Sonntag, 25. März 2012

Leopoldau, 1981

Wir kommen zum nächsten alten Bahnhof auf der Wiener Schnellbahn – dem, der in dieser Geschichte vorkommt. Wir fangen wieder mit einem Gleisplan dieser im Linksbetrieb betriebenen Strecke an (Klick zeigt PDF):


Der Gleisplan Leopoldau bei sporenplan.nl ist vom Spurplan her identisch.

Von der Fahrdienstleitung gibt's nur ein Bild: Die rechte Hälfte des Blockwerks mit dem Felderstreckenblock Richtung Süßenbrunn ist hier zu sehen. Über dem Hb-Feld ist wieder der Umschalter, der bei einer Blockstörung wenigstens das Bedienen des Gleisanzeigers erlaubt, sodass am Stellwerk die richtige Fahrstraße elektrisch über das Ff-Feld festgelegt werden kann (Signalfreistellung geht dann nicht, weil das Be-Feld nicht geblockt ist. Eine genaue Erklärung findet sich, wie auch von Boris im Eisenbahnforum erwähnt, auf S.105/106 des Hager):

Befehlswerk Leopoldau, 31.8.1981

Das Wendegleis M2 samt seinen vier Weichen wurde erst später angelegt. Ein kleines Zentralschloss und zwei Zustimmungsfelder, die in einem Weichenposten standen, banden es in die Sicherungsanlage ein. Das zugehörige Ze-Feld für Gleis 1 glaube ich im Stellwerk 1 gefunden zu haben (siehe später), jenes für Gleis 2 aber nirgends ... Die Induktorkurbel fehlt irgendwie. Vermutlich ist sie auf der linken Seite angebracht, wobei die übliche Bedienung durch einen Rechtshänder eher "linke Hand auf Blocktaste, rechte an die Induktorkurbel" war und ist:

Zentralschloss für Zwischenweichen in Gleis M2, Weichenposten, Leopoldau, 31.8.1981

Im Stellwerk 2 steht folgender Block, vor dem man den Hebel für das Einfahrsignal Y von Breitenlee Nordabzweigung sieht. Außerdem sieht man noch ein Hebelersatzschloss, dass mit "34" bezeichnet ist – und da die Weiche 34 eine der zwei Weichen ist, die das Zentralschloss aus dem vorherigen Bild sperrt, könnte es wohl so sein: Irgendwo im Stellwerk, wo Platz ist, steht noch ein einsames Ze-Blockfeld, wo die Zustimmung vom Weichenposten ankommt. Dieses Blockfeld gibt einen Schlüssel frei, der dann in das hier sichtbare Schloss gesteckt wird und dadurch Fahrten über Gleis 2 ermöglicht.

Blockapparat Stw.2, Leopoldau, 31.8.1981

Der Neugier halber habe ich versucht, den Text in meinem Tagebuch zu entziffern – und da stellt sich heraus, dass das ganz anders geht! Hier sind eine Reihe von Seiten meines Tagebuches, jeweils mit ein wenig Erklärungen.

Auf den ersten beiden Seiten habe ich damals das Befehlswerk in der Fdl skizziert. Von links nach rechts sind hier aufgezeichnet:
  • Ein alleiniges Blockfeld "Ze von WP Gleis 2 (W33/34)", das über einen Schlüssel mit dem Rankapparat verbunden ist.
  • Ba- und Fa-Felder Richtung Gaswerk, Breitenlee N.A. und Praterstern; die Kringel unterhalb der Blockfelder deuten die Schubknöpfe des Rankapparats an, darunter sind die Knaggen an der Vorderseite skizziert.
  • Rechts neben diesen beiden Feldern befinden sich zwei gekuppelte Felder, mit Namen "Ze von WP Gleis 1 (W31/32)" und daneben eine "Zustimmungsrückgabesperre", die von weiß auf schwarz wechselt. Zu diesen beiden Feldern gibt's eine Menge Text, die gleich kommt.
  • Schließlich (auf der nächsten Seite des Tagebuchs) die üblichen 6 Felder für die Strecke mit Felderstreckenblock Richtung Süßenbrunn.


Auf der rechten Seite steht der verräterische Text, den ich in der Geschichte schon erzählt habe: "Besonderheit (streng geheim!): ..." usw.

