Samstag, 27. Juli 2013

Mittelstellwerk 12SA und 5007: Gurten, 1987

Auf der Fahrt von Schärding nach Ried und dann Gurten habe ich aus dem Zug das 12SA-Signalstellwerk in Antiesenhofen aufgenommen. Die Weichen waren hier ortsbedient und (vermutlich) über ein Zentralschloss mit dem Signalstellwerk in Abhängigkeit gebracht. Von rechts nach links sieht man hier für unsere Ein- und Ausfahrt folgende Hebelstellungen (Korrektur 27.2.2024 nach Kommentar: Signalbezeichnungen korrigiert):
  • Ganz rechts ist der Fahrstraßenhebel für die Einfahrt umgelegt.
  • Der Vorsignalhebel z ist nach oben umgelegt,
  • daneben ist der linke Hebel des Doppelhebels des Einfahrsignals Z für dessen Freistellung ebenfalls noch für unsere Einfahrt nach oben gestellt.
  • Der Hebel des Ausfahrsignals R der Gegenrichtung steht natürlich in der Grundstellung nach unten,
  • dagegen ist das Ausfahrsignal H für unsere Ausfahrt auf Frei gestellt.
  • Der Doppelhebel des Einfahrsignals A
  • sowie der Hebel für das Einfahrvorsignal a stehen in der Grundstellung,
  • und auch der Fahrstraßenhebel ist nicht umgelegt – woran man erkennt, dass für Ausfahrten keine Fahrstraße am Stellwerk festgelegt werden musste (im Gegensatz zu meinem 12SA, wo auch die Weichen vom Stellwerk aus gestellt werden):

Signalstellwerk, Antiesenhofen(?), 20.2.1987

Gurten ist ein kleiner Bahnhof an der Innviertelbahn zwischen Braunau und Ried am Innkreis mit einem einfachen Gleisplan. Die Gleise 2, 1 und 3 waren Hauptgleise für Zugsfahrten, als Ausfahrsignale waren aber nur zweiflügelige Gruppenausfahrsignale aufgestellt. Dabei wurden Ausfahrten aus dem Gleis 1 mit einem Flügel, aus Gleis 2 oder 3 mit zwei Flügeln angezeigt:


