfen sich die Schrankenbäume senken.
Nun könnte man dieses Problem dadurch lösen, dass man zwei Antriebe, mit zwei Schrankenkurbeln vorsieht: Zuerst bedient der Schrankenwärter eine Zeitlang den "Läuteantrieb", dann erst den "Baumantrieb". Das hat aber viele Nachteile, darunter:
  • Es gibt keine erzwungene Vorläutezeit.
  • Der Aufwand für die Drahtzugleitungen verdoppelt sich.
Der Kleeblattantrieb der Südbahnwerke löst das Problem stattdessen so:
  • Die Schrankenkurbel bewegt über die Drahtzugleitung das Vorläuterad, das zuerst nur die Glocke betätigt.
  • Nach etwa einer halben bis eineinhalb Umdrehungen dieses Vorläuterads wird über das "Kleeblatt" das Schrankenrad dazugekuppelt und senkt nun die Schrankenbäume.
Ein Beispiel für diesen Ablauf sieht man im folgenden Video aus diesem Posting von Fels am Wagram:

Kleeblattantrieb, Fels, Juni 2012

Man sieht ganz offensichtlich, dass am Ende der Vorläutedauer sich "irgendwas dreht", und dann gehen die Schrankenbäume herunter. Aber wieso dreht sich dieses Ding gerade dann, und was tut es?

Der Aufbau des Antriebs


Hier ist zuerst einmal ein altes Bild aus der Röll'schen Enzyklopädie, das den Antrieb zeigt (Quelle: http://www.zeno.org – Zenodot Verlagsgesellschaft mbH):


Wirklich schlau wird man daraus nicht, wenn man nicht schon weiß, wie das alles funktioniert. Also schauen wir uns den Antrieb genauer an. Dazu markieren wir zuerst am folgenden Bild seine wichtigen Teile:
  • Das Vorläuterad, das direkt von der Schrankenkurbel (oder einem Elektroantrieb) her bewegt wird, ist grün markiert.
  • Das Schrankenrad ist rötlich markiert; es ist fest mit der Kurbelwelle im Vordergrund verbunden, die den Schrankenbaum bewegt. Zusätzlich wird es noch von einer Kette umschlungen, die unter dem Gleis hindurchgeht und den gegenüberliegenden Schrankenbaum antreibt.
  • Auf dem Schrankenrad sitzt das rot markierte drehbare Sperrstück.
  • Der Verriegelungskranz (der Rand der Verriegelungsscheibe) ist blau markiert.

Kleeblattantrieb, Fels, Juni 2012

Hier ist dasselbe Bild noch einmal ohne Farbmarkierungen, damit man sieht, wie diese Teile in der Realität aussehen:

Kleeblattantrieb, Fels, Juni 2012

Allerdings sieht man auf diesen Bildern das zentrale Teil des Antriebs nicht, nämlich das namensgebende "Kleeblatt". Dazu habe ich eine Animation gebaut, die den Zusammenbau der wichtigen Antriebsteile zeigt. In dieser Animation (und auch den folgenden) habe ich viele Teile weggelassen:
  • Oberhalb des (grünen) Vorläuterads fehlt die Mechanik zum Läuten.
  • Am (orangen) Schrankenrad ist nur ein kurzes Stück der Kurbel angedeutet, die den Schrankenbaum bewegt; der Schrankenbaum ist gar nicht gezeigt (er stört nur :-)).
  • Alle festen Teile des Antriebs mit Ausnahme des Verriegelungskranzes und zweier Anschläge sind weggelassen. Den oberen Anschlag gibt es in Wirklichkeit so nicht – stattdessen wirkt hier auch der untere Anschlag über die Stange, die den Schrankenbaum hebt (siehe die Bilder oben); zum Erklären geht es so aber leichter.
  • Außerdem habe ich das Schrankenrad "halb durchsichtig" gezeichnet – man sieht daher dahinter auch die Bewegungen des Mitnehmerzapfens und des Kleeblatts.
Hier ist ein schematisches Bild des Antriebs im zusammengebauten Zustand:

    Die blauen runden Teile am Ende des Verriegelungskranzes sind zwei kleine Räder, die einerseits die Bewegung des Sperrstückes erleichtern, andererseits aber auch das Sperrstück bei langen Vorläutedauern festhalten – dazu später mehr.

    Damit dieses Bild klarer wird, bauen wir den Antrieb nun der Reihe nach zusammen ⇒ bitte die Animation abspielen.


    Das folgende Bild zeigt den Antrieb nocheinmal von der Seite gesehen. Man sieht, wie die einzelnen Teile im Antrieb angeordnet sind:

    Der Schranken geht zu


    Nun wird es spannend: Wir kurbeln den Schranken zu. Über die Drahtzugleitung wird das Vorläuterad gleichmäßig bewegt ... ⇒ Bitte die Animation starten.