Die nächste Seite enthält eine Erklärung einer dieser speziellen Abmachungen, die es immer wieder auf Bahnhöfen gibt:
Wenn Einfahrsignal in Stellung "Vorsicht" gelassen werden soll (es existiert kein Ausfahrvorsignal, daher wird Einfahrvorsignal als "Bremse" verwendet),

dann bei Befehlgabe nicht gleichmäßiges Drehen, sondern

a) Feld blocken,
b) 3 kurze Dreher mit Pausen

→ zeigt Stw, dass EVS → "Vorsicht";

Stw bei Ff gleich = "verstanden".
Auf der rechten Seite beginnt aber der Text, der das Zusammenspiel dieser Zustimmungsfelder für die Gleise 1 und 2 beschreibt:
Zustimmungen:

Gl 1

normal steht Ze auf w
[weiß], Sperre auf sw [schwarz]

wenn rangiert werden soll:

Stw blockt
[Ze-]Feld
→ Fdl Sperre → w
[weiß]
→ Fdl blockt Ze (→rot) + Sperre (→sw)
(geht nur, wenn Knaggen in Grundstellung!!!)
→ WP Za entblockt
→ Schlüssel freigegeben
→ rangieren
[nächste Seite im Tagebuch]
→ Schlüssel zurück
→ Za geblockt → Fdl "Normalstellung", zugleich in Stw Ze entblockt

Klar? Mehr oder weniger ...

Fürs Gleis 2 ist der Text etwas kürzer:
Gl 2

Fdl Knaggen in Grundstellung
→ Gl 2 Knagge in Grundstellung
→ Schlüssel in Ze (Gl 2)
→ Blocken
. . .
Hier die Texte im Original, auf der letzten Seite ist der Gleisplan zu sehen, den ich oben noch einmal schön gezeichnet habe:



Das klärt zwar einige Rätsel, aber noch immer nicht wirklich, was dieses Schloss mit Aufschrift "34" ist. Sinnvoll wäre wohl anzunehmen, dass tatsächlich noch wo im Stellwerk alleine das Ze-Feld steht, das in den Texten erwähnt ist.

Nach dieser Klärung einiger Rätsel aber zurück zu den Aufnahmen der Stellwerke!

Beim Blockapparat Richtung Süßenbrunn sieht man zuerst einmal ein nettes Beispiel einer "Zwischen-Induktorkurbel": Wenn ein Blockapparat zu lange wird, wird er geteilt. Zwischen die Blockapparate baut man eine Kurbel ein, die die Induktorwellen beider Teile antreibt. Allerdings sind diese Kurbeln etwas unangenehmer zu bedienen als die an den Außenseiten.

Der Blockapparat hat zuerst einmal die üblichen Felder: Be+Ts-Feld sowie ein Fa-Feld je Richtung (das Ts-Feld von Bernhardsthal ist oberhalb des Be-Feldes angebracht). Darüberhinaus ist hier das Endfeld des Streckenblocks (weil ja der Stellwerker die Beobachtung des Zugschlusses über hat). Das Ze-Feld ganz links ist auch noch einfach: Es entspricht einem Za-Feld am Stellwerk 1, das die Gleisfreimeldung (insbesondere, dass kein Verschub stattfindet) technisch unterstützt. Was aber das Ff-Feld "Gl.10-16" da tut, ist mir nicht mehr erklärlich – und im Tagebuch steht nach den obigen Texten nichts mehr:

Blockapparat Stw.2, Leopoldau, 31.8.1981

Auf der Hebelbank haben einige Weichen nur Hebelersatzschlösser ("nur mehr" = Hebel wurden abgebaut? oder "nur" = war immer schon so?):

Gleisanzeiger und Hebelbank mit Hebelersatzschlössern, Stw.2, Leopoldau, 31.8.1981

Der Rest ist ziemlich vollständig mit Hebeln besetzt:

Stellwerk 2, Leopoldau, 31.8.1981

Was mir abgeht, ist die Stellmöglichkeit für das Schutzsignal Sch2, das im Gleisplan auftaucht. Noch eine Entdeckung: Auf dem letzten Bild sieht man im Hintergrund an der Wand noch ein kleines Zentralschloss, diesmal nur mehr mit einem Fahrstraßenschieber und -schlüssel. Was der Zweck dieser Nebenanlage ist, ist mir vollkommen schleierhaft, und wegen der Unleserlichkeit der Aufschriften auch kaum zu rekonstruieren, fürchte ich.

