Donnerstag, 29. Januar 2015

Eine Bastellösung für - was? 5007 in Kirchstetten, 1987

Kirchstetten hatte noch seine 5007er Endstellwerke mit einem Knebelwerk als Befehlswerk in der Fahrdienstleitung:

Befehlswerk, Fdl, Kirchstetten, 16.8.1987

Im vorherigen Bild sind man übrigens links oben schön die plombierten Kästen mit den Zweitschlüsseln für alle schlüsselgesperrten Einrichtungen – hier sind das einerseits Weichen in Ladegleise und die dahinterliegenden Sperrschuhe, andererseits Schalter der Fahrleitungsanlage. Wenn dieses Kästchen geöffnet ist, gilt die Signalabhängigkeit als aufgehoben. Darunter gibt es ein zweites Kästchen für Ersatzschlüssel in Diensträume:

Zweitschlüssel, Fdl, Kirchstetten, 16.8.1987

Der Blockapparat hatte keinen hölzernen Blockaufsatz mehr, sondern einen Blechkasten, der über den Blocktasten schwebte. In der Mitte befand sich der Widerrufschlosskontakt (WSK), über den Ba-Feldern die entsprechenden Rücknahmetasten. Die Tasten über den Ff-Feldern sind zum Aktivieren des Gleisanzeigers:

Befehlswerk, Fdl, Kirchstetten, 16.8.1987

Links am Befehlswerk war ein übliches Schieberschloss zum Verschluss einer Mittelweiche angebaut:

Befehlswerk, Fdl, Kirchstetten, 16.8.1987

Und für die Signal- und Blockanzeige sowie die Ersatzsignale gab es dieses kleine Pult. Wozu darauf Richtung Wien eine RWT (Richtungswechseltaste) vorhanden war, ist mir nicht klar – dazu müsste doch auf einem Gleis Gleiswechselbetrieb möglich gewesen sein, wofür aber kein Blockpfeil vorhanden ist:

Fdl, Kirchstetten, 16.8.1987

Allerdings lässt auch das Signal H2 – an einem durchgehenden Hauptgleis! – vermuten, dass hier mehr Fahrmöglichkeiten zumindest geplant waren: Denn für die Fahrt auf das entsprechende Streckengleis hätte eine einfache Grünlampe gereicht, was zusammen mit Rot und Notrot drei Lampen ergibt. Hier sehen wir aber vier Lampen, also offenbar eine zusätzliche Gelblampe (das Ersatzsignal ist ja rechts angebaut):

Ausfahrsignal H2, Kirchstetten, 16.8.1987

An der Anlage am Stellwerk 1, andererseits, sind offensichtlich nur Ausfahrten aufs linke Streckengleis möglich: Zwei Knebel sind für die Ausfahrten von den vier Bahnhofsgleisen zuständig, zwei weitere für die Einfahrten – kein Gleiswechselbetrieb. Untypisch ist die Schrankenkurbel, die nicht an der Außenwand angebracht ist, sondern neben der Hebelbank aufgestellt:

Stw.1, Kirchstetten, 16.8.1987

Am Blockaufsatz war ganz oben die Signal- und Blockanzeige angebracht. Darunter befanden sich links Halttasten für die Ersatzsignale (die Klebeetiketten unterhalb der Tasten zeigen konsequent den Text "ERSAZ SIG") und rechts daneben der Warnsummer – offiziell "Erinnerungseinrichtung" genannt – für einen Schranken in km42.990, mit einer "PT", also vermutlich einer Prüftaste, um den Summer zu testen:

Stw.1, Kirchstetten, 16.8.1987

Und hier sehen wir eine Konstruktion, deren Zweck mir nicht klar ist. Sie sieht eigentlich so aus, als ob sie den Summer ansteuern würde: Wenn ich's richtig sehe, war hier fliegend ein Schalter zwischen die Knebel für A und H eingehängt. Wenn man einen der Knebel umlegte (A vermutlich nach links, H nach rechts), wurde der Schalter geschlossen. Das Kabel ging dann weiter zur Schrankenkurbel, wo wohl irgendwo ein Kontakt den Strom unterbrach. Das klingt einerseits logisch, andererseits zweifle ich aber doch sehr an dieser Erklärung, und zwar aus mehreren Gründen:
  • Erstens kann ich mir nicht vorstellen, dass eine sicherheitsrelevante Anlage so "hemdsärmelig" aufgebaut wird. Zum Beispiel ist das Kabel am Schalter nur angelötet – es gibt nicht die geringste Art einer Zugentlastung, wofür ein einfacher Kabelbinder schon gereicht hätte. Nicht einmal ich als Hobbyelektriker hätte diese Konstruktion so zusammengebastelt – dass ein Fachmann so etwas abliefert, glaube ich einfach nicht. Und was wäre im Falle eines Unfalls passiert? Hätte die ÖBB tatsächlich Bilder dieser Anlage abgeliefert und behauptet, dass damit die Sicherheit erhöht worden wäre, da der Schranken mit höherer Sicherheit geschlossen war? Ich weiß nicht, wen das überzeugt hätte ...
  • Zweitens ist die technische Konstruktion ziemlich anfechtbar: Die Feder im Zugweg des Schalters führt zu einem undefinierten Schaltpunkt, wo man ja eigentlich das Gegenteil erreichen will: Dass nämlich bei einer definierten Aktion (Umlegen eines Knebels) sehr sicher der Zustand des Schalters wechselt. Auch das spricht sehr für ein Laien-Experiment.
  • Schließlich befindet sich an der Schrankenkurbel links ein großer Schaltkontakt, von dem ein ordentlich geführtes Kabel nach unten führt. Wenn man also den Zustand des Schrankens auswerten hätte wollen, hätte man diesen Anschluss ja schon gehabt und doch wohl hoffentlich die restliche Schaltung damit aufgebaut.
Was immer das für eine Konstruktion war, sie muss einen anderen Zweck gehabt haben:

