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Ab diesem Beitrag versuche ich, die Funktionen des Stellwerks im Detail zu beschreiben. Ich setze dabei voraus, dass die grundlegenden Aufgaben von mechanischen Stellwerken bekannt sind – dazu gibt es Beschreibungen am Internet und auch weiterführende Literatur. Insofern sind diese Postings vor allem was für "Eingeweihte"; wenn aber jemand auch einführende Fragen hat, kann er oder sie sich gern an mich wenden.
Dieser erste Teil einer Detailbeschreibung beschäftigt sich mit dem gegenseitigen Verschluss von Weichenhebeln und Fahrstraßen (eine der grundlegenden Funktionen eines Stellwerks).
Das Verschließen eines Weichenhebels durch eine Fahrstraßen-Schubstange ist beim 12SA alles andere als trivial. Ich versuche hier eine Erklärung anhand mehrerer Bilder. Vorher muss man aber verstehen, wie das Umstellen einer Weiche beim 12SA vor sich geht. Hier sieht man meine Wenigkeit, wie ich die Weiche 5 umstelle:
Zuerst hebt man das Sperrgewicht an. Dadurch gibt eine Klinke den Rand der "Stellrolle" (meine Bezeichnung – ich kenne die Originalbezeichnungen für das 12SA nicht) frei:
Durch das Ziehen der Handfalle wird der Hebel ganz freigegeben, und die Weiche kann umgestellt werden:
Nach dem Umstellen der Weiche lässt man die Handfalle wieder aus ...
... und das Sperrgewicht nach unten fallen:
Wenn man genau schaut, sieht man – vor allem im Vergleich mit den Sperrgewichten der anderen Weichenhebel –, dass das Sperrgewicht nun etwas tiefer steht als vorher; das wird sich als wesentlich herausstellen.
Sehen wir uns die zusammenwirkenden Teile für den Weichenhebelverschluss einmal einzeln an. Schon am Stellwerk sieht man, dass ein Weichenhebel (im Gegensatz zu den anderen Hebeln) zwei "Rollen" hat – ich nenne sie die Stellrolle und die Kettenrolle. Die Stellrolle ist fest mit dem Stellhebel vernietet; die Kettenrolle wird von der Kette umschlungen, die mit den Stelldrähten zur Weiche verbunden ist.
Ich werde später die Details eines Weichenhebels noch beschreiben – hier ist wesentlich, dass Kettenrolle und Stellrolle über zwei Druckfedern kraftschlüssig verbunden sind; beim Auffahren der Weiche wird diese Verbindung (etwas brutal) gelöst. Wir bauen nun den Weichenhebel aus und sehen uns an beiden Rollen die Ausnehmungen an, die beim Verschluss mitspielen:
a. An der Stellrolle gibt es zwei Ausnehmungen (je eine für Plus- und Minus-Lage), in die die oben erwähnte Klinke am Sperrgewichtshebel eingreift (wir sehen sie gleich). Die zwei Ausnehmungen sind
verschieden tief: Jene für die Pluslage ist weniger tief, jene für die Minuslage tiefer in den Rand eingeschnitten. Das wird für die Funktion des Verschlusses, die ich weiter unten beschreibe, wesentlich sein:
b. An der Kettenrolle gibt es
je beteiligter Fahrstraßenschubstange ebenfalls je eine Ausnehmung für Plus- und Minus-Lage:
c. Hier sieht man bei ausgebautem Weichenhebel im Überblick die Teile, die am Hebelplatz für den Verschluss relevant sind – links der zweiarmige Sperrgewichtshebel mit dem Sperrgewicht, darunter die Fahrstraßen-Schubstangen:
Hier sieht man die wesentlichen Teile detaillierter und mit Beschriftungen versehen (
ich bezeichne Fahrstraßen hier z.B. mit Li-A1
für Ausfahrt aus Gleis 1 nach Links
; das hat den Vorteil, dass die Fahrstraße gleich beschrieben ist wie die Markierungen neben den Fahrstraßenhebeln. Irgendeiner sonstigen Norm folgt das nicht ...):
Der "besondere Verschluss" interessiert uns momentan nicht – ich habe ihn nur beschriftet, falls jemand wissen will, was das für ein Teil ist.
Fahrstraße Li-A1
Wir konzentrieren uns nun darauf, wie die Weiche 5
nur für die Fahrstraße Li-A1 verschlossen wird. Die zugehörigen Verschlussstücke auf der Fahrstraßenstange sind im folgenden Bild markiert – wieso ich ihnen diese Namen gegeben habe, wird hoffentlich später klar; der Sperrgewichtshebel hängt hier links nach unten:
Im folgenden Bild sieht man, wie der Sperrgewichtshebel bei Plus-Lage (Grundstellung) der W5 steht. Zusätzlich habe ich die Konturen der zwei Rollen eingezeichnet, mit Unterbrechungen an jenen Stellen, wo sie Ausnehmungen haben:
Wieso weiß ich, dass hier der Sperrgewichtshebel in der Plus-Lage steht? Weil – siehe a. oben – die Stellrollen-Ausnehmung für die Plus-Lage die
weniger tiefe ist – daher steht der Sperrgewichtshebel hinten etwas nach unten! Er steht aber noch so hoch oben, dass das linke Verschlussstück (das man hier nicht mehr sieht, weil es vom Sperrgewichtshebel verdeckt ist – siehe Foto davor)
unter dem hinteren Ende durchpasst.
Außerdem ist in dieser Stellung in der Kettenrolle eine tiefere Ausnehmungen an der Stelle des hinteren Stellungsprüfers (auch des vorderen – aber diese Fahrstraße interessiert uns hier nicht):
Daher kann die hintere Schubstange nun durch den Fahrstraßenhebel nach rechts bewegt werden:
Bei dieser Bewegung wird die Stellung der Kettenrolle durch den linken, höheren "Höcker" des Stellungsprüfers nur
geprüft: Bei vollständig eingelegter Fahrstraße ist der Stellungsprüfer ganz durch die Kettenrolle durchgeschoben und hält diese nicht mehr fest. Der Grund dafür ist (sicher), dass ein Auffahren der Weiche – bei dem sich die Kettenrolle gewalttätig dreht – nun das Stellwerk nicht beschädigt.
Wie wird die Weiche nun aber verschlossen? Das geschieht nur dadurch, dass das linke Verschlussstück das hintere Ende des Sperrgewichtshebels daran hindert, sich nach unten zu bewegen: Dadurch hält er mit seiner Klinke die Stellrolle fest.
Wieso kann bei dieser Stellung der Weiche nicht auch die Fahrstraße Li-A2 eingelegt werden? In der Kettenrolle ist ja eine
tiefe Ausnehmung, daher würde der rechte, niedrigere "Höcker" des Stellungsprüfers sich nach rechts durch die Kettenrolle bewegen können! Hier kommt das
rechte Verschlussstück ins Spiel: Es schlägt am Sperrgewichtshebel an, der ja wegen der
weniger tiefen Ausnehmung in der Stellrolle etwas weiter unten steht, und verhindert damit die Bewegung der Stange nach links.
Zusammengefasst:
- Das rechte Verschlusstück verhindert das Einlegen der Fahrstraße Li-A2 (d.h. es prüft die Pluslage der Weiche).
- Der Stellungsprüfer prüft (nur beim Einlegen der Fahrstraße Li-A1) die Endlage der Weiche.
- Das linke Verschlussstück legt über den Sperrgewichtshebel den Weichenhebel fest.
... alles klar? Es hat auch bei mir ein wenig gedauert, bis ich mir das alles vorstellen konnte – obwohl ich die ganze Maschinerie ja direkt angreifen kann. Trotzdem kann man im eingebauten Zustand des Weichenhebels nicht zuschauen, was sich da abspielt (vielleicht, wenn man hinter dem Stellwerk steht, aber da ist bei mir eine Wand ...).
Fahrstraße Li-A2
Wie werden diese Funktionen für die Fahrstraße "Li-A2" ausgeführt? Hier ist ein Bild, das die Stellung des Sperrgewichtshebels bei Minus-Stellung der W5 zeigt:
Der Sperrgewichtshebel steht nun hinten ein Stück
höher, weil die "Minus"-Ausnehmung in der Stellrolle ein wenig
tiefer eingeschnitten ist. Beim Einlegen der Fahrstraße (Stange geht nach links) bewegt sich der rechte, niedrigere Höcker des Stellungsprüfers durch die Kettenrolle und prüft dadurch die Endlage der Weiche. Zugleich schiebt sich das rechte Verschlussstück unter den Sperrgewichtshebel und verschließt damit die Weiche:
Wie wird hier das Einlegen von "Li-A1" verhindert? Diesmal ist nicht ein Verschlussstück, sondern der Stellungsprüfer dafür verantwortlich: Sein höherer Höcker lässt sich nämlich nicht nach rechts durch die niedrigere Ausnehmung der Kettenrolle schieben!
Zusammengefasst:
- Der Stellungsprüfer verhindert das Einlegen der Fahrstraße Li-A1 (d.h. er prüft die Minuslage der Weiche).
- Der Stellungsprüfer prüft (nur beim Einlegen der Fahrstraße Li-A2) die Endlage der Weiche.
- Das rechte Verschlussstück legt über den Sperrgewichtshebel den Weichenhebel fest.
Man sieht, dass die Funktionen für die zwei Fahrstraßen auf der Schubstange
verschieden aufgeteilt sind! – eine, nun ja, schon etwas trickreiche Konstruktion, würde ich sagen.
Verschlussstücke und Stellungsprüfer für verschiedene Fahrstraßenstangen
Wenn man waagerecht über die Verschlusstücke und Stellungsprüfer hinwegpeilt, sieht man, dass sich ihre Höhen für die Fahrstraßenstangen für Li-A1/A2 und Li-E1/E2 unterscheiden:
Auch die Tiefe der Ausnehmungen an Stell- und Kettenrolle scheint nicht gleich zu sein. Prinzipiell könnte daher jedes Verschlusstück und jede Ausnehmung bei der Stellwerksprojektierung einzeln konstruiert worden sein. Da die Geometrie durch die Lage der Fahrstraßenschubstangen, Größe und Lage der Rollen und des Sperrgewichtshebels aber schon sehr eingeschränkt ist, kann man sich vorstellen, dass die möglichen Sperrlagen einmal in einem "Katalog" aufgezeichnet wurden und dann bei der Projektierung daraus abgelesen wurden. Wenn ich das Stellwerk einmal (für den Transport) ganz zerlege, messe ich vielleicht alle Verschlussstücke nach – vielleicht wird die Antwort dann klar(er).
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