Am Stellwerk 1 auf der Wiener Seite war die signaltechnische Sicherung für Zugfahrten(!) ins Gaswerk noch vorhanden. Allerdings reichte am Block ein "Spar-Befehlsfeld" "Ba gegen Gaswerk". Das zweite Blockwerk enthält einerseits das Ze-Feld vom Weichenposten für Fahrten aufs Gleis 1, andererseits das Za-Feld Richtung Stellwerk 2 für Fahrten auf Gleis 10-16:

Blockapparat, Stellwerk 1, Leopoldau, 31.8.1981

Hier ist die Hebelbank noch vollständig besetzt:

Stellwerk 1, Leopoldau, 31.8.1981

Nun begeben wir uns nach draußen, um einige interessante Anlagenteile zu betrachten. Zuerst sehen wir die Einfahrsignale Y und Z, die wegen des Linksfahrens eine interessante Anordnung haben: Z muss neben dem linken Gleis stehen und "verdrängt" dadurch Y auch auf die linke Seite des Gleises, das von Breitenlee kommt:

4020+4020.11, Leopoldau, 31.8.1981

Das Ausfahrsignal R1 war eines der wenigen mit österreichischer Flügelkupplung. Hier sehen wir es in der Freistellung bei der Ausfahrt eines Lokzuges. Der Signalantrieb befindet sich auf Zweidrittelhöhe des Signals und entspricht einem Vorsignal- oder Verschubsignalantrieb (das ist sozusagen "ein Viertel eines Malteserkreuz-Antriebs" – erkläre ich vielleicht ein anderes Mal). Von dort geht eine Stange zur Flügelkupplung am unteren Ende des Mastes, und von dort die an ihrer Biegung ganz oben erkennbare Stellstange zum Signalflügel. Die Vorserien-1044.02 ist übrigens eine der zwei 1044er, die noch Metallziffern erhalten haben:

1044.02 als Lz 86332 beim Ausfahrsignal R1, Leopoldau, 31.8.1981

Der Zug hat nun die Isolierschiene überfahren (man sieht ihn noch ganz weit hinten), wodurch das Signal in die Haltstellung gefallen ist, der Signalantrieb aber noch dieselbe Stellung wie vorher hat:

Ausfahrsignal R1 in zurückgefallener Stellung, Leopoldau, 31.8.1981

Wenn der Stellwerker den Signalhebel zurückgestellt hat, ist auch der Signalantrieb wieder in Grundstellung:

Ausfahrsignal R1 in Haltstellung, Leopoldau, 31.8.1981

Als "Zugabe" sieht man auf den letzten beiden Bildern noch im Hintergrund das Stellwerk 2 in altösterreichischer Ausführung – leider verdeckt durch einen Fahrleitungsmasten. Dass ich die Gebäude nicht fotografiert habe, wird mir erst jetzt schmerzlich bewusst – damals waren sie für mich nur die "Behälter für die Sicherungsanlagen" ...

3 Kommentare:

  1. Ihre Bilder sind Toll. Ich Wohne seit meiner Geburt in Leopoldau und ich kann mich etwas erinnern das Anstatt der Heutigen U1 Station noch Häuser waren die wurden 2001 oder so Abgerissen. Hätten sie auch weitere Bilder von der Station Leopoldau vor 2001?

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    1. Freut mich, dass Ihnen die Bilder gefallen! - leider habe ich dort keine anderen Aufnahmen gemacht. Sie könnten im Eisenbahnforum Österreich herumstöbern - vielleicht finden sich dort noch Fotos von damals ...

      H.M.

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  2. Mein Vater war im Leopoldauer Stellwerk 1 stationiert bis zu seiner Pensionierung ca. 1978. Ich war manchmal zu Besuch bei ihm und durfte auch die Weichen stellen und Signale bedienen. War für mich sehr spannend, im Stellwerk roch es nach Öl und Zigarettenrauch, im Winter wurde mit Kohle geheizt. Ich erinnere mich immer wieder gerne an diese Zeit.

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