Stw.1, Kirchstetten, 16.8.1987

Wegen der doppelten Gleisverbindungen auf beiden Seiten gab es hier mehr Weichen- und Riegelhebel als auf anderen kleinen Bahnhöfen an der Westbahn:

Stw.1, Kirchstetten, 16.8.1987

Auf dem kleinen Stellwerk waren keine Blumenkästen angebracht, obwohl es dafür entsprechende Halterungen gab:

Stellwerk 1, Kirchstetten, 16.8.1987

Am Stellwerk 2 sehen wir im Prinzip dieselbe Anlage nocheinmal. Auch hier gab es eine doppelte Gleisverbindung, auch hier gab es einen Schrankenantrieb. Und hier gab es ebenfalls die zusammengebastelte Verdrahtung – nur gab es hier zumindest am Blockaufsatz keinen Warnsummer. Der Zweck der fliegenden Schalter und Drähte bleibt rätselhaft ...

Stw.2, Kirchstetten, 16.8.1987

Für eine Einfahrt ist kurz darauf das Befehlsfeld entblockt, die Fahrstraße festgelegt und das Einfahrsignal auf frei gestellt:

Stw.2, Kirchstetten, 16.8.1987

Stw.2, Kirchstetten, 16.8.1987

Auch hier steht eine Schrankenkurbel neben der Hebelbank, an ihr fehlt aber offensichtlich jeder elektrische Anschluss:

Stw.2, Kirchstetten, 16.8.1987

Gegenüber stand für einen weiteren Schranken dieser Südbahnwerke-Antrieb:

Stw.2, Kirchstetten, 16.8.1987

Eine Gleisverbindung lag, unüblicherweise, innerhalb der Abzweigweiche in ein Überholgleis:

Weiche 55, Kirchstetten, 16.8.1987

Hier sieht man das kleine Stellwerk, das mit seinen ziemlich kleinen Fenstern doch ganz gemütlich wirkt. Die Scheune im Hintergrund ist übrigens in dem "Schönbrunnergelb" gestrichen, das in Niederösterreich so weit verbreitet ist:

Stellwerk 2, Kirchstetten, 16.8.1987

Auf dem letzten Bild sieht man das Bahnhofsgebäude und, dahinter, den hölzernen Güterschuppen (laut Google-Maps scheint er noch zu stehen, auch wenn die Laderampe davor verschwunden ist):

Bahnhof, Kirchstetten, 16.8.1987

3 Kommentare:

  1. Über diese Bastellösung Stw 1: Nachdem vom Antrieb links ein Kabel nach unten wegführt, sieht es wirklich so aus, als ob da nur ein Provisorium arbeiten würde. Normalerweise werden Erinnerungseinrichtungen (so wie es hier wäre) durch das Umlegen des Signalknebels ausgelöst, bei einigen anderen (so ich mich richtig erinnern kann) auch durch das Umlegen von Fahrstraßenknebeln. Allerdings: Solche Erinnerunseinrichtungen, das steht in den Bedienungsanleitungen von vielen solchen EK'en, sind zumeist nicht nach Sicherungs- sondern Fernmeldetechnischen Grundsätzen aufgebaut, und deshalb weder signaltechnisch sicher noch sonstwas. Der Fdl oder Stww darf sich, so gesehen, auch auf die ordnungsgemäße Funktion NICHT verlassen. Das spräche natürlich dafür, dass der abgebildete Mechanismus sehr wohl die Erinnerungseinrichtung ist und ich kann mir nicht vorstellen das diese Einrichtungen übehaupt jemals eine Abnahme vom Ministerium oder sonstwas bekommen haben, eben weil es eigentlich, NICHTS, ist. Vielleicht wollte man aber im konkreten Fall nicht mehr allzu viel investieren, weil die Ablösung auf ein VGS 80 schon bevorstand? Oder ein Stellwerker war genervt und legte die Anlage tot, und ein anderer baute sie provisorisch wieder auf (viele Fdl und Stww konnten das penetrante Geräusch der Summer nicht ertragen)

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  2. zur Richtungswechseltaste auf einer zweigleisigen Strecke mit Richtungsbetrieb (damals dort mit Linksfahren, denke ich):
    Für Bauarbeiten, welche eine längere Sperre eines Streckengleises erforderten (Gleisneulage) wurden die Sicherungsanlagen in Neulengbach und Kirchstetten so umgebaut, dass auf dem verbleibenden Streckengleis ein signalabhängiger eingleisiger Betrieb mit Folge und Gegenzusicherung möglich war. Alternative wäre "ungesicherter" Betrieb mit Zugmeldeverfahren (Anbieten und Annehmen sowie Rückmelden) gewesen.
    Ein Relikt dieser Interimslösung ist die nur wirkungslos geschaltete aber nicht rückgebaute Richtungswechseltaste.

    die "Bastellösung" in den Stellwerken war meiner Erinnerung nach eine Selbstbau-Erinnerungseinrichtung von Bediensteten selbst ohne invasive Einbindung in die Sicherungsanlage;

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  3. Das heisst " Zeitweise eingleisiger Betrieb wenn in der VBA ( Betra) angeordnet. Viele Bahnhöfe waren sicherungstechnisch auf so eine Situation vorbereitet.

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