    Ist das nicht elegant? Hier noch einmal das ganze zum Mitlesen (wenn man mit der Pause-Taste die Animation immer wieder anhält und weiterlaufen lässt, kann man sich die Vorgänge im Detail ansehen):
    • Während des Vorläutens dreht sich nur das Vorläuterad. Das Sperrstück greift unter das rechte Rad am Verriegelungskranz, sodass sich das Schrankenrad nicht drehen kann.
    • Wenn der Mitnehmerzapfen ins Kleeblatt eingreift, wird dieses samt dem Sperrstück verdreht.
    • Nach etwa einer Viertelumdrehung schlägt das Sperrstück oben auf den Verriegelungskranz auf, sodass sich das Kleeblatt nicht mehr weiterdrehen kann.
    • Der im Kleeblatt "gefangene" Mitnehmerzapfen nimmt nun über das Kleeblatt das Schrankenrad mit ⇒ der Schranken schließt sich.
    • Nach einer halben Umdrehung schlägt die Kurbel am linken Anschlag an. Zugleich behindert nun der Verriegelungskranz das Sperrstück nicht mehr, sodass sich dieses samt Kleeblatt – angeschoben vom Mitnehmerzapfen – hinter den Verriegelungskranz einzudrehen beginnt.
    • Der Mitnehmerzapfen wandert aus dem Kleeblatt heraus und bewegt sich noch ein kleines Stück, bevor er zum Stillstand kommt.
    Man erkennt an diesem Ablauf, dass der Antrieb vom "Malteserkreuzgetriebe" inspiriert ist.

    Wie groß ist die Vorläutedauer bei diesem Ablauf? Das Vorläuterad hat 28 Vorläutezähne, und die Glocke schlägt ungefähr jede Sekunde. Eine Umdrehung des Vorläuterades dauert ganz grob 30 Sekunden (am Video von Fels sind es etwa 32 Sekunden). In der Animation oben läuft das Vorläuterad ungefähr eine halbe Umdrehung, bis es über das Kleeblatt den Schrankenbaum mitnimmt. Diese halbe Umdrehung entspricht also einer Vorläutedauer von etwa 16 Sekunden. Wenn man das Vorläuterad weiter vorne beginnen lässt, dann wird die Vorläutedauer entsprechend länger: Wenn der Mitnehmerbolzen zu Beginn zum Beispiel ganz oben steht, vergeht etwa eine Dreiviertelumdrehung bis zum Senken der Schrankenbäume, also etwa 24 Sekunden (32 · 3/4).

    Langes Vorläuten


    Man kann aber noch viel länger vorläuten lassen – und das geht so: Man stellt das Kleeblatt in der Grundstellung eine Drittel-Umdrehung weiter nach links! Die folgende Animation zeigt, was dann geschieht:


    Was ist diesmal passiert?
    • Wieder dreht sich zuerst nur das Vorläuterad (und läutet vor).
    • Wenn sein Mitnehmerzapfen das Kleeblatt erreicht, wird dieses mitgedreht.
    • Doch diesmal dreht es sich ohne Behinderung um eine Drittelumdrehung und lässt den Mitnehmerzapfen dann wieder frei! Das Schrankenrad bewegt sich bei dieser Aktion überhaupt nicht.
    • Danach steht das Kleeblatt samt Sperrstück so, wie wir es in der ersten Animation gesehen haben.
    • Das Vorläuterad dreht sich nun weiter, bis der Mitnehmerzapfen nach einer vollen Umdrehung ein weiteres Mal ins Kleeblatt läuft und nun den Schranken schließt.

    Dieser Bewegungsablauf ermöglicht es, dass das Vorläuterad annähernd zwei volle Umdrehungen machen kann, bevor es den Schrankenbaum zu schließen beginnt. Damit erreicht man also technisch eine Vorläutedauer von etwa 60 Sekunden! Wegen dieser zwei Umdrehungen ist es auch nicht möglich, nur aus der Stellung des Mitnehmerzapfens auf die Vorläutedauer zu schließen: Dazu muss man auch noch die Stellung des Sperrstückes wissen.

    Zwangsführung


    Eine letzte Eigenschaft dieses Antriebs ist noch wichtig: In praktisch allen mechanischen sicherungstechnischen Einrichtungen müssen die Einzelteile zwangsgeführt sein. Was bedeutet das? Es reicht nicht, ein mechanisches Teil in die gewünschte Position zu bringen – es muss auch sichergestellt sein, dass es dort bleibt. Sehen wir uns an diesem Antrieb an, wie das erreicht wird.

