Leider habe ich meine Referenzen zu und Kopien von Gleisplänen nicht nach Jahreszahlen sortiert; deshalb tue ich mir schwer, einen passenden Plan zu finden – also für einen kleinen Bahnhof an einer eingleisigen Strecke, eher Richtung östliches Deutschland, und eben aus den frühen Zeiten. Eine Gleisplansammlung, immerhin, kann ich verwenden: Als "Vierter Supplementband" des "Organs" (das ist der Kurzname der Zeitschrift des VDEV: "Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens in technischer Beziehung") ist im Jahr 1870 die "Sammlung bewährter Bahnhofsgrundrisse von den Bahnen des VDEV" erschienen. Die Pläne haben keine Jahreszahlen ihres Entwurfs oder letzten Umbaus, aber sie sind zumindest alle "ziemlich alt"; und tatsächlich sieht man ihnen, nach etwas Herumblättern, schon an, ob sie "ganz alt" (eher vor 1850) oder nur "alt" (eher zwischen 1850 und 1865) sind. Scans sind u.a. bei der Bayerischen Staatsbibliothek und der Universitätsbibliothek Darmstadt online verfügbar.
Signale, oder "Telegraphen", sind nur in ganz wenigen der Gleispläne angedeutet. Stellwerke gibt es natürlich überhaupt keine, Weichenbuden oder Weichenwärter oder auch "Schilderhäuser" und ähnliches sind aber schon an mehreren Stellen eingezeichnet. Ich zeige hier einige besondere Beispiele, samt Anmerkungen, was