Dort stand ein Rankapparat mit einem nicht ganz üblichen Befehlsblockwerk: Für jede der drei eingleisigen Strecken war nur ein Befehlsabgabefeld vorhanden. Prinzipiell ist die Sicherheit dieser "Sparausführung" genau gleich wie bei der Regelausführung mit getrennten Befehlsabgabgefeldern für Ein- und Ausfahrt – wieso war sie dann nicht Standard? Mit fällt als möglicher Grund nur ein, dass diverse Schaltungsteile bei einem zusammengelegten Feld komplizierter werden, weil Stromkreise über zusätzliche Kontakte (auf der Welle der Knagge, mit der E oder A ausgewählt wird) geführt werden müssen. Das ist allerdings eine nackte Theorie ...
Befehlswerk, Fdl, Marchegg, 25.7.1984
Einen passenden Gleisplan von Marchegg findet man bei sporenplan.nl übrigens hier.
In den Achtzigerjahren waren Speichenräder bei Eisenbahnwagen schon lange nicht mehr Stand der Technik. Daher war es jedesmal etwas Besonderes, einem Waggon mit solchen Rädern begegnen. Im Laufe der Jahre habe ich vielleicht zehn solche Exemplare gesehen – und soviel ich mich erinnern kann, waren alle bei der SNCB eingestellt. Es scheint, dass in Belgien länger als sonst überall die Aufarbeitung von Speichenrädern betrieben wurde:
Wagen der SNCB mit Speichenrädern, Marchegg, 25.7.1984
Das 5007er-Stellwerk im Stellwerk 2 ist bei genauerem Hinsehen ein ziemlich spezieller Apparat: Normalerweise gibt es für die Ein- und Ausfahrten getrennte Fahrstraßenknaggen, oder – auf Stellwerken ist das allerdings viel seltener – eine Knagge wird für Ein- und Ausfahrt in zwei verschiedene Richtungen umgelegt. In Marchegg gab es nur eine Knaggenstellung für jedes der acht Hauptgleise, aber zusätzlich eine Knagge "v | n", was wohl "von | nach", d.h.Einfahrt oder Ausfahrt bedeutet. Da die Fahrstraßenschieber nicht unterscheiden können, ob eine Ausfahrt oder Einfahrt gestellt wird, müssen sie in jedem Fall alle befahrenen Weichen gleich verschließen. Bei der Stellung der Weichen gibt es da keinen Unterschied, wohl aber bei ihrer Verriegelung: Nur von Reisezügen gegen die Spitze befahrene Weichen müssen verriegelt werden. Üblicherweise wird das durch getrennte Fahrstraßenschubstangen erreicht, oder indem eine Fahrstraßenschubstange für Ein- und Ausfahrt jeweils in eine andere Richtung verschoben wird. Das geht in dieser Anlage so nicht.
Nun ist die Spitzenweiche 61 auch für beide Stellungen eine Verriegelung vorgesehen, wie man an dem Doppelsteller-Riegelhebel R61 sieht. Diese Verriegelung ist aber sicher nur bei einer Einfahrt nötig – daher müsste diese eine Abhängigkeit über die "v|n"-Knagge abgedeckt werden. Wenn die Mechanik dafür einfach gehalten ist, kann die entsprechende Schieberstange allerdings nur prüfen, dass die Weiche verriegelt ist, aber nicht, ob der Riegelhebel in der richtigen Stellung steht (weil die Stange ja bei allen Fahrten über die Weiche 61 die gleiche Bewegung ausführt). Andererseits wird die Stellung der Weiche 61 ja durch die Fahrstraßenschieberstangen überprüft, und daher ist der einfachste mögliche Fehlerfall, dass die Weiche korrekt gestellt ist, aber in der Gegenrichtung verriegelt ist – dazu muss aber wohl mindestens ein Doppelfehler auftreten. Mir fällt nur der Fall ein, dass beide Riegelstangen an der Weiche gebrochen sind – und auch dann ist es unwahrscheinlich, dass sich die Weiche problemlos falsch herum riegeln lässt.
Hebelbank, Stw.2, Marchegg, 25.7.1984
Der Blockapparat hingegen war vollkommen normal mit den üblichen fünf Feldern für eine eingleisige Strecke bestückt. Oberhalb des Blockapparats befand sich die Signalanzeige- und -bedientafel, wo mit den Signaltasten R bzw. Z und der Signalgruppentaste SGT die Signale gestellt werden konnten. Daneben gab es natürlich eine Haltgruppentaste, um ein Signal im Notfall auf Halt zu stellen – im Regelbetrieb fällt es bei Befahren der Isolierschiene für die Auslösung der Tastensperre auf Halt:
Blockapparat und Signalbedienung, Stw.2, Marchegg, 25.7.1984
Hier sieht man das Stellwerk von außen, direkt davor das Gruppenausfahrsignal für die Gleise 1, 2, 4, 6 und 8:
Ausfahrsignal R1-8 und Stellwerk 2, Marchegg, 25.7.1984
Auf der Westseite standen vier Formsignale, wobei wegen der zwei abgehenden Strecken (nach Stadlau und nach Gänserndorf) die Signale H1 und H3-7 ungekuppelt zweiflügelig waren. Hier sieht man übrigens schön einige Unterschiede zwischen österreichischen und deutschen Formsignalen, u.a.
