Im Mai 1990 sind wir von Lienz aus, wo wir den 60. Geburtstag meiner Mutter gefeiert hatten, mit der Bahn zu einem Italienurlaub aufgebrochen. Und beim Umsteigen in Innichen konnte ich da zufällig drei Bilder aufnehmen, die ich tatsächlich als historisch bezeichnen würde. Vorher kommen aber noch drei Bilder, die sozusagen jedermann aufnehmen hätte können ...
Innichen hatte damals tatsächlich noch eine mechanische Sicherungsanlage mit zwei Endstellwerken – und auf der Lienzer Seite standen dafür noch zwei Formsignale. Das erste, das Vorsignal, war allerdings schon lange nicht mehr eingebunden und stand immer in Stellung Vorsicht (ich habe es auch sieben Jahre vorher aufgenommen):
Einfahrvorsignal, San Candido/Innichen, Mai 1990
Das Einfahrsignal, ein klassisches österreichisches zweiarmiges Formsignal, war dagegen – wie auch zwei Jahre vorher – stellbar:
Einfahrsignal, San Candido/Innichen, Mai 1990
Die Elektrifizierung war fertiggestellt, und für einige Jahre war der Güterverkehr auf dieser Strecke groß genug, dass sich in Innichen immer wieder mehrere Triebfahrzeuge der zwei Bahnen trafen. Ein Exemplar der damals relativ neuen kleinen Verschubloks der Reihe 214.4000 war dort auch stationiert und offenbar gut beschäftigt:
ÖBB 1044.019, FS E636 065, ÖBB 1042.630 und FS 214 4168, San Candido/Innichen, Mai 1990
Hier kommen nun aber die noch interessanteren Bilder – nämlich von den Sicherungsanlagen. Damals war es in Italien nicht leicht, zu Sicherungsanlagen vorzudringen – schon gar nicht, wenn man so wie ich praktisch kein Wort italienisch kann. Nun ist Innichen alter Tiroler Boden, aber die Herren auf der Eisenbahn verstanden in den meisten Fällen kein Wort deutsch (ob tatsächlich oder weil sie das so wollten, will ich nicht beurteilen). Aber irgendwie habe ich es geschafft, für einige Minuten in die Fahrdienstleitung zu kommen – und dort stand tatsächlich das alte Befehlswerk noch aus Monarchiezeiten: Es muss zu diesem Zeitpunkt also um die 75 Jahre oder älter gewesen sein. Von der Bauart war es ein Siemens&Halske-Knebelwerk, noch mit der ganz alten Knebelbauart. Die Aufschriften waren natürlich schon in den 1920ern gegen italienischsprachige getauscht worden, und so stand da nun, von rechts nach links, auf wunderschön gegossenen Schildern:
- Arrivi da Lienz
- Chiusura deviatoi
- Partenze per Lienz
- Partenze per Fortezza
- Chiusura deviatoi
- Arrivi da Fortezza
- Einfahrten aus Lienz
- Verschluss der Weichen [Richtung Lienz]
- Ausfahrten nach Lienz
- Ausfahrten nach Franzensfeste
- Verschluss der Weichen [Richtung Franzensfeste]
- Einfahrten aus Franzensfeste
Wie auch immer: Ich bilde mir ein, dass außer mir niemand eine Aufnahme dieses Apparats besitzen dürfte:
Befehlswerk, Fdl, San Candido/Innichen, Mai 1990
Auf einer zweiten Aufnahme sieht man die Vorderseite leider viel dunkler. Dafür kann man an der Seite die "Zulieferung aus Österreich" in Form der Erinnerungsschilder für Hilfssperren erkennen:
Befehlswerk, Fdl, San Candido/Innichen, Mai 1990
Zuletzt gibt es noch ein weiteres Bild, nämlich vom Bedienpult der neuen Sicherungsanlage, die hier gerade geprüft wird. Davor sitzt der Fahrdienstleiter (capo del movimento), der hier offenbar ganz klassisch eine Meldung in einem Vormerk erfasst:
Bedienpult des neuen Relaisstellwerks, Fdl, San Candido/Innichen, Mai 1990
Das war's von diesem altösterreichischen und dann italienischen Bahnhof, den ich danach nie mehr besucht habe. Vielleicht findet jemand diese Bilder so interessant wie ich!