    In der Grundstellung haben wir folgende "Zwänge":
    • Das Vorläuterad wird über die Drahtzugleitung festgehalten.
    • Das Kleeblatt wird über die Verdrehsicherung in der Mitte des Vorläuterades festgehalten (das C-förmige Stück) – nur dafür ist diese Sicherung vorhanden!
    • Das Schrankenrad wird an der Bewegung nach links durch das Sperrstück gehindert, das am rechten Rad vor dem Verriegelungskranz ansteht; in der Grundstellung für das lange Vorläuten erkennt man, dass der Kranz alleine zu schmal wäre, um das Sperrstück an der Bewegung nach oben zu hindern! Nur das größere Rad verhindert hier diese Bewegung.
    • Das Schrankenrad wird an der Bewegung nach rechts durch die Schrankenbaum-Kurbel gehindert, die am Anschlag aufsitzt.


    Dieselben Zwänge sind auch während des Vorläutens wirksam. Wenn sich allerdings das Kleeblatt drehen soll (entweder um eine Drittel-Umdrehung bei langem Vorläuten; oder beim Ausdrehen aus dem Verriegelungskranz oder beim Eindrehen in diesen), dann lässt dies ein Ausschnitt an der Verdrehsicherung zu, der sich genau gegenüber dem Mitnehmerzapfen befindet (bitte dazu noch einmal die Animationen ansehen!).


    In der Schließstellung schließlich wirken folgende Zwänge:
    • Das Vorläuterad wird weiterhin über die Drahtzugleitung festgehalten.
    • Das Kleeblatt wird wieder über die Verdrehsicherung in der Mitte des Vorläuterades festgehalten. Wenn man sich das aber im Detail am nächsten Bild ansieht, erkennt man, dass das Kleeblatt nur am Zurückdrehen gehindert wird; es könnte sich aber ein Stück weiter drehen! Das scheint aber problemlos zu sein, weil der beim Schrankenöffnen zurücklaufende Mitnehmer das Kleeblatt "sich dann wieder richtig hindreht". Jedoch haben wir hier eine Situation gefunden, wo ein Teil des Antriebs nicht vollständig zwangsgeführt ist.
    • Das Schrankenrad wird an der Bewegung nach links durch das Anschlagen der Schrankenbaum-Kurbel am linken Anschlag gehindert; und an der Bewegung zurück durch das Sperrstück, das am linken Rad unter dem Verriegelungskranz ansteht.


    Ist das nicht eine wunderbare mechanische Konstruktion?!

    Jetzt fehlt eigentlich nur noch eine Erklärung des "anderen Endes", nämlich des Kurbelantriebs – der ja sicherstellen muss, dass der Schrankenwärter immer gleichmäßig die Kurbel dreht (damit die Vorläutedauer eingehalten wird), und dass er beim Öffnen des Schrankens immer die ganze Vorläutebewegung zurückkurbelt (ebenfalls, damit beim nächsten Schließen die volle Vorläutedauer eingehalten wird). Doch das ist eine andere Geschichte ... vielleicht komme ich einmal dazu, diese Mechanik auch darzustellen.

    Ergänzung: Wer sich dafür interessiert, wie ich die Animationen erstellt habe, kann das hier, hier und hier nachlesen. Zu der Frage im letzten Kommentar wegen des Nicht-Läutens beim Öffnen habe ich nun eine animierte Antwort erstellt!

    Guntramsdorf Südbahn, 1986

    Nach Brunn-Maria Enzersdorf und Mödling habe ich am Allerheiligenabend 1986 noch Guntramsdorf an der Südbahn besucht.

    Guntramsdorf Südbahn war eine Halte- und Ladestelle und hatte damals vielleicht noch ein Ladegleis. Ich bezweifle allerdings, dass in den achtziger Jahren hier noch zugestellt wurde – praktisch war Guntramsdorf ein Blockposten an der Südbahn. Hier sieht man die Hebelbank, die ein alleiniges Hebelersatzschloss für die Anschlussweiche 1 trägt. Allerdings fehlen sowohl in diesem Schloss wie auch in den beiden seitlich angebrachten Schlössern die Schlüssel, sodass sie keine Verschlussaufgaben wahrnehmen können. Es sieht also eher so aus, als ob die zugehörigen Weichen und Gleissperrschuhe nicht mehr gestellt werden konnten oder sogar schon abgebaut waren:

    Hebelbank, Guntramsdorf Südbahn, 1.11.1986

    Auf der (zu dunkel fotografierten) Schalttafel sieht man oben die Anzeigen für den ZG (Zeichengabestreckenblock) und die Signale (wobei beim z2 beide Lampen dunkel sind ...). Die diversen Batterieschalter darunter (Relais-Batterie, Lokale Batterie, ZG-Batterie) kann ich leider nicht erklären, da mir das Wissen über den Aufbau der Stromversorgung fehlt

    Update: Martin Aigner hat mir hier ein wenig Nachhilfe gegeben:
    • Relaisbatterie = Versorgung der Auflöseschiene (nicht erdfrei)
    • Lokalbatterie = Versorgung der Relaisanlage (erdfrei)
    • ZG-Batterie = Versorgung vom ZG62:

    Schalttafel und Signalanzeige, Guntramsdorf Südbahn, 1.11.1986

    Am Arbeitstisch stand noch ein kleines Bedienungspult für die Ersatzsignale – hier noch nach der alten V2 von vor 1980 als "Signal 29" bezeichnet:

    Stellpult für Ersatzsignale, Guntramsdorf Südbahn, 1.11.1986

    Zuletzt sieht man hier zu nächtlicher Stunde das Haltestellengebäude:

    Haltestellengebäude, Guntramsdorf Südbahn, 1.11.1986

    Sonntag, 23. Dezember 2012

    5007er mit eineinhalb Gleiswechselbetrieben: Mödling, 1986

    Von Brunn-Maria Enzersdorf bin ich an diesem Herbstnachmittag weitergefahren nach Mödling. Einen Gleisplan von Mödling kann man bei sporenplan.nl hier sehen.

    In Mödling stand eine übliche 5007er-Anlage mit Befehlswerk in der Fahrdienstleitung und Endstellwerken. Allerdings war hier Richtung Liesing vollständiger Gleiswechselbetrieb eingerichtet, was zu einer erheblichen Anzahl von Fahrstraßenknaggen führt. Auf der Wiener Neustädter Seite war ebenfalls beim rechten Streckengleis ein Einfahrsignal Y angeordnet. Allerdings konnte auf dieses Einfahrsignal signalgesichert nur auf Gleis 2 eingefahren werden, und der Streckenblock konnte bei einer solchen Fahrt nicht bedient werden.

    Auf dem Befehlswerk in der Fahrdienstleitung führten alle diese Fahrtmöglichkeiten zu folgenden Bezeichnungen untern den Blockfeldern:
    • "von od.nach Wien Südbf. über Strgl.1";
    • "von od.nach Wien Südbf. über Strgl.2";
    • "von od.nach Strgl.1 Mürzzuschlag" für alle Ausfahrten nach Mürzzuschlag sowie für die Einfahrt auf Gleis 2 auf Signal Y;
    • "von Strgl.2 Mürzzuschlag".
    Folgende Fahrtmöglichkeiten waren an den Fahrstraßenknaggen angeschrieben:
    • "von Wien Südbf. über Strgl.1" auf die Gleise 6, 4, 2, 1 und 3;
    • "von Wien Südbf. über Strgl.2" auf dieselben Gleise;
    • "nach Wien Südbf. über Strgl.2" aus den Gleisen 6, 4, 4K (Sch4 bleibt auf Halt), 2, 1 und 3;
    • "nach Wien Südbf. über Strgl.1" aus denselben Gleisen;
    • "über Strgl.1 nach Mürzzuschlag" aus den Gleisen 4, 2, 1 und 3;
    • "über Strgl.1 von Mürzzuschlag" in das Gleis 2;
    • "über Strgl.2 von Mürzzuschlag" in die Gleise 4, 4K (bis zum Sch4), 2, 1 und 3.

    Befehlswerk, Fdl, Mödling, 1.11.1986

    Die Signal- und Blockanzeige- und -bedienungstafel war wegen der Möglichkeiten zum Gleiswechselbetrieb auch größer als üblich. Wir sehen
    • zwei RWT (Richtungswechseltasten) Richtung Brunn-Maria Entersdorf, obwohl dort am ZG kein Gleiswechselbetrieb sichtbar ist! – das ist mir momentan sehr unklar ... vielleicht komme ich noch drauf, wie die Situation dort war ...
    • einzelne Signaltasten – sie dienen allerdings nur zum Stellen der Ersatzsignale auf den Hauptsignalen sowie am Schutzsignal Sch4; die reguläre Signalbedienung erfolgt von den Stellwerken;
    • die Anzeige des Verschubsignals V6-14; es wird über eine Knagge am Befehlswerk gestellt, was ziemlich unüblich ist.

    Signalanzeige und -bedienung, Fdl, Mödling, 1.11.1986

    Am Stellwerk 2 befand sich eine kurze Hebelbank, ohne freie Hebelplätze von abgebauten Formsignalen:

    Hebelbank, Gleisanzeiger und Blockapparat, Stw.2, Mödling, 1.11.1986

    Auf der Signalanzeige sieht man wieder, dass zwar ein Einfahrsignal Y für Einfahrten am rechten Streckengleis vorhanden war, dass aber der Streckenblock nicht direkt Gleiswechselbetrieb unterstützte. Links vom rechten Fahrstraßenfestlegefeld sieht man eine "übriggebliebene" Blocktaste, die auf ein abgebautes Zustimmungsfeld hindeutet:

