Sonntag, 11. Oktober 2020

Sicherungstechnische Pläne von Piding - Verschlussplankopf, 2020

Hier ist, nach Lage- und Hebelplan, der Verschlussplan von Piding, in voller Schönheit (Klick öffnet ein etwas größeres Bild):

Verschlussplan, Piding, Juli 2020

Wie liest man soetwas? – und, für Wagemutige oder Fachleute, wie erstellt man so etwas? Ich werde im Folgenden versuchen, (fast) alle Zeichen auf diesem Plan und vor allem ihre Aussage zu erklären. Das wird sicher eine Menge Text und einige Bilder erfordern – aber vielleicht freut sich der eine oder andere drüber, das einmal im Detail zu sehen. Piding ist ein extrem kleiner Bahnhof mit nur zwei Weichen, daher kann man hier viele Dinge nicht zeigen, die es in größeren Bahnhöfen gibt: Es gibt schon einmal keine Flankenschutzweichen und keine Gleissperren, und solche Dinge wie Zwieschutzweichen oder Zwischensignale fehlen natürlich auch. Trotzdem – es gibt genügend zu sehen.

Ich werde den Plan von oben nach unten erklären und beginne daher mit den eher chaotischen Anmerkungen und Symbolen über dem eigentlichen Verschlussplan – die eigentliche Verschlusstafel kommt erst zum Schluss.

Als erstes sieht man im Kopf eine Anmerkung zu den zugelassenen Durchfahrten: Nur bei Fahrten über Gleis 2 können jeweils Ein- und Ausfahrsignal zugleich auf Frei gestellt werden. Insofern ist Piding für mechanische Stellwerke typisch geplant: Durchfahrten sind nur auf dem durchgehenden Hauptgleis möglich, nicht aber am Hauptgleis 1, das nur für Kreuzungen (oder, theoretisch, auch für endende und beginnende Züge) verwendet werden kann. Interessant sind die angegebenen Endpunkte der Strecke, nämlich Freilassing und Bad Reichenhall: Das sind nicht die Nachbarbahnhöfe – es sind die Endbahnhöfe der Hauptbahn mit der Streckennumer 5740; während die Strecke von Bad Reichenhall bis Berchtesgaden als Nebenbahn mit der Streckennummer 5741 klassifiziert ist.

Angaben zu Durchfahrten am Verschlussplan, Piding, Juli 2020

Das nächste Bild zeigt die Symbole der Isolierschienen und Schienenkontakte, die die Auflösung der Fahrstraßenfelder bewirken. Die Auslösestellen liegen außerhalb der Weichen, sodass bei einer Einfahrt die Fahrstraße durch das Freifahren des Isolierabschnitts durch die letzte Achse des Zuges schon aufgelöst wird, wenn der Zug noch über die Weiche fährt. Das hat früher dazu geführt, dass – besonders bei längeren Fahrstraßen – bei zügigem Zurücklegen des Fahrstraßenhebels die Weichen unter dem Zug umgestellt werden konnten. Durch die Isolierung der Weichen wird das hier über die Hebelsperren an den Weichenhebeln verhindert:

Verbindungen für Fahrstraßenauflösung, Verschlussplan, Piding, Juli 2020

Eine weitere Gruppe von Linien deutet die Verbindungen für den Streckenblock an – einerseits für den Felderstreckenblock zum Nachbarbahnhof Bad Reichenhall (mit Kürzel Br), andererseits zu den Isolierschienen für die Zugmitwirkung:

Verbindungen für Streckenblock, Verschlussplan, Piding, Juli 2020

Darunter beginnt der eigentliche Verschlussplan. Seine erste Zeile nummeriert links die Hebelplätze von 1 bis 26, rechts die Plätze der Fahrstraßenhebel und Blockfelder von 1 bis 10. Fahrstraßenhebel und Blockfelder sind eigentlich übereinander angeordnet – hier sind sie aber nebeneinander dargestellt:

Hebel- und Felderplätze am Verschlussplan, Piding, Juli 2020

In der nächsten Zeile sehen wir unter der Überschrift "Signalhebel" die Ausrüstung der einzelnen Signale.
  • Ganz außen sehen wir die Ausfahrvorsignale Vc und Ve. Sie sind zweibegriffige Signale, weil bei ihnen (im Unterschied zu den Einfahrsignalen) auf der rechten Seite des Mastfußes kein Balken gezeichnet ist, der den Zusatzflügel darstellt. Das Symbol auf der linken Seite des Mastfußes bedeutet, dass dieses Signale mit einer elektrischen Scheibenkupplung ausgerüstet sind. Diese dient dazu, beim Zurückstellen eines Einfahrsignals auch das davor stehende Ausfahrvorsignal zurückfallen zu lassen, obwohl der Hebel im Stellwerk noch umgelegt ist – dadurch wird erreicht, dass das Vorsignal vor einem haltzeigenden Hauptsignal immer in Warnstellung steht.
  • Weiter innen sind die Einfahrsignale F und A mit ihren weit draußen stehenden Vorsignalen dargestellt. Die Einfahrsignale sind dreibegriffig (d.h. sie können Hp0, Hp1 und Hp2 zeigen) und daher zweiflügelig ungekuppelt; und die Vorsignale dazu haben einen beweglichen Zusatzflügel, der über den schwarzen Balken angedeutet ist. Beim Einfahrsignal A ist oberhalb des Flügels auch ein kleines "Dach" über dem waagrechten Flügel zu sehen, das ein Ersatzsignal symbolisiert. Außerdem ist dort wieder die Fußnote **) angeführt, die die Sperre der Fahrt ins Gleis 1 beschreibt.
  • In der Mitte sind die vier Ausfahrsignale mit ihrer Ausrüstung skizziert. Alle vier sind auch mit Ersatzsignalen ausgerüstet. Das Ausfahrsignal E am durchgehenden Hauptgleis 2 ist einflügelig (kann also Hp0 und Hp1 zeigen), und die Linie und das kleine Rechteck am Mastfuß bedeuten, dass es mit einer Flügelkupplung ausgestattet ist, sodass es beim Befahren der Isolierschiene vom Zug auf Halt "geworfen" wird.
  • Das Ausfahrsignal D am Kreuzungsgleis 1 daneben ist zweiflügelig gekuppelt (die schräge Verbindungslinie zwischen den beiden Flügeln deutet die feste Kupplung an), weil hier über die Weiche 10 in ablenkender Stellung ausgefahren wird. Es kann also Hp0 und Hp2 anzeigen. Als einziges Ausfahrsignal hat es keine Flügelkupplung. Die Regelung dafür ist die Folgende – nachzulesen z.B. in den Blockgrundsätzen auf www.blocksignal.de unter III. Streckenblockung, §8. Streckenblockung zweigleisiger Bahnen (obwohl hier zweigleisig steht, gilt die folgende Regel auch für eingleisige Strecken), Punkt (6):
  • Die Ausfahrsignale der Gleise, aus denen zwei hintereinander fahrende Züge auf dasselbe Signal ausfahren könnten, wenn das Signal nach der Ausfahrt des ersten Zuges vorschriftswidrig auf Fahrt stehen bliebe, sind mit elektrischer Flügelkupplung zu versehen, die bezweckt, daß der Signalflügel nach der Ausfahrt des Zuges selbsttätig in die Haltlage zurückkehrt. Elektrische Flügelkupplung erhalten hiernach alle für durchgehende Hauptgleise geltende Ausfahrsignale, sowie die Gruppen-Ausfahrsignale.
  • Das einflügelige Ausfahrsignal C am durchgehenden Hauptgleis 2 ist wie das Signal E der Gegenrichtung ausgestattet.
  • Beim zweiflügeligen gekuppelten Ausfahrsignal B am ersten Gleis schließlich ist der Geschwindigkeitsanzeiger für 20 km/h symbolisch dargestellt; und zusätzlich dahinter, und etwas "übermalt", eine Flügelstromkupplung! – die tatsächlich vorhanden ist (siehe auch die Bilder im ersten Posting zu Piding), aber nach der obenstehenden Regel eigentlich nicht nötig wäre. Warum ist sie trotzdem da? Keine Ahnung – vielleicht werden neue Formsignale nur mehr mit sowas ausgeliefert? Und hier sieht man noch einen Verweis auf eine weitere Fußnote *), deren Inhalt ich leider nicht kenne (versteckt sich der zugehörige, kürzere Text auch auf dem umgeschlagenen Teil des Plans?).
  • Unterhalb der Signalsymbole sehen wir wieder, wie schon bei der Zeichnung der Hebelbank, die Ausstattung der Signalhebel mit Hebel- und Unterwegssperren:

Signalsymbole am Verschlussplan, Piding, Juli 2020

Zu den Fahrstraßenhebeln gibt es nicht viel zu sagen. Weil jeder von ihnen zwei Umschlagrichtungen (nach oben oder nach unten) hat, ist über die Kreuze oben angedeutet, dass hier je ein Hebel für zwei Fahrstraßen reicht. Bei den Bezeichnungen sieht man, dass bei den Signalen, die mehrere Fahrten erlauben, die Fahrtraßen unten mit der Gleisnummer ergänzt werden; und zusätzlich werden alle Fahrstraßen, die eine Fahrt auf Hp1 erlauben, mit einer hochgestellten 1 versehen:

Fahrstraßensymbole am Verschlussplan, Piding, Juli 2020

Zuletzt hier noch ein Überblick über die Blockfelder:
  • In der untersten Zeile am folgenden Ausschnitt sind die Bezeichnungen der Felder angeführt: Ff für Fahrstraßenfestlegefeld, E für Endfeld, A für Anfangsfeld und Erl für Erlaubnisfeld.
  • In der obersten Zeile steht zweimal N für "Nachdrückklinke" (die Blocktasten können einem während des Blockens "aus der Hand rutschen", trotzdem kann man fertigblocken), beim Erlaubnisfeld zeigt das Rechteck einen "Verschlusswechsel" an (er erzwingt das Blocken des Feldes sogar bei Drücken ohne Induktorstrom, weil dadurch eine Blocksperre schon einen sicherheitsrelevanten Zustandswechsel vorgenommen hat).
  • Darunter sind die Blockfelder symbolisch gezeichnet: Ausgefüllter Kreis heißt "in Grundstellung rot" – das sind hier die Ff-Felder, weil sie die Signalhebel sperren und erst bei der Fahrstraßenfestlegung freigeben; weißer Kreis heißt "in Grundstellung weiß", hier die Felder der Streckenblockung. Ob ein Feld in Grundstellung ge- oder entblockt ist, sieht man am kleinen Pfeil daneben: Pfeil unten = geblockt, Pfeil oben entblockt. Die langen Pfeile bei den Ff-Feldern deuten auf eine verlängerte Druckstange hin, die mit der (komplizierten) Fahrstraßenfestlegesperre zusammenarbeitet. Ein kleines x bedeutet zuletzt "Hilfsauflösung" (wobei, wozu? Wir haben hier FHTs mit Zählwerken – wird auch damit gerechnet, dass die nicht funktionieren?)
  • In der nächsten Reihe sind die Symbole der Blocksperren angegeben: Fahrstraßenfestlegesperren unter den Ff-Feldern, Rückblockungssperre unter dem Endfeld, Erlaubnissperre mit Anfangssperre unter Anfangs- und Erlaubnisfeld.
  • Zuletzt sind hier noch die Signale angeführt, die die Signalwellen der Blocksperren antreiben. Bei der Anfangssperre sind das zwei verschiedene Signale, daher wird die Welle über nicht zwangsläufige Antriebe von beiden Signalschubstangen verdreht – eine Form des "logischen Oders" in einem mechanischen Stellwerk.

Blockfeldsymbole am Verschlussplan, Piding, Juli 2020

Und wieder wird mein Text so lang, dass ich die Beschreibung des eigentlichen Verschlussplans auf ein weiteres Posting verschiebe!

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