Samstag, 18. Oktober 2014

Noch ein (ehemaliges) Hauptbahn-12SA, und ein Exkurs zum Wagenstandgeld: Windischgarsten, 1987

Ich besitze ja ein 12SA-Stellwerk – allerdings steht es nun gut und verwendbar in der Sammlung Grafenberg. Es war ursprünglich auf der Pyhrnbahn im Bahnhof Steyrling im Einsatz – und dort gibt es ein weiteres museales 12SA, nämlich jenes in Windischgarsten. Ich gestehe, dass ich das letzte Mal 1987 dort war – vielleicht sollte ich wieder einmal vorbeischauen? –, und von diesem Besuch sieht man hier ein paar Fotos.

Davor kommen aber drei Bilder des SpDrL (Spurplanstellwerk von ITT), das das alte 12SA ersetzt hat, samt einer Fernsteuerung von Pießling-Vorderstoder. Hier sieht man das ganze Bedienpult – leider ist das Bild ziemlich unscharf:

SpDrL mit Fernsteuerung Pießling-Vorderstoder, Fdl, Windischgarsten, 5.8.1987

Viel besser ist dieses Bild, das kurz darauf eine bevorstehende Kreuzung in Pießling-Vorderstoder zeigt: Die Blockabschnitte auf beiden Seiten sind besetzt, und beide Einfahrsignale stehen auf Frei. Oberhalb der Weichen sieht man zwei Transparente, die die Freigabe zur Ortsbedienung (oder "Nahbedienung") anzeigen:

SpDrL, Fdl, Windischgarsten, 5.8.1987

Das folgende Bild zeigt den Bahnhof Windischgarsten auf dem Bedienpult, und auch, dass ein solches Bedienpult prächtig als Magnettafel für diverse Formulare und Notizen verwenden lässt:

SpDrL, Fdl, Windischgarsten, 5.8.1987

Einen dieser "Zettel" müssen wir uns genauer ansehen: Am folgenden Bild sieht man, herausvergrößert aus der unteren Mitte des vorherigen Bildes, eine Rechnung, und zwar eine "Nebengebührenrechnung" für Wagenstandgeld. Die Firma Kallinger hatte einen Zementwagen zu entladen, der ihr am 20.7. um 12 Uhr beladen (Eintrag: 20 12 /) bereitgestellt worden war. Das Ende der Ladefrist wäre am Tag darauf um 10 Uhr (Eintrag: 21 10) gewesen, tatsächlich wurde der Wagen aber erst am 5.8. (also dem Tag meines Besuchs) um 6 Uhr früh leer retourniert (Eintrag 05 6 –). Als Konsequenz fielen 356(!) "wagenstandgeldpflichtige Stunden" an, in Summe "Oes 8270" netto, mit einer Umsatzsteuer von 20% ergab das eine Gesamtsumme von 9924 Schilling, das sind knapp 730€ – für nichts und wieder nichts? Vielleicht war es für Kallinger ja billiger, den aus irgendeinem Grund (noch) nicht benötigten Zement auf diese Art zu lagern (wurde damals nicht gerade die Pyhrnautobahn gebaut?).

Wie hoch wäre das Wagenstandgeld heute? Die angegebene Wagennummer ist nicht wirklich gut lesbar, aber nach einigem Herumprobieren mit der Selbstkontrollziffer entpuppt sie sich als 21-81-237 2 515-0. Im aktuellen "Österreichischen Gütertarif" ist für die Typennummer 2372 ein Wagenstandgeld von 60€ je angefangene 24h angegeben, das wären in diesem Fall 900€: Also – sag' ich einmal – praktisch gleich viel, oder vielleicht ein bisschen mehr.

Nebengebührenrechnung für Wagenstandgeld, Fdl, Windischgarsten, 5.8.1987

Aber nun kommen Fotos vom Museums-12SA. Das Bild der Hebelbank ähnelt stark der von Steyrling, allerdings waren doppelt so viele Riegelhebel vorhanden, weil sich die Weichen zum Ladegleis auch im durchgehenden Hauptgleis befanden:

Museales 12SA, Windischgarsten, 5.8.1987

Hier sieht man, dass die Signale nach österreichischer Norm mit R und Z (und am anderen Ende wohl mit A und H) bezeichnet waren – auf meinem 12SA waren sie nach alter Konvention mit A, B, C und D "durchbuchstabiert":

Museales 12SA, Windischgarsten, 5.8.1987

Einige der Hebel hatten noch die schönen geprägten Schilder, die bei meinem 12SA schon alle fehlen:

Museales 12SA, Windischgarsten, 5.8.1987

Im mittleren Abschnitt ist erstaunlicherweise kein einziger besonderer Ausschluss zu sehen – sie müssen sich an den Seiten der Anlage verbergen:

Museales 12SA, Windischgarsten, 5.8.1987

Ziemlich unscharf wurde das Foto der linken Seite, wo eine Fahrstraße eingelegt zu sein scheint:

Museales 12SA, Windischgarsten, 5.8.1987

Das Stellwerk befindet sich in einer kleinen Hütte:

Behausung des musealen 12SA, Windischgarsten, 5.8.1987

Und daneben ist ein Einfahrsignal samt seinem Vorsignal aufgestellt, die vom Stellwerk aus als Signal A und a bedient werden können:

Museumssignale zum 12SA, Windischgarsten, 5.8.1987

Zuletzt sieht man auf diesem Bild das wuchtige Bahnhofsgebäude, nebst einem "Postler" mit Postsack Richtung Linz samt einem der damals weit verbreiteten VW Golf der Österreichischen Post:

Bahnhof Windischgarsten, 5.8.1987

Freitag, 17. Oktober 2014

24 Hauptgleise, aber fast keine Weichenriegel, und viele weitere Besonderheiten: Selzthal, 1987

Eigentlich will ich in diesem Blog ja nur meine Fotos publizieren und mit ein wenig Anmerkungen versehen. Dann kommt aber doch die Neugier auf, wie das alles funktioniert hat – und leider habe ich vor 25 oder 30 Jahren viel zu wenig darauf geachtet, genauer nachzufragen und die Informationen aufzuschreiben.

Das Schreiben dieses Postings war ein spezieller Fall, weil dieser Bahnhof schon "sehr anders" ist. Es hat mich daher einige Stunden gekostet, weil ich auf den Fotos viele rätselhafte Einrichtungen fand, zu denen ich immer wieder falsche Theorien aufgestellt und wieder verworfen habe: Die Ba-Felder am Stellwerk 3 haben mich zuerst zur Einrichtung eines zweiten Befehlsstellwerks verführt, die Weichen 163/164 ließ ich vom Stellwerk 1 bedienen, diverse Tasten habe ich einmal so, einmal anders interpretiert. Ich denke, dass die folgende Darstellung nun keine Fehler mehr enthält – aber da ich das alles nur aus den (zu) wenigen Fotos erschlossen habe, kann ich auch im Einzelnen ein ganzes Stück danebenliegen. Viel Vergnügen, aber vielleicht auch Am-Kopf-Kratzen beim Lesen dieser Erklärungsversuche!


Selzthal hatte damals am Westende noch mechanische Stellwerke, am östlichen Ende gab es ein Drucktastenstellwerk. Die folgenden Bilder zeigen die Sicherungsanlagen, aber auch einige Triebfahrzeuge "von Osten nach Westen".

Selzthal hatte ursprünglich ein zentrale Fahrdienstleitung mit Befehlswerk sowie fünf Stellwerke besessen, so zeigt es zumindest der Plan bei sporenplan.nl mit dem Zustand von 1959. In den 1960er Jahren war dann am östlichen Bahnhofskopf das Drucktastenstellwerk 1 errichtet worden. Am Westende blieben die zwei 5007er Anlagen erhalten – das "neue" Stellwerk 2 war ursprünglich Stw.5 (im Plan bei sporenplan.nl fälschlicherweise mit Stw.4 bezeichnet), das "neue" Stellwerk 3 hieß ursprünglich Stw.6.

Leider habe ich das Zusammenwirken der Anlagen nicht aufgeschrieben und muss es daher aus den paar Bildern zu rekonstruieren versuchen – mit zweifelhafter Sicherheit. Es scheint aber so zu sein, dass das Stellwerk 1 Befehlsstelle für den ganzen Bahnhof war; die Befehlsabgabe für Zugfahrten am westlichen Bahnhofskopf erfolgte dabei an das Stellwerk 2. Über ein interessante Folgeabhängigkeit der Blockfelder wurde der Befehl von dort bei der Fahrstraßenfestlegung an das Stellwerk 3 "weitergegeben" – Details dazu weiter unten.

Am ersten Bild, das vom Stellwerk 1 aus aufgenommen ist, sieht man über das ganze Bahnhofsgelände hinweg. Die Bahnhofshalle ist in weiter Ferne gerade noch neben der Spitze des Mastes in der Mitte zu erkennen. Vor dem Kirchturm erkennt man einen Güterschuppen, der mitten zwischen den Gleisen steht: Es kann sich eigentlich nur um einen "Umladeschuppen" des Verschiebebahnhofs handeln, vielleicht auch eine kleine Wagenreparatur. Die zwei Streckengleise aus dem Ennstal und vom Pyhrn laufen ganz links direkt vor dem Stellwerk vorbei. Gegenüber 1959 waren offenbar auch die Gleisanlagen für den Verschub ziemlich umgestaltet worden:

Bahnhofsgelände, Selzthal, 5.8.1987

Hier steht der Fahrdienstleiter vor seinem Betätigungsfeld:

DrS-Stellwerk, Stw.1, Selzthal, 5.8.1987

Vom Stellwerk 1 wurde der ganze östliche Bahnhofsbereich gestellt, bis hin zu den Bahnsteiggleisen mit den zwei charakteristischen doppelten Gleisverbindungen (die zu entsprechend langen, aber stiegenfreien Umsteigewegen führten). Ganz am linken Rand des Stelltisches sind die westlichen Ausfahrsignale dargestellt. Neben ihnen sind Tasten angeordnet sind, die wohl zur Befehlsabgabe an das Stellwerk 3 dienen.
Neben Befehlen musste das Stellwerk 1 von den Stellwerken 2 und 3 auch Zustimmungen für Einfahrten erhalten. Die Gleise waren allerdings durchgehend isoliert, also war keine Zustimmung für das Freisein der Gleise nötig. Mir fällt als Grund nur ein, dass ein Verschub in ein Einfahrgleis natürlich nicht stattfinden durfte – die Zustimmung wäre in diesem Fall also eine "informelle" Zusage, die auf den Stellwerken 2 und 3 keine Verschlüsse herstellte. Die Anzeige und Bedienung (etwa Rückgabe) der Zustimmungen erfolgte jedenfalls ziemlich sicher mit den Tasten neben den Signaltasten und den jeweils drei dort leuchtenden Lichtpunkten:

DrS-Stellwerk, Stw.1, Selzthal, 5.8.1987

Nicht über den eigentlichen Ablaufberg, sondern über das danebenliegende Gleis wurde hier interessanterweise abgerollt:

Abrollen, Selzthal, 5.8.1987

Aus der Gegenrichtung kam eine RoLa mit Doppeltraktion:

1042.048 und 1044.056 mit RoLa 42300, Selzthal, 5.8.1987

Vom Gesäuse her steht eine Einfahrt:

DrS-Stellwerk, Stw.1, Selzthal, 5.8.1987

An der Unterkante des Stelltisches befinden sich Kanalwähler und Sprechtasten für den Rangierfunk:

DrS-Stellwerk, Stw.1, Selzthal, 5.8.1987

Noch ein paar Bilder vom Stelltisch, jeweils mit abgeschnittenem Kopf des Herrn Fahrdienstleiters:

DrS-Stellwerk, Stw.1, Selzthal, 5.8.1987

DrS-Stellwerk, Stw.1, Selzthal, 5.8.1987

DrS-Stellwerk, Stw.1, Selzthal, 5.8.1987

Lange habe ich mich offenbar nicht auf diesem Stellwerk aufgehalten – die nächsten Aufnahmen sind schon von außen. Interessant ist die Konstruktion der Schienen für die Sonnenblenden:

Stellwerk 1, Selzthal, 5.8.1987

An diesem eher ungemütlichen Tag stiegen aus dem Wald Nebelschwaden auf, und in einzelnen Häusern wurde – Anfang August! – geheizt:

Stellwerk 1, Selzthal, 5.8.1987

Die Anzeige in der Bahnsteigfahrdienstleitung habe ich zwei Tage früher aufgenommen:

Gleis- und Signalanzeige, Bahnsteig-Fdl, Selzthal 3.8.1987

Die Stellwerke auf der Westseite stelle ich nun doch in umgekehrter Anordnung vor, also zuerst das westliche Stellwerk 3 und erst dann das Stellwerk 2. Der Grund dafür ist, dass die Blockeinrichtungen in der Reihenfolge Stellwerk 1 ⇒ Stellwerk 3 ⇒ Stellwerk 2 voneinander abhingen.

Hier sehen wir die gesamte Anlage am Stellwerk 3 mit der doch relativ langen Hebelbank, auf der unterhalb des Blockapparats die vielen Plätze der ehemaligen Signalhebel frei sind. Unter dem Gleisanzeiger befindet sich eine lange Reihe von Fahrstraßenknebeln – immerhin hatte der Bahnhof auf dieser Seite 22 Hauptgleise, also insgesamt 88 Fahrstraßen (je eine Ein- und Ausfahrt Richtung St.Michael und Richtung Bischofshofen). Tatsächlich sehen wir hier am oberen Schieberkasten aber nicht 44 Knebel, sondern viel weniger – was ist da los? (Am unteren Schieberkasten befinden sich unter dem Blockwerk viele weitere Knebel, die allerdings keine Schieber für Fahrstraßen dieses Stellwerks bewegen – ihren Zweck sehen wir uns weiter unten an):

Hebelbank, Stw.3, Selzthal, 5.8.1987

Der folgende vergrößerte Ausschnitt gibt einen Hinweis auf die Lösung des Rätsels der fehlenden Knebel: Hier steht nicht, wie sonst praktisch immer, "von" oder "nach St.Michael", sondern "gegen St.Michael": Es gab also keine getrennten Fahrstraßen für Ein- und Ausfahrten!


Aber bedeutet das nicht, dass gerade bei den vielen Weichen auf diesem ja überhaupt nicht kleinen Bahnhof (noch einmal: 22 Hauptgleise auf diesem Bahnhofskopf!) für die Ausfahrten unnötig viele Riegelhebel umgelegt werden mussten, die ja sicherlich für die Einfahrten nötig waren? Hier erleben wir die nächste Überraschung: Es gab auf diesem Bahnhof praktisch keine geriegelten Weichen! Geriegelt waren nur die beiden Spitzenweichen von St.Michael (285) und Bischofshofen (288 – sie führt in ein Nebengleis!) sowie, interessanterweise, die bei einer Ausfahrt aus Gleis 5b gegen die Spitze befahrene Weiche 251, die zum Gleissperrschuh 1f führte!

Offenbar waren die 60km/h, mit denen in Österreich ungeriegelte Weichen von allen Zügen – auch Reisezügen – gegen die Spitze befahren werden dürfen, ausreichend für Einfahrten auf allen Gleisen. Tatsächlich kamen in Selzthal ja überhaupt keine Durchfahrten vor – mindestens ein Betriebsaufenthalt war immer vorgesehen, und alle Reisezüge hatten zumindest wegen der möglichen Umsteigerelationen auch immer einen Verkehrshalt. Dass die Spitzenweichen doch geriegelt waren, war wohl ein Zugeständnis für den Fall, dass ein Zug den Weichenbereich noch etwas zu schnell erreichte – ab der zweiten Weiche würde er dann ja doch nur mehr ungeriegelte Weichen befahren. Wieso außerdem auch noch die Weiche 251 mit einem Riegel versehen wurde, dafür habe ich keine Erklärung.

Im folgenden möchte ich an einer Fahrstraße zeigen, welche Weichen beteiligt waren. Zur Einleitung ein Bild der Signalanzeige samt dem Gleisplan des westlichen Bahnhofskopfes – es steht gerade eine Ausfahrt aus Gleis 1b, und anhand der Schrankenüberwachungen kann man sehen, dass diese Fahrt Richtung St.Michael gehen wird. Die ominöse Weiche 251 befindet sich knapp rechts neben dem obersten Ausfahrsignal, die Spitzenweichen sind die jeweils ersten Weichen nach den beiden Einfahrsignalen:

Signalanzeige, Stw.3, Selzthal, 5.8.1987

Am nächsten Bild habe ich eines der Schildchen am Gleisanzeiger vergrößert, damit man die "Riegelarmut" konkret sieht: Es handelt sich hier um Fahrten vom Gleis 1b nach Bischofshofen oder umgekehrt. Geriegelte Weichen sind hier als umrahmte Nummern dargestellt – es wird also bei dieser Fahrt gerade mal ein Riegelhebel umgelegt:


Ich habe diese Weichen auf dem folgenden Ausschnitt des Gleisplanes auf der Signalanzeige eingezeichnet:
  • grün sind Weichen in Grundstellung,
  • rot sind Weichen in Minusstellung,
  • gelb sind Flankenschutzweichen.
Die einzige geriegelte Weiche für diese Fahrstraße ist die Spitzenweiche 288, deren Nummer ich hier – so wie es auch auf dem Fahrstraßenschild der Fall ist – umrahmt habe. Interessant sind auch noch die zwei Weichen 283 und 285: Egal wie sie stehen, sie werden immer die Fahrt gefährden, daher ist es eigentlich unnötig, sie in einer bestimmten Stellung zu verschließen. Man kann natürlich, wie das in moderneren Stellwerken passiert, argumentieren, dass sie als "Eigenzwieschutzweichen" in einer "eher weniger gefährdenden Stellung" stehen sollen – aber es ist ziemlich unklar, welche Stellung das hier wäre. Meine Vermutung ist, dass diese Festlegung auf einfache Art verhindert, dass eine kreuzende Fahrt von oder nach St.Michael gestellt wird:


Einige kleinere Details noch zu diesem Bild:
  • Die Weiche 251 (die Weiche ganz links oben vor dem obersten Ausfahrsignal R5) wird nicht als Flankenschutzweiche verwendet, weil sie zu einem Gleissperrschuh vor einer Gruppe von Ladegleisen führt.
  • Bei der Weiche 286 ist am Gleisplan die Grundstellung falsch markiert: In der Grundstellung steht sie ins Gleis 2b.
  • Die Zuordnung des Verschubsignals V26b zum Stellwerk 2 (erkennbar an der gestrichelten braunen Linie) ist etwas erstaunlich: Denn das restliche Gleis wie auch die nächste Weiche 274 liegen unter Verantwortung des Stellwerk 3!
  • Unterhalb dieses Verschubsignals befinden sich zwei Wartezeichen mit "Vorrücksignalen" Vo248 und Vo249. Diese Signale waren damals allerdings schon längst Verschubsignalen gleichgestellt, und sie zeigten auch statt der ursprünglichen drei Lampen in Form eines V nur mehr zwei nach rechts ansteigende Lampen – genau wie Verschubsignale (nur viel näher aneinander, was aber ihre Bedeutung nicht änderte).
Aus diesem Detailbild des Gleisanzeigers habe ich das Schildchen für Gleis 1b oben herauskopiert. Links am Schieberkasten befinden sich die Schieberschlösser für die zwei Gleissperrschuhe Gs1u und Gs1h (die übrigens auf den waagrecht liegenden Beschriftungen der Schlösser falsch mit Gs U1 und Gs H1 angegeben sind). Der Sperrschuh 1h ist auf dem Bild oben hinter der Weiche 287 zu erkennen – wo sich allerdings die Weiche W1u samt ihrem Gleissperrschuh befindet, habe ich nicht herausgefunden:

Gleisanzeiger und Schieberschlösser, Stw.3, Selzthal, 5.8.1987

Wenden wir uns dem nächsten interessanten Teil dieser Anlage zu, nämlich dem Blockwerk. Hier sehen wir die zwei Blockapparate für Fahrten Richtung Bischofshofen und St.Michael. Und schon hier erkennt man, dass sich auf diesem Blockapparat sowohl Befehlsempfangs- wie auch Befehlsabgabefelder befanden – äußerst ungewöhnlich! Auch die lange Reihe der Knebel müssen wir uns genauer ansehen:

Blockapparat, Stw.3, Selzthal, 5.8.1987

Hier sieht man den Blockapparat Richtung St.Michael, auf dem man erkennt, dass die meisten Felder so wie üblich für eine eingleisige Strecke sind: Ts+Be nach St.Michael, dann das Ff-Feld und zuletzt Be+Ts von St.Michael. Außergewöhnlich ist aber das Fa-Feld ganz links sowie das Ba-Feld in der Mitte. Das letztere wird mit einer Doppeltaste gemeinsam mit dem Ff-Feld bedient, und daraus kann man das Zusammenwirken der Felder erkennen:
  • Vom Stellwerk 1 kam der Befehl für eine Fahrt.
  • Nach dem Stellen und Verschließen der Weichen blockte der Stellwerker hier am Stellwerk 3 sein Ff-Feld – zugleich damit wurde aber über das Ba-Feld "RMY an Stw.2" ein weiterer Befehl an das Stellwerk 2 gegeben, seinen Teil der Fahrstraße festzulegen.
  • Die dortige Festlegung entblockte hier das Fa-Feld, sodass der passende Signalknebel umgelegt und damit das Signal auf Frei gestellt werden konnte.
Bei der Auflösung musste (wohl)
  • zuerst das Fa-Feld geblockt werden, ...
  • ... sodass das Stellwerk 2 den Befehl zurückblocken konnte.
  • Erst danach (und natürlich nach dem Springen der Tastensperre) konnte nun hier der Befehl an das Stellwerk 1 zurückgegeben werden.
  • Ob die Fahrstraßenauflösung dann nach alter Tradition vom Befehlsstellwerk (also Stellwerk 1) aus erfolgte, oder ob die Befehlsrückgabe direkt die Fahrstraße auflöste (wie am Stellwerk 3 in Bruck a.d.Leitha) weiß ich nicht – ich würde aber zu letztem tendieren.
Hier wäre übrigens die alte österreichische Bezeichnung der Ba-Felder tatsächlich etwas sinnvoller gewesen: Sie hießen ja früher einfach "Signalverschluss", ohne dass damit eine Aussage über die Rolle des Bedieners gemacht worden wäre: Befehlsabgabe impliziert ja, dass hier ein Fahrdienstleiter tätig ist (nur er darf Befehle geben!), was hier nicht stimmt.
Was mir nicht klar ist, ist das Verhalten der Anlage bei Fahrten auf jenen Gleisen, wo das Stellwerk 2 nicht beteiligt ist: Das waren die Fahrten auf den Gleisen 4b und darunter, also 2b, 1b, 3b und 5b. Das Ba-Feld wurde ja auf jeden Fall geblockt, aber lief dann das Be-Feld am Stellwerk 2 auch mit, oder wurde es weggeschaltet (was ich vermute)? Die Freigabe der Signale lief in diesem Fall dann nur über das Ff-Feld und nicht, wie bei den Fahrstraßen ab Gleis 8, zusätzlich noch über das Fa-Feld vom Stellwerk 2 her.

Noch einige Worte zu den Knebeln: Viele der hier sichtbaren dienen der Steuerung der Befehlsabgabe Richtung Stellwerk 2. Das Gleis war zwar über den passenden Fahrstraßenknebel am oberen Schieberkasten (die wir weiter oben gesehen haben) ausgewählt, aber die direkte Schaltung der Blockfelder und die Freigabe der richtigen Signale über diese Knebel sowie die Be-Felder wäre zu aufwendig gewesen (man kommt dabei zu Kontaktanzahlen, die mit dem Quadrat der Gleisanzahl steigen; und die mechanischen Abhängigkeiten der Schieber sind oft gar nicht mehr in einem Schieberkasten unterzubringen). Daher sind hier wie auf einem Befehlswerk eigene Knebel für die Auswahl der Fahrstraßen oder Fahrstraßengruppen angebracht, die – im Gegensatz zu den eigentlichen Fahrstraßenknebeln – auch nach Richtung unterscheiden, z.B. "n.M" und "v.M" für "nach"/"von St.Michael". Zwischen diesen Knebeln befinden sich jene zum Stellen der Signale, nämlich
  • RM (Stellen eines Ausfahrsignals für eine Fahrt nach St.Michael)
  • Y (Einfahrsignal von St.Michael)
  • RB (Stellen eines Ausfahrsignals für eine Fahrt nach Bischofshofen)
  • Z (Einfahrsignal von Bischofshofen)
Natürlich kann man nicht zugleich eine Einfahrt und Ausfahrt etwa Richtung Bischofshofen stellen, und insofern kann man sich fragen, wieso nicht statt zweier getrennter Knebel dafür ein Knebel mit zwei Umschlagrichtungen vorgesehen wurde. Der Grund dürfte in der Projektierung der mechanischen Abhängigkeiten (oder der Abhängigkeiten von den Blockfeldern) liegen, die sich wohl mit zwei getrennten Schiebern einfacher durchführen ließ:

Blockapparat Richtung St.Michael, Stw.3, Selzthal, 5.8.1987

Der Blockapparat Richtung B'hofen ist prinzipiell gleich aufgebaut. Rechts sieht man zusätzlich die Zustimmungstasten Richtung Stellwerk 1, mit der ZGT (Zustimmungsgruppentaste) für die Abgabe und – so nehme ich an – der ZRT (Zustimmungsrücknahmetaste) für eine vorzeitige Rücknahme. Mir fehlt allerdings hier eine Sicherung gegen die Rücknahme, sei es ein Zählwerk oder zumindest eine Hilfssperre – denn eine solche Rücknahme wird ja wohl das entsprechende Einfahrsignal am Stellwerk 1 unvermittelt auf Halt geworfen haben ...

Am unteren Schieberkasten sehen wir weitere "Befehlsfahrstraßenknebel" sowie, links daneben, Knebel zum Stellen von Verschubsignalen. Wozu der eine, rot markierte Knebel am oberen Schieberkasten dient, ist leider aus der Beschriftung nicht zu ersehen – denn die Schildchen links und rechts davon beschreiben ja wohl die jeweils darunterliegenden Knebel.

Zwischen den Blockwerken sieht man eine der damals schon sehr seltenen "Mitten-Induktorkurbeln":

Blockapparat Richtung Bischofshofen, Stw.3, Selzthal, 5.8.1987

Die nächste Besonderheit: Hier ist die Hebelbank von der anderen Seite aufgenommen, und man sieht auf ihr einen zusätzlichen Gleisanzeiger für vier Fahrstraßen. Diese vier Fahrstraßen sind für die Gleise 36 und 38, jeweils nach St.Michael bzw. Bischofshofen. Tatsächlich sieht man am Vergleich des Gleisplans auf der Signaltafel mit jenem bei sporenplan, dass irgendwann das Gleis 38 neu eingezogen worden sein muss. Hier sieht man auch noch einmal, dass wegen der praktisch vollkommen fehlenden Riegel die Hebelbank für diesen großen Bahnhofskopf (ok – nur den halben, der Rest ist am Stellwerk 2) doch sehr klein ist:

Hebelbank, Stw.3, Selzthal, 5.8.1987

Am Blockaufsatz befand sich die Überwachung zweier Schrankenanlagen:

Blockaufsatz, Stw.3, Selzthal, 5.8.1987

Zwischen den Sicherungsanlagen hier einmal ein Bild von Fahrzeugen, das ich vom Stellwerk 3 aus aufgenommen habe: Im Heizhaus stehen die 1042.606 und eine weitere 1042 sowie die 2043.054 und warten ...

Heizhaus Selzthal, 5.8.1987

Danach habe ich mich auf die Wanderschaft zum Stellwerk 2 begeben. Unterwegs habe ich wieder einmal die 1067.004 erwischt – das ist aber, denke ich, mein letztes Foto von ihr:

1067.004, Selzthal, 5.8.1987

Die Drehscheibe wurde gerade irgendeiner Wartung unterzogen, ich habe mich aber leider nicht näher drum gekümmert:

Wartung der Drehscheibe, Heizhaus Selzthal, 5.8.1987

Vor dem Lokschuppen standen zwei schon ziemlich ausgeschlachtete Reste:

Eine 1080 und eine 1067, Heizhaus Selzthal, 5.8.1987

Aber auch noch aktives Material war unterwegs:

1042.611, Heizhaus Selzthal, 5.8.1987

Das nächste Bild zeigt die beiden Vorrücksignale auf den Wartezeichen, die ich oben schon erwähnt habe:

"Vorrücksignale" (Verschubsignale) Vo248 und Vo249, Selzthal, 5.8.1987

Doch nun kommen wir zum Stellwerk 2. Als erstes sehen wir uns die Signalanzeigetafel mit dem Gleisplan an. Weil das Stellwerk 2 in die andere Richtung schaute als das Stellwerk 3, war auch der Gleisplan um 180° gedreht. Man erkennt, dass die Hauptsignale hier nur als Symbol dargestellt sind, weil sie ja vom Stellwerk 3 aus gestellt wurden. In der Bahnsteigdarstellung waren aber zumindest zwei grüne Lampen angebracht, die das Freistehen eines Ausfahrsignal anzeigten. Auch die Stellung einzelner Verschubsignale wurde dargestellt, und darüberhinaus die Stellung und vor allem Belegung der Weichenverbindung zwischen den Gleisen 8 und 10, die für Fahrten im Gleis 8 relevant war, die ja auch am Stellwerk 1 gestellt werden konnten (dazu gab ein Zustimmungsfeld, das man gleich sehen wird). Links oben hing ein Schlüssel für das Freischalten von vier (Not-)Halttasten für Aus- und Einfahrsignale:

Signalanzeige, Stw.2, Selzthal, 5.8.1987

Die Hebelbank hier ist wirklich von ganz links bis rechts besetzt: Da von hier aus nie Hauptsignale bedient wurden, sind beim Umbau auf Lichtsignale auch keine Hebel entfallen. Hinter der Hebelbank sieht man eine Merktafel hervorlugen, auf der auch die Gleisbesetzungen zu vermerken waren – die Gleisnummern gehen interessanterweise bis Gleis 40, obwohl das Gleis 38 das letzte Hauptgleis war.

Blockapparat und Hebelbank, Stw.2, Selzthal, 5.8.1987

Vom Blockapparat habe ich leider kein eigenes Bild aufgenommen, daher habe ich aus dem vorherigen Bild den folgenden Ausschnitt herausgeschnitten (die große Auflösung der Dias macht das möglich). Der Apparat hat eine ganze Reihe von Besonderheiten, die ich nicht alle erklären kann. Außerdem sind leider alle Hebel davor gegen die Grundstellung nach oben gestellt, sodass eine ganze Menge von Aufschriften verdeckt ist.

Zum ersten sieht man hier je zwei Ff- und Be-Felder für die Fahrten Richtung St.Michael und Bischofshofen (wir erinnern uns: Die "Befehle" kamen bei der Fahrstraßenfestlegung vom Stellwerk 3, die Fahrstraßen wurden auch von dort aufgelöst). Die zugehörigen Ts-Felder befanden sich oberhalb der Be-Felder – ein Foto dazu kommt gleich.

Des weiteren sieht man links ein Zustimmungsfeld. Es meldete ziemlich sicher die Grundstellung der Weichenverbindung 163/164 zwischen Gleis 8 und 10 an das Stellwerk 1, sodass dort Aus- und Einfahrten auf Gleis 8 möglich waren – die Weiche 163 lag ja innerhalb des Gleises 8. Am Gleisplan auf der Signalanzeige sind auch zwei zugehörige Lampen "ZAR" (Zustimmungsanforderungs...? -rückmelder?) und "ZRR" (Zustimmungsrückgabe...?) zu sehen.

Am Za-Feld befindet sich unten eine Taste, deren Beschriftung durch die häufige Benutzung abgerieben ist, sodass nur mehr "-Taste" zu lesen ist: Sie diente dazu, die elektrischen Hebelsperren an den Weichenhebeln der Weichen 163, 164 und 248 anzuschalten, die alle isoliert waren (solche "Batterietasten" waren früher üblich, um die Batterien von kurzen Isolierabschnitten an Weichen nur bei Bedarf zu belasten, weil das Anziehen des Sperrmagneten ja nur während des Umstellens der Weiche erforderlich war).

Rechts neben den Blockfeldern befinden sich wie beim Stellwerk 3 Zustimmungstasten an das Stellwerk 1, diesmal für Fahrten auf den Gleisen 10 bis 38. Außerdem sind dort offenbar die Bedientasten für die Vorrücksignale angebracht – ich glaube eine "LT Vo248", also "Löschtaste für das Vorrücksignal 248" entziffern zu können, und die für das Vo249 wird dann nicht fehlen:

Blockapparat, Stw.2, Selzthal, 5.8.1987

Am Blockaufsatz befanden sich die zwei Ts-Felder zu den Be-Feldern. Weil sie ausnahmsweise direkt nebeneinanderlagen, waren sie in einem gemeinsamen Gehäuse untergebracht – ein sehr seltene Konstruktion (ich habe sie schon einmal gezeigt, müsste den Bahnhof aber wieder heraussuchen). Links neben den Feldern ist ein Wecker "W163/164" angebracht, über den wohl das Stellwerk 1 die Zustimmung für die Grundstellung dieser Verbindung (also das Blocken des Za-Feldes) anforderte. Direkt neben den zwei Feldern dienen umgekehrt zwei Tasten "Auff.anStw.3zuFaRMY" und "Auff.anStw.3zuFaRBZ" (ja, so dicht aneinandergeschrieben!) dazu, das Stellwerk 3 zur Fahrstraßenauflösung aufzufordern. Und zwei weitere Wecker dienten der Anforderung vom Stellwerk 1 für die zwei Verschubsignale V42W und VR42 am Lokumlaufgleis 42:

Blockaufsatz, Stw.2, Selzthal, 5.8.1987

Hier ist noch ein Bild der Hebelbank von der anderen Seite. Man sieht noch einmal die randvolle Besetzung, und ein Detail, das ich gleich bespreche:

Hebelbank, Stw.2, Selzthal, 5.8.1987

Das erwähnte Detail ist ganz am rechten Rand des Gleisanzeigers erkennbar: Dort sind über einer Knagge zwei Gleise notiert, nämlich Gl.36/38. Am Gleisanzeiger fehlt folgerichtig auch die Fallklappe, stattdessen sind Lampen zur Anzeige des angeforderten Gleises angebracht (aber wieso zwei je Gleis?). Die ganze Konstruktion ist ziemlich sicher wegen der oben erwähnten Erweiterung um ein Hauptgleis erfolgt, und dabei wollte man nicht ein vollkommen neuen Schieberkasten aufbauen – das wäre nötig gewesen, weil er ja offenbar bis zum letzten Knebelplatz belegt war. Offenbar musste nun ein Schieber in einer Richtung sowohl Fahrten auf Gleis 36 als auch auf Gleis 38 festlegen.

Aber wie konnte dann der Verschluss der Weiche 211, die zwischen diesen beiden Gleisen verzweigte, sowie der Weiche 210, mit der das Nebengleis 40 vom Gleis 38 abzweigte, erfolgen? Ich weiß es nicht – die eine Idee, die ich hätte, wären elektrische Hebelsperren: Aber solche sieht man auf dem vorherigen Bild nicht für die Weichenhebel vorne für Weichen in diesem Nummernbereich (ganz am anderen Ende der Hebelbank sind tatsächlich drei solche Sperren zu erkennen, für die Weichen 163/164 der schon mehrmals erwähnten Verbindung zwischen Gleis 8 und 10 sowie die Weiche 248 – dazu gehört ja die schon erwähnte Taste am Za-Feld zu ihrer Aktivierung). Vielleicht ist also doch ein weiterer Schieber eingebaut worden, dessen Knebel irgendeinen vorher freien Platz "außer der Reihe" erhielt und der sich irgendwo hinter den Weichenhebeln verbirgt – und die Lampenkonstruktion hat nur die Erweiterung des Gleisanzeigers unnötig gemacht:

Gleisanzeiger, Stw.2, Selzthal, 5.8.1987

Noch ein letzter Blick auf die Bahnhofsgleise – eine 1010.016 steht wartend am Gleis 10, während von links eine 1042 wohl als Verschubfahrt daherkommt (vorderer Stromabnehmer angelegt!):

1010.016 und eine 1042, Selzthal, 5.8.1987

Dann habe ich das Stellwerk verlassen, aber es – im Gegensatz zum Stellwerk 3 – auch noch von außen aufgenommen, wenn auch mit störendem Masten davor:

Stellwerk 2, Selzthal, 5.8.1987

Zuletzt hat noch die Bahnhofshalle ein Bild verdient, die wie eine kleine Schwester jener in Salzburg aussah:

Bahnhofshalle, weit im Hintergrund eine 1042(.017?) und eine 1080(.002?), Selzthal, 5.8.1987

Und das war's von meinem (einzigen) Besuch auf diesen, im Nachhinein besehen, überaus interessanten Stellwerken eines wichtigen Knotenpunktes im österreichischen Eisenbahnnetz!