    Blockfelder und Signalanzeige, Stw.2, Mödling, 1.11.1986

    Am folgenden Bild sieht man die Signalanzeige- und -bedientafel noch einmal. Man erkennt, dass die Zustimmungen vom Stellwerk für Fahrten auf Gleis 4 nicht mehr über Blockfelder, sondern über Tasten abgewickelt wurden:
    • ZE 4 für eine Einfahrt auf Gleis 4 – dazu musste am Stellwerk 1 die Mittelweiche im Gleis 4 festgelegt sein;
    • ZE 4K für eine Einfahrt auf Gleis 4 bis zum Schutzsignal Sch4 beim Stellwerk 1;
    • ZE 4n.M. für eine Ausfahrt aus Gleis 4 Richtung Mürzzuschlag – auch dazu musste am Stellwerk 1 die Mittelweiche festgelegt sein.
    Mit der Gruppentaste ZAGT konnte eine Zustimmung angefordert werden, mit der ZGRT erfolgte die Rückgabe einer Zustimmung, wenn sie nicht gesperrt war, was die rote Lampe "Zust.gesp." anzeigte. Ein- und Ausfahrten auf Gleis 6 waren auf dieser Bahnhofsseite nicht möglich, daher waren dafür auch keine Zustimmungen erforderlich.

    Signalanzeige, Stw.2, Mödling, 1.11.1986

    Die Schrankenanlage war, soviel ich mich erinnern kann, komplizierter als man glaubt: Mehrere Schrankenbäume sicherten sowohl ein Zufahrtsgleis zu mehreren Anschlussbahnen wie auch die Überquerung der Südbahn.

    Schrankenkurbeln und Hebelbank, Stw.2, Mödling, 1.11.1986

    Auf diesem Bild des Stellwerks sieht man links zwei der Schrankenbäume, die das Zufahrtsgleis sicherten:

    Stellwerk 2, Mödling, 1.11.1986

    In der Nähe des Stellwerks stand dieses Bahnwärterhaus, das wohl noch aus der Ursprungszeit der Südbahn stammt:

    Bahnwärterhaus, Mödling, 1.11.1986

    An einer Weiche im Anschlussbereich (Weiche 22?) befand sich dieser Hakenverschluss:

    Hakenverschluss der W22, Mödling, 1.11.1986

    Die folgende Aufnahme der 5007er-Anlage am Stellwerk 1 sieht fast wie eine Werksaufnahme auf – nur ganz selten war vor Hebelbänken österreichischer Stellwerke genügend Platz für solche Frontalaufnahmen. Ganz rechts außen ist gerade das Be-Feld für eine Einfahrt entblockt und daneben über das geblockte Ff-Feld die Fahrstraße festgelegt. In der Mitte sieht man die dazugehörige umgelegte Fahrstraßenknagge für die Einfahrt auf Gleis 1:

    Hebelbank, Gleisanzeiger und Blockapparat, Stw.1, Mödling, 1.11.1986

    Am Signalanzeige- und -bedienpult sieht man, dass das Einfahrsignal auf Frei steht; und auch die Ausfahrt muss schon freigestellt sein, weil beim Ausfahrvorsignal auch die grüne Anzeige leuchtet. Interessanterweise fehlt eine Anzeige für das Einfahrvorsignal b, das wegen des Gleiswechselbetriebs sicher existiert hat. Links oben sieht man die Anzeigen für die Zustimmung: Drei Lampen zeigen eine Zustimmungsanforderung vom Stellwerk 2 an, außerdem gibt es die Möglichkeit, mit einem Schlüsselschalter und einer Taste eine gegebene Zustimmung zurückzunehmen (was am Stellwerk 2 ein freigestelltes Signal auf Halt wirft). Auch hier gibt es, wie am Stellwerk 1 in  Melk, keine gemeinsame Taste für die Ausfahrsignale, sondern ausnahmsweise Einzeltasten. Rechts oben schließlich eine EK-Überwachung für den Schranken in der Nähe der Einfahrsignale angebracht:

    Signalanzeige und -bedienung, Stw.1, Mödling, 1.11.1986

    Hier sehen wir noch einmal den Blockapparat etwas näher. Interessanterweise ist für die Abgabe der Zustimmungen an das Stellwerk 2 ein Blockfeld angebracht (während dort ja nur Lampen und Tasten für die Zustimmungen vorhanden sind). Das ist auch sinnvoll, weil hier ja Fahrstraßenschieber verschlossen werden, die wiederum die Mittelweiche oder das Schutzsignal Sch4 sperren. Das Feld ist daher ziemlich sicher ein Gleichstrom-Wechselstrom-Feld, damit es mit einem einzelnen Impuls vom Stellwerk 1 wieder entblockt werden kann. Die entsprechenden Fahrstraßenknaggen sieht man rechts zwischen zwei Madnerhebeln – die Aufschriften "4" und "4k" (im Gegensatz zur Fahrdienstleitung und zum Stetllwerk 2 hier mit kleinem k) an der rechten Knagge kann man gut erkennen, an der linken Knagge muss die Aufschrift "4n.M." stehen. Der Zug, für den vorher die Einfahrt freigestellt war, ist übrigens schon durch, und Fahrstraßenverschluss und Befehlsfeld sind wieder in Grundstellung:

    Hebelbank und Blockapparat, Stw.1, Mödling, 1.11.1986

    Dieses Bild des relativ neuen Stellwerksgebäudes (oder war nur der obere Stock neu aufgebaut worden?) zeigt, wie man mit wenigen Fenstern auch eine ausreichende Sicht gewähren kann und nebenher vermutlich einiges an Heizkosten spart:

    Stellwerk 1, Mödling, 1.11.1986

    Fast zuletzt noch ein Bild des Bahnhofs, mit den Gleisen 6, 4, 2 und 1 (vom Bahnhof her):

    Bahnhof, Mödling, 1.11.1986

    Und zum Schluss noch ein Bild einer interessanten Mechanik an einem Güterwagen: Die linke Federschake hängt hier an einem zweiarmigen Hebel, der über einen Winkelhebel eine Umstellung an der Bremsausrüstung bewirkt (die ich nicht dokumentiert habe). Wenn man als Achslast 16 Tonnen annimmt, dann hängen an der linken Schake noch immer 4 Tonnen, und über den ca. 4:1 übersetzten Hebel wird an der Zugstange mit etwa einer Tonne gezogen – auf eine entsprechende Gegenkraft muss also die Feder an der Umstellung gespannt sein:

    Mechanik einer lastabhängigen Bremsventilverstellung, Mödling, 1.11.1986

    Freitag, 21. Dezember 2012

    Fahrdienstleitung außerhalb des Bahnhofs: Brunn-Maria Enzersdorf, 1986

    Die folgenden Aufnahmen sind vom Bahnhof Brunn-Maria Enzersdorf, den ich am Allerheiligenabend 1986 besucht habe und der eine etwas eigenartige Gleisanlage hatte. Der folgende Plan zeigt einige der Besonderheiten:
    • Das Bahnhofsgebäude und die Bahnsteige lagen außerhalb der Weichenstraßen.
    • Daher war auch das Ausfahrsignal R1-4 Richtung Wiener Neustadt erst hinter dem Bahnsteig, also hinter der letzten Weiche 56 aufgestellt. Als Ausfahrsignal stand es auch rechts vom Gleis.
    • Das Einfahrsignal Z aus Richtung Wiener Neustadt deckte die Weichenstraßen hinter dem Bahnsteig – es stand daher näher an der Weichenstraße als das Ausfahrsignal R1-4.
    • Im Bahnhofsgebäude befand sich auch die Fahrdienstleitung, die also außerhalb des Stellwerks 2 lag.
    • Am anderen Bahnhofsende war das Verschubsignal V4-B nicht am Hauptsignal H4 angeordnet, sondern stand als Zwergsignal ein Stück weiter Richtung Wien. Am Ausfahrsignal war – wie man auf einem Foto weiter unten sieht – ein "festes Verschub-frei-Signal" montiert.
    • In der Mitte des Bahnhofs gab es den Schrankenposten 30, der zugleich auch als Verschubstellwerk für die Weichen 31 bis 35 fungierte, die von seiner Hebelbank aus gestellt wurden. Allerdings war dieses Gebäude nicht als Stellwerk nummeriert, und es nahm auch nicht teil an der Fahrstraßenprüfung.
    • Was auf dem Plan nicht zu sehen ist: Da die Weichen 32 und 33 bei Zugfahrten auf Gleis 4 festgelegt sein mussten, wurden die Riegel dieser beiden Weichen vom Stellwerk 2 aus bedient!


    Sehen wir uns nun die Details dieses Bahnhofs an.

    Am Befehlswerk in der Fahrdienstleitung sieht man, dass für die Gleise 1 und 4 aus Richtung Wien sowohl lange ("L") als auch kurze ("K") Einfahrten gestellt werden konnten. Die kurzen Einfahrten endeten jeweils beim Schutzsignal, die langen führten bis zum Signal R1-4, sodass an diesen Fahrten beide Endstellwerke beteiligt waren. Am anderen Bahnhofskopf gab es Ausfahrten von
    • Gleis 4 (die am Schutzsignal Sch4 begann)
    • Gleis 1 lang (die am Schutzsignal Sch1 begann)
    • und Gleis 1 kurz (die am R1-4 begann).
    An all diesen Fahrten war nur das Stellwerk 2 beteiligt:

    Befehlswerk, Fdl, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Was die RWT am Blockaufsatz ist, ist mir nicht klar. Vermutlich gab es hier einen Gleiswechselbetrieb Richtung Liesing (Ein vorheriger Text hier über Mödling war falsch – ich hab, zu meiner Schande, Mödling und Liesing verwechselt.) Eine Anzeige der Richtung ist wohl nicht möglich – wahrscheinlich geht nur die weiße Lampe im Pfeil aus (oder es leuchtet die unbeschriftete Lampe unter dem schwarzen Rechteck?).
    Die anderen Tasten sind schon älter und ausführlicher beschriftet – jeweils mit "Notauflöset." und "Gleisanzeigt.". In der Mitte befindet sich der Widerrufschlosskontakt:

    Blockaufsatz des Befehlswerks, Fdl, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Nun begeben wir uns auf das Stellwerk 2. Hier sieht man ganze Anlage. Rechts ist noch ein Stück der Schalttafel für die Stromversorgung zu erkennen, und ganz links ein kleines Stück einer Schrankenkurbel. Die zwei linksäußersten Hebel sind übrigens die Riegelhebel für die Weichen 32 und 33, deren Stellhebel sich am Verschubstellwerk befinden:

    Gleisanzeiger, Hebelbank und Blockapparat, Stw.2, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Am Blockapparat sieht man die Zustimmungsabgabefelder Richtung Stellwerk 1 für Fahrten auf Gleis 4 (linkes Za-Feld) und Gleis 1 (rechtes Za-Feld). Die sechs Felder rechts davon sind wie üblich bei einem Endstellwerk auf einer zweigleisigen Strecke mit ZG:

    Blockapparat, Stw.2, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    An Fahrstraßenknaggen gibt es einige mehr als sonst üblich: Obwohl dies das Endstellwerk Richtung Wiener Neustadt ist, gibt es zusätzliche Fahrstraßen für die Wiener Seite. Sie dienen natürlich dazu, dass die entsprechenden Weichen bei Zustimmungen an das Stellwerk 1 festgelegt werden:

    Gleisanzeiger und Fahrstraßenknaggen, Stw.2, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Auf der Schalttafel für die Stromversorgung waren oben auch die Signalanzeigen untergebracht, die man hier bei einer Durchfahrt von Wien über das Gleis 1 sieht. Zur Information war auch die Stellung des Einfahrsignals A von Wien (unter dem a) angezeigt. Die zwei Schutzsignale waren hier noch als Sp1 und Sp4 beschriftet, was von der alten Bezeichnung "Sperrsignal" herrührt. Links ist eine WUT (Weckerunterbrechertaste) offenbar nachgerüstet worden. Was die vier Ein/Aus-Schalter schalten, weiß ich nicht – sicher nicht direkt die Signale!

    Stromversorgung und Signalanzeige, Stw.2, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Und hier sieht man das wunderbar alte, allerdings mit einem Anbau versehene Stellwerk:

    Stellwerk 2, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Die Weiche 56 war die äußerste Weiche des Bahnhofs. Ihr Doppeldrahtzug schleift schon ziemlich knapp über das Gehäuse, in dem sich wohl die Umlenkrollen des Drahtzugs zur Weiche 55 befinden:

    Weiche 56, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Direkt neben dem Stellwerk 2 befand sich ein Schranken, der hier gerade gesenkt wird:

    Schranken, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Und hier kommt der Zug dazu:

    1042.687 mit Personenzug, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Die Schutzweiche 2S habe ich schon in diesem Posting über Weichenstellgewichte beschrieben. Offenbar war die Anschlussbahn stillgelegt, daher die radikale Verschraubung des Gewichts am Weichenstellbock:

    Weiche 2S, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Weiche 2S, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Weiche 2S, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Zwischen den zwei Endstellwerken befand sich der Schrankenposten 30, der zugleich auch für einige Weichen Verschubstellwerk war. Hier sieht man das kleine Gebäude bei der Durchfahrt eines Schnellzuges. Links sind die zwei Weichen 32 und 33 sichtbar, die von dort gestellt wurden:

    4010.012, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Kurz nach der Durchfahrt hat sich der Schranken wieder gehoben:

    Verschubstw. und Schrankenposten 30, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Im Innern des Postens befanden sich zwei Schrankenkurbeln. Ich riskiere einmal die Vermutung, das jeder der beiden Schrankenbäume eine eigene Kurbel hatte, weil auf der relativ stark befahrenen, über vier Gleise führenden Straße ein getrenntes Schließen immer wieder nötig war:

    Verschubstw. und Schrankenposten, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Hier sieht man die vier Weichenhebel des Verschubstellwerks. Wie oben gezeigt, werden die Weichen 32 und 33 vom Stellwerk 2 aus geriegelt:

    Weichenhebel im Verschubstw. und Schrankenposten, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Hier ist noch einmal die Weiche 32 und davor das Schutzsignal Sch4 zu sehen. Es scheint rechts mit einem Ersatzsignal versehen worden zu sein – leider habe ich das entsprechende Stellpult nicht aufgenommen. Exakt dieselbe Perspektive habe ich übrigens 1981 aufgenommen. Damals hieß das Signal allerdings noch Sp4, und das Ersatzsignal fehlte auch noch:

    Weiche 32 und Schutzsignal Sch4, Verschubstellwerk/Schrankenposten, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Die Ausfahrsignale auf der Wiener Seite waren ein interessantes Sammelsurium:
    • Ganz rechts steht schon ein neues Signal H1 für Ausfahrten aus dem Gleis 1.
    • Für das H2 am Gleis 2 war ein Signalausleger erforderlich, weil zwischen den Gleisen nicht genügend Abstand war.
    • Ganz links schließlich hatte das H4 eine fest angebrachte Verschub-Frei-Tafel; ein Stück dahinter sieht man das Verschub-Zwergignal V4-B.
    Interessant ist auch noch, dass (ein Stück weit im Hintergrund) die Weichenantriebe aller Weichen in den zwei Hauptgleisen rechts neben dem Gleis 1 angeordnet sind, sodass die Weichen im Gleis 2 über lange Antriebsstangen gestellt werden müssen. Der Grund dafür ist wahrscheinlich auch der geringe Gleisabstand der zwei durchgehenden Gleise:

    Ausfahrsignale H4, H2 und H1, Stellwerk 1, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Hier sieht man noch einmal zwei der Ausfahrsignale bei der Einfahrt der Schnellbahn, die am vorigen Foto im Hintergrund zu erkennen ist. In der Zwischenzeit ist das Einfahrsignal von Mödling auf Frei mit 40 gegangen, und das Vorsignal hier zeigt die entsprechende Vorankündigung:

    Ausfahrsignale H4, H2 und H1, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Auch das Stellwerk 1 war noch fast original erhalten:

    Stellwerk 1, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Der Blockapparat ist "wie erwartet": Links wieder die üblichen sechs Felder für eine zweigleisige Strecke (das linke Be-Feld ist entblockt, oben am ZG sieht man schon den belegten Blockabschnitt von Wien), daneben die beiden Zustimmungsempfangsfelder für Fahrten auf Gleis 4 und Gleis 1. Einige Anzeigelampen helfen den beiden Stellwerkern bei Abgabe und Auflösung der Zustimmungen:

    Blockapparat, Signalanzeige und -bedienung, Stw.1, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Hier sieht man noch einmal die Stellwerksanlage. Die Knagge ganz links für das Einfahrsignal A ist schon umgelegt, das Signal steht aber noch auf Halt. Der Grund ist wohl, dass die Zustimmung vom Stellwerk 2 noch fehlt:

    Hebelbank und Blockapparat, Stw.1, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Sehr unüblich war die Bedienung von Ersatzsignalen vom Stellwerk aus. Ein Grund dafür könnte sein, dass der Fahrdienstleiter bei der Gleisfreiprüfung durch Augenschein im Gegensatz zu den Stellwerken sowieso nicht mitwirken konnte, da die Fahrdienstleitung ja praktisch außerhalb des Bahnhofsbereichs lag:

    Ersatzsignalbedienung, Stw.1, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Hier sieht man, leider unscharf, die Signalanzeige über dem Blockapparat im Detail. Das Einfahrsignal steht noch immer auf Halt (oder eher schon wieder?), allerdings leuchtet nun unten die Lampe "Zs von Wien", und oben drüber eine Lampe "1L von Wien": Das Stellwerk 1 wirkt nun also über die Zustimmungen mit an der Zugfahrt:

    Signalanzeige, Stw.1, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Auf der Hebelbank ist die Knagge für das Einfahrsignal A nun zurückgelegt, die Fahrstraße ist aber noch festgelegt:

    Fahrstraßen- und Signalknaggen, Schrankenantrieb, Stw.1, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Am Stellwerk befand sich auch der Antrieb für den einen Schranken in der Mitte des Bahnhofs, der von diesem Stellwerk aus bedient wurde:

    Schrankenantrieb, Stw.1, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    3-Phasen-Spannungsüberwachung des Schrankenantriebs, Stw.1, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Beim Rückmarsch zum Bahnhof ist mir wieder einmal ein alter Isolierstoß mit Holzlasche begegnet:

    Isolierstoß mit Hartholzlasche, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Auf diesem Bild des Bahnhofs sieht man im Hintergrund das allein stehende Ausfahrsignal R1-4:

    Bahnhof, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Von der gegenüberliegenden Seite habe ich die Durchfahrt eines weiteren 4010 aufgenommen (und dabei sowohl diesen als auch das Bahnsteig-Gebäude abgeschnitten ...):

    6010.015, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986

    Zuletzt noch eine Aufnahme, die die im Herbst besonders triste Stimmung auf diesen Vorortbahnhöfen gut wiedergibt:

    Bahnhof, Brunn-Ma.Enzersdorf, 1.11.1986