Der Bahnhof hatte damals eine Sicherungsanlage mit ziemlich interessanter Geschichte:
  • Zuerst stand hier, wie in Antiesenhofen, ein 12SA-Signalstellwerk für Ein- und Ausfahrsignale, mit Schlüsselabhängigkeiten zu den ortsbedienten Weichen.
  • Im Zweiten Weltkrieg wurde der Bahnhof umgebaut (entweder verlängert oder ein weiteres Überholgleis dazugebaut oder beides – ich weiß es nicht), wodurch er zumindest ein Einheitssignal für die Einfahrt erhielt. Vermutlich wurde damals auch die Weichennummerierung auf die in Deutschland übliche Durchnummerierung über den ganzen Bahnhof umgestellt.
  • In den fünfziger Jahren wurde eine zusätzliche 5007er-Hebelbank neben das Stellwerk gestellt, von der aus die Weichen nun verriegelt, aber nicht gestellt werden konnten. Ein Bild von diesem Zustand befindet sich im Hager auf Seite 66.
  • Irgendwann später wurden auf dieser 5007er-Hebelbank zwei Riegelhebel abgebaut und durch Madnerhebel für das Stellen jeweils einer Weiche je Bahnhofskopf ersetzt – in diesem Zustand habe ich die Anlage angetroffen.
Man kann sich überlegen, wie eine Zugskreuzung für die verschiedenen Varianten abgewickelt werden musste:
  • In der Ursprungsausführung mussten die Weichen für die Einfahrt vor Ort gesperrt werden, die Schlüssel in die Fahrdienstleitung gebracht und dort über das Zentralschloss die Einfahrsignale entsperrt werden. Für die folgende Ausfahrt des kreuzenden Zuges am selben Bahnhofskopf mussten die Schlüssel wieder zu den Weichen transportiert werden, sodass diese aufgesperrt werden konnten. Die Ausfahrt konnte dann – wenn das Zentralschloss das erlaubte; oder sogar nur ein Schlüsselbrett vorhanden war – direkt erfolgen, weil die vom Herzstück her befahrenen Weichen nur korrekt gestellt (und überwacht), aber nicht versperrt sein mussten. Zwischen Einfahrt und Ausfahrt auf derselben Seite lag also zumindest die Zeit, die jemand von der Fahrdienstleitung bis zu den Weichen zu gehen (im Winter) oder mit dem Dienstfahrrad zu fahren (im Sommer) hatte. Für dieses "Betriebsprogramm" war wenigstens ein Bahnhelfer notwendig; wenn die Ausfahrten auf beiden Seiten näherungsweise zugleich stattfinden sollten, waren zwei nötig (der Fahrdienstleiter verließ i.d.R. seinen Arbeitsplatz in oder um die Fahrdienstleitung nicht). Arbeitskräfte zählten damals noch als billig.
  • Mit der Ergänzung des Riegelstellwerks war der Transport von Schlüsseln zwischen Weichen und Fahrdienstleitung nicht mehr nötig. Bei einer Zugskreuzung konnten die Weichen unmittelbar nach der Einfahrt entriegelt und vor Ort für die Ausfahrt gestellt werden. Damit konnte die Kreuzung ohne Zeitverlust abgewickelt werden, allerdings waren noch immer Bedienstete an jedem Bahnhofskopf für das Stellen der Weichen nötig. Die Verriegelungsmöglichkeit für zwei Weichen auf jeder Bahnhofsseite ermöglichte Zugfahrten auf drei Gleisen, sodass zugleich eine Kreuzung und eine Überholung stattfinden konnte.
  • Mit dem Umbau zweier Weichen auf Fernbedienung konnte der Bahnhof nun nur mehr mit einem Fahrdienstleiter besetzt werden, weil eine Zugskreuzung auf den Gleisen 1 und 3 nun vollständig von den Stellwerken aus abgewickelt werden konnte. Zugfahrten auf Gleis 2 – die weiterhin möglich waren – erforderten aber nun, dass sich der Fahrdienstleiter auf den langen Weg zu den Bahnhofsenden begab, um die Weichen zu sperren und zu entsperren.
Die folgenden zwei Bilder zeigen die Anlagen im Überblick – zuerst nebeneinander das Signalstellwerk der Bauart 12SA und das Weichenstellwerk der Bauart 5007:

Signal- und Weichenstellwerk, Gurten, 20.2.1987

Und hier ist ein Bild der Trommelschlüsselwerks, mit dessen Schlüsseln die Abhängigkeiten von den Weichen zu den Signalen hergestellt wurden:

Trommelschlüsselwerk, Gurten, 20.2.1987

Mit seinen zwei getrennten Hebelbänken ist dieser Bahnhof einer der wenigen mit einem Doppelstellwerk – wenn man auch hier diesen Begriff schon etwas dehnen muss, denn im Gegensatz zum SBW500-Doppelstellwerk am Stellwerk 2 in Villach Hbf und zum Stellwerk 1A+1B in Meidling war die Auftrennung auf zwei Hebelbänke hier ja nur durch die historische Baureihenfolge erfolgt.

Schauen wir uns die zusammenwirkenden Teile etwas genauer an. Am folgenden Bild sieht man rechts den Madnerhebel der Weiche 7, daneben den zugehörigen Riegel-Doppelhebel. Am Schieberkasten dient eine Fahrstraßenknagge dazu, Weiche und Riegel festzulegen, und links daneben kann man dann aus einem der zwei Schlösser den entsprechenden Schlüssel entnehmen:

Signal- und Weichenstellwerk, Gurten, 20.2.1987

Hier sind diese Bauteile noch einmal im Detail zu sehen:
  • Rechts ist die Knagge, die bei Verriegelung der Weiche in Plusstellung wie hier sichtbar nach rechts umgelegt werden kann, bei Minusstellung nach links.
  • Links sieht man die beiden Schlösser, wo der linke Schlüssel für die Plusstellung entnommen ist, während der rechte für die Minusstellung in seinem Schloss festgehalten ist.

