Bei sporenplan.nl gibt es diesen Gleisplan von Lienz. Die eingezeichneten DKWs waren immer schon EKWs und in den 80ern schon lange ausgebaut.
Obwohl ich ein Sicherungsanlagen-Freak bin, habe ich die Lienzer Stellwerkstechnik irgendwie stiefmütterlich behandelt. Erst jetzt, im Rückblick, weiß ich, was für interessante und meines Wissens seltene Bauteile dort im Einsatz waren.
Lienz war Zugbildebahnhof. Unter anderem wurden der noch verbliebene "Sammler" 78010 (mhm – die Zugnummern sind aus der Erinnerung; ich könnte mich hier beliebig irren – Richtigstellungen werden gern entgegengenommen! Wo sind nur meine Bildfahrpläne, wo ich das zuverlässiger sagen könnte???) von Spittal nach Lienz hier zerlegt und neu zusammengestellt. In der Regel wurde er dann wohl mit Wagen, die am Vormittag von Villach gekommen waren, weiter auf die Reise nach Innichen geschickt. Trotz des recht umfangreichen Verschubs waren alle Weichen in Lienz ortsbedient. Das Stellwerk 1 auf der Westseite war deshalb an Werktagen mit drei Mann besetzt, zwei waren zum Weichenstellen eingeteilt, der dritte im Stellwerk für Signalbedienung und die Bedienung des Schrankens über die Amlacher Straße zuständig. Diese Straße führte übrigens direkt über die Weichenstraße, wo der Verschub mit der 2062.14 stattfand, und zwar durch Abstoßen: Aufschalten, Entkuppeln, Bremsen; Aufschalten, Entkuppeln, Bremsen; je nach Anzahl der Wagengruppen auch vier- oder fünfmal, bevor ein Zurückziehen angesagt war. Daher war der Schranken mitunter auch 15 oder 20 Minuten geschlossen. Das führte natürlich zu immerwährenden Reibereien der Lienzner, die auf der anderen Seite des Schrankens oder der Drau wohnten, mit der Bahn (schlussendlich wurde dann in den 90er Jahren beim Umbau des Bahnhofs eine ziemlich steile Unterführung gebaut, um dieses Problem loszuwerden).
Dis Abhängigkeit zwischen Weichen und Signalen wurde in jedem Stellwerk durch ein Zentralschloss hergestellt. Hier sieht man jenes vom Stellwerk 1 (Innichner Seite) ...
... und hier jenes vom Stellwerk 2 (Spittaler Seite):
Die Weichenschlüssel sperrten Hakenschlösser – hier eines der wenigen Bilder, die ich von sowas gemacht habe:
- Der obere Teil des Fotos (ich war damals sparsam mit den teuren Rahmen ...) zeigt das gesperrte Schloss – der Haken kann nur nach oben geklappt werden, wenn die Zunge an der Backenschiene dicht anliegt;
- Der untere Teil zeigt die stellbare Weiche – der Haken liegt nun unter der Zunge, und der Schlüssel ist festgehalten:
Übrigens gab es diese Hakenschlösser auch in der Form, dass der Haken die abliegende Zunge geprüft hat – dazu war der oben sichtbare Haken in die andere Richtung aufgesetzt. Das hat einen Vorteil und einen Nachteil:
- Der Vorteil ist, dass bei vollständig abliegender Zunge bei der anderen Zunge der Spitzenverschluss eingeklinkt sein muss, während beim oben gezeigten Hakenschloss das nicht sichergestellt ist. Diese Prüfung ergibt sich einfach daraus, dass der "Einklinkbewegung" der anliegenden Zunge eine Stellbewegung der abliegenden Zunge entspricht, die man eben überprüfen kann. Diese Prüfung auf eingeklinkten Verschluss bietet erhöhte Sicherheit beim Befahren gegen die Spitze!
- Der Nachteil ist, dass die obige Prüfung nur stattfindet, wenn die Stellstange unversehrt ist (nicht verbogen, nicht gebrochen). Das obige Schloss hingegen prüft die anliegende Zunge direkt, ohne die "Indirektion" über die Stellstange.
Die Freigabe der Signale erfolgte über Befehlsfelder aus der Fahrdienstleitung. Hier ist das dortige Befehlsblockwerk:
In den Stellwerken standen entsprechende kleine Blockwerke, die die Signale freigaben. Im Stellwerk 2 wurde das Einfahrsignal über einen Doppelhebel gestellt, das Ausfahrsignal über einen Einfachhebel. Hier sieht man eine gestellte Einfahrt von Spittal auf Gleis 1:
Für die Ausfahrt aus Gleis 5 war ein Ze-Feld vorhanden, da die Weiche 30 direkt vor der Fahrdienstleitung lag (sie führte auf das Ladegleis 7); für eine Ausfahrt aus Gleis 5 musste der der Sperrschuh in Gleis 7 aufgelegt sein, und die zugehörige Weiche 30 über die Folgeabhängigkeit zum Sperrschuh in die Gerade gesperrt.
Im Stellwerk 1 stand ein gleichartiger Signalhebelbock mit Blockwerk – aber hier wird es interessanter! Hier sehen wir diesen Anlagenteil, ebenfalls mit einer Einfahrt auf Gleis 1:
- Der Hebel ganz rechts außen ist der Vorsignalhebel a – ein normaler Hebel mit 500mm Stellweg.
- Der Hebel links davon stellt das zweiflügelige, nicht-gekuppelte Einfahrsignal A. Wie geht das ohne einen Doppelhebel? Dieser Hebel ist ein "kleiner Madnerhebel" (siehe diese Diskussion im EBFÖ):
- Durch Stellen nach oben wird das Signal einflügelig freigestellt (wie wir's hier sehen).
- Man kann den Hebel aber auch "leer" – ohne gezogene Handfalle – nach oben stellen, dann die Handfalle ziehen und nun "nach unten freistellen": Das führt zu einem zweiflügeligen Freistellen.
- Der Hebel links stellt das Ausfahrsignal. Er ist ein Hebel für 250mm Stellweg – das sieht man an dem Anschlag, der etwas oberhalb der Mitte auf der linken Seite an der Kettenrolle angebracht ist. Die Funktion dieses Hebels ist etwas trickreich, soviel ich mich erinnern kann: Die Halbierung der Bewegungsgeschwindigkeit vom Hebel zur Kettenrolle wird durch einen dazwischengeschalteten "Zughebel" bewirkt, der sich mit einer kleinen Rolle in einem Schlitz der Kettenrolle bewegt. Wenn man es sieht, versteht man sofort, wie's funktioniert – beschreiben lässt es sich schwer, und eine Zeichnung davon kenne ich bisher nicht.
Übrigens: Schon wenige Jahre später waren diese Stellwerke Geschichte und wurden durch Neu(!!!)bauten mit
- Rankapparat(!!) in der Fahrdienstleitung
- fernbedienten drahtzuggestellten Weichen(!!) mit 5007er-Stellwerken
- und entsprechenden Bahnhofblockwerken
(Text und Bilder ergänzt:) Zu dieser Zeit habe ich auch die alten Anlagen noch einmal (wieder sehr spartanisch) aufgenommen:
Wieso die "neuen alten Stellwerke"? Es soll damals in der Direktion Villach ein älterer Ingenieur die Entscheidungsbefugnis gehabt haben, der solche Anlagen – nicht nur in Lienz, sondern z.B. auch in Fürnitz – noch neu bauen ließ, inklusive neuer Hochbauten. Ein nicht von der Hand zu weisender objektiver Grund war aber, dass die Lienzer Weichen alle auf Stahlschwellen lagen und sich nicht isolieren ließen – der Umbau aller Weichenstraßen war aber nicht im Budget (ich weiß nicht, ob damals schon die Elektrifizierung geplant wurde und daher der ganze Umbau sowieso nur ein "mittleres Provisorium" war).
Die Lienzer Stellwerke waren aber sicher die letzten Zuckungen des Baus mechanischer Stellwerke – und auch Lienz steht nun schon seit geraumer Zeit ein ESTW.
Nach Lienz wurden unter anderem noch einzelne 12sa-Signalstellwerke wie Eberschwang oder Antiesenhofen gegen 5007 ersetzt sowie die heutigen Mittelstellwerke in Bad Ischl; Pöls und Vordernberg errichtet. Letzteres hat allerdings auf der Hebelbank ausschließlich Hebelersatzschlösser. Zuvor wurden in den 1970er Jahren ebenso noch etliche andere 5007 errichtet.
AntwortenLöschenVielen Dank für dieses kleine Puzzlestück der österreichischen Sicherungsanlagengeschichte!
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