- Rohrmast (österr.) vs. Schmalmast (dt.)
- überschlagende Flügel (österr.) vs. nicht überschlagende Flügel (dt.)
- Antrieb der Flügel über Stelldrähte (österr.) vs. Antrieb über Stellstangen (dt.):
Signale H4-8, H2, H1 und H3-7, 2067.90 als Reserve, Marchegg, 25.7.1984
Als Reserve tat die 2067.90 Dienst, die hier unter der markanten Straßenbrücke über die Ausfahrgleise durchfuhr:
2067.90 als Reserve, rechts Stellwerk 1, Marchegg, 25.7.1984
Am Stellwerk 1 war die Hebelbank noch voll bestückt. Von hinten nach vorn sieht man folgende Signalhebel:
- Einfahrvor- und -hauptsignal a und A (zweiflügelig ungekuppelt, mit Doppelhebel) von Stadlau.
- Einfahrvor- und -hauptsignal b und B (zweiflügelig ungekuppelt, mit Doppelhebel) von Gänserndorf.
- Ausfahrsignale H3-7 und H1, jeweils zweiflügelig ungekuppelt und mit einem Doppelstellerhebel: Am abgeschliffenen Rand der Kettenrollen merkt man, dass hier der Hebel leer nach oben gestellt werden kann; durch Ziehen der Handfalle kuppelt er dann ein, wonach das Signal zweiflügelig freigestellt wird.
- Ausfahrsignale H2 und H4-8, jeweils zweiflügelig gekuppelt und daher mit Einfachhebel.
Wenn ich mir überlege, wie die Mechanik dazu aussehen muss, werde ich nicht ganz schlau, wozu das nötig ist: Die Fahrstraßenknaggen z.B. der Ausfahrten aus den Gleisen 4 bis 8 Richtung Stadlau müssen ja einen gemeinsamen Neutralschieber verschieben. Wenn alle Ausfahrten Richtung Gänserndorf nun denselben Neutralschieber verschieben, dann könnte dieser direkt mechanisch das Signal H4-8 freigeben. Zusätzlich müssten allerdings auch die beiden Be-Felder über eine "ODER-Logik" verbunden sein – vielleicht lässt sich das alles einfacher bewerkstelligen, wenn man getrennte Schieber für Stadlau und Gänserndorf vorsieht; und dann eben mit der einen Knagge einen kleinen Signal-Neutralschieber bewegt, der die Stellung des Neutralschiebers aus den Fahrstraßen und jene der Blockfelder überprüft und dann unabhängig von der Umstellrichtung das Signal freigibt.
Noch eine Beobachtung: Laut der Gleisbesetzungstafel im Hintergrund sind alle Hauptgleise bis auf Gleis 5 besetzt. Der Bahnhof platzt aus allen Nähten.
Hebelbank und Blockapparat, Stw.1, Marchegg, 25.7.1984
Hier sieht man die Anlage samt ihrem Bediener des Tages in voller Schönheit – inklusive Madnerhebeln und, weiter vorne, Doppelsteller-Riegelhebeln:
Hebelbank, Blockapparat, Gleisanzeiger und der Herr Stellwerker, Stw.1, Marchegg, 25.7.1984
Der Blockapparat hatte, wie die Fahrdienstleitung, je Strecke nur ein Be-Feld – das habe ich, soweit ich mich erinnern kann, auf einem Stellwerk sonst nirgends gesehen: In der Regel wurden wenigstens am Stellwerk die Be-Felder nach Fahrtrichtung getrennt (wie das ja auch am Stellwerk 2 der Fall ist):
Blockapparat, Stw.2, Marchegg, 25.7.1984
Kurz später fuhr ein Zug ein, der dann nach einem Lokwechsel Richtung (damals noch) Tschechoslowakei weiterfahren würde:
2050.13 mit 70526, Marchegg, 25.7.1984
Direkt vor dem Stellwerk habe ich noch einen Isolierstoß mit Hartholzlasche entdeckt (Isolierstöße sind ein notorisch schwieriges Thema – ein isolierendes Material, das nahezu so stark wie Stahl ist und sich mit diesem auch verbinden lässt, ist nicht aufzutreiben. Heutzutage verwendet man in der Regel geklebte Isolierstöße):
Marchegg, 25.7.1984
Fast zuletzt sieht man hier noch eine 2050 samt ihrem Fabriksschild:
2050.16, Marchegg, 25.7.1984
2050.16, Marchegg, 25.7.1984
Und ganz zuletzt ist hier die CSD-Diesellok zu sehen, die den grenzüberschreitenden Verkehr durchgeführt hat:
T478.3148, Marchegg, 25.7.1984
T478.3148, Marchegg, 25.7.1984