Knagge und Schlösser für W7 am Weichenstellwerk, Gurten, 20.2.1987

Mit dem Weichenschlüssel geht der Fahrdienstleiter nun zum Trommelschlüsselwerk. Dort sperrt er den Weichenschlüssel um:

Trommelschlüsselwerk, Gurten, 20.2.1987

Wenn auch die korrekten Schlüssel ortsbedienter Weichen hier vorhanden sind, dann kann die Trommel verdreht werden und der entsprechende Signalschlüssel entnommen werden.
Am folgenden Bild sieht man, dass z.B. für die Ausfahrt aus Gleis 3 auf Signal R2 (d.h. R zweiflügelig) nur der Schlüssel der Weiche 7 im Trommelschlüsselwerk vorhanden sein muss ... was, wenn man sich's genauer überlegt, eigentlich zu viel des Guten ist: Denn bei dieser Ausfahrt müsste die Weiche 7 eigentlich gar nicht verriegelt sein, weil sie gar nicht gegen die Spitze befahren wird! Korrekt gestellt muss sie aber natürlich schon sein – wenn man also diesen Unterschied zwischen "gestellt und verriegelt" einerseits und "gestellt" andererseits am Trommelschlüsselwerk für die Fahrstraßenfestlegung ausnützen wollte, dann müsste man am Weichenstellwerk dafür getrennte Schlüssel vorsehen. Das wäre bei dieser kleinen Anlage denn doch zu viel Aufwand – lieber lässt man den Fahrdienstleiter mit einem eleganten Hebelschwung die Weichen auch bei der Ausfahrt verriegeln und kommt so mit zwei Schlüsseln je Weiche aus:

Trommelschlüsselwerk, Gurten, 20.2.1987

Mit dem passenden Signalschlüssel begibt sich der Fahrdienstleiter nun zum Signalstellwerk. Je nach Ein- oder Ausfahrt unterscheiden sich die folgenden Handgriffe:
  • Für eine Ausfahrt sperrt er direkt hinter dem Signalhebel das passende Schloss um und kann danach sofort – ohne Stellen eines Fahrstraßenhebels – den Signalhebel umlegen. Hier sieht man diese Schlösser im Detail:
Ausfahrsignalschlösser am Signalstellwerk, Gurten, 20.2.1987
  • Für eine Einfahrt sperrt er eines der seitlichen Schlösser um, das nun die Fahrstraßenschubstange (die man in diesem Fall eigentlich als Signalschubstange bezeichnen muss) freigibt. Hier sieht man diese Schlösser für Einfahrten von Ried ...
Einfahrsignalschlösser aus Richtung Neumarkt-Kallham am Signalstellwerk, Gurten, 20.2.1987
  • ... und hier für Einfahrten von Braunau her. Die Riegel der Schlösser greifen in eine senkrechte Platte ein, die auf die Schubstange genietet ist, und verhindern dadurch bei fehlendem Schlüssel, also aus dem Schloss vorstehendem Riegel (man kann ihn am Bild beim oberen Schloss erkennen), die Freigabe des entsprechenden Signals:
Einfahrsignalschlösser aus Richtung Simbach am Signalstellwerk, Gurten, 20.2.1987

Wie man sieht, sind die Fahrstraßenhebel eigentlich für vier Fahrstraßen vorgesehen: Durch das "H" für die möglichen Hebelbewegungen konnte entweder auf eine vordere oder eine hintere Schubstange gekuppelt werden. In Gurten war aber nur die hintere Schubstange eingebaut, und daher waren nur die vorderen Positionen des Hebels belegt.

Hier sieht man noch einmal die Schlösser der Ausfahrsignale sowie, vorne, die "Signalsperre" zwischen den Hebeln für Einfahrsignal Z und Einfahrvorsignal z:

Signalschlösser und Signalsperre am Signalstellwerk, Gurten, 20.2.1987

Die folgenden Bilder zeigen die Stellungen einiger Hebel bei einer Einfahrt von Braunau. Wie vorher steht die Weiche 7 in Grundstellung in die Gerade, und beide Riegelhebel des Doppelhebels zeigen nach unten = die Weiche ist verriegelt. Oben sieht man die umgelegte Knagge:

Weichenstellwerk bei einer Einfahrt von Braunau, Gurten, 20.2.1987

Am Signalstellwerk steckt links der Schlüssel für Z1, also Einfahrt auf Z einflügelig, und der Fahrstraßenhebel (den man eher Signalfreigabehebel nennen müsste) ist nach links umgelegt. Gleich daneben stehen der Vorsignalhebel sowie der linke Hebel des Doppelstellers für das Einfahrsignal nach oben, beide Signale stehen also auf Frei:

Signalstellwerk bei einer Einfahrt von Braunau, Gurten, 20.2.1987

Kurz darauf ist der Zug eingefahren, und das Vorsignal ist in Stellung "Vorsicht" zurückgestellt. Das Einfahrsignal steht noch auf Frei, weil der Zugschluss noch nicht festgestellt worden ist:

Signalstellwerk bei einer Einfahrt von Braunau, Gurten, 20.2.1987

Nun folgen aber einige Bilder der Außenanlagen – als erstes ein Spannwerk, das die Reichsbahn hier hinterlassen hat. Vermutlich ist es für das Einfahrvorsignal z, aber sicher bin ich mir da nicht:

Spannwerk, Gurten, 20.2.1987

Direkt vor dem Bahnhof befand sich die Weiche 3 ins Ladegleis 4. Man sieht auch den Antrieb für den Schranken, wo eine Zufahrtsstraße noch im Bahnhofsbereich die Gleise querte – und im Hintergrund unsere zwei Hebelbänke. Die Tasche auf der Bank war übrigens meine Fototasche:

Bahnhof, Gurten, 20.2.1987

Danach bin ich immerhin noch bis zum Ausfahrsignal R marschiert, einem perfekt in Schuss gehaltenen altösterreichischen zweiflügeligen Formsignal. An der Weiche sieht man bei genauem Hinsehen die Blende, die die Ortsbedienungsfreigabe durch den Madnerhebel anzeigt:

Gruppenausfahrsignal R, Gurten, 20.2.1987

Gruppenausfahrsignal R mit Drahtnachzughebeln, Gurten, 20.2.1987

Gruppenausfahrsignal R, Gurten, 20.2.1987

Gruppenausfahrsignal R, Gurten, 20.2.1987

Bei den Drahtnachzughebeln waren die Gewichte verkehrt herum montiert – was wegen der bei einem Ausfahrsignal eher kurzen nachzuziehenden Drahtlänge (im Fall eines Drahtbruchs) aber so in Ordnung ist. Daneben dienen diese Hebel auch zur Übersetzung des 500mm-Hubes durch den Signalhebel auf etwa 250mm (oder, hier, noch etwas weniger):

Drahtnachzughebel, Gurten, 20.2.1987

Zuletzt noch zwei Aufnahmen von der ganzen Bahnhofsanlage ...

Bahnhofsgleise, Gurten, 20.2.1987

... und dem Bahnhofsgebäude:

Bahnhof, Gurten, 20.2.1987

3 Kommentare:

  1. In Tschechien gibt es noch einige Bahnhöfe, wo die Weichen ortsbedient, aber aus der Fdl mechanisch fernverriegelt werden, z.B. Cermna nad Orlici oder Sumna.

    Bei dem Ausfahrsignal R ist auffallend, dass es ein Rückstrahlendes Mastblech besitzt, aber nicht auf Rückstrahlerbauart umgerüstet ist.

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  2. Die im Beitrag beschriebene Signalbeschriftung in Antiesenhofen war genau anders herum. (z, Z und H sind umgestellt; a, A und R stehen in der Grundstellung). Wäre ungewöhnlich wenn die Signale genau gegenteilig der Norm beschriftet waren.

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    1. O - danke! Keine Ahnung, wieso ich da die Kilometrierung ignoriert habe. Ich habe die Signalbezeichnungen nun korrigiert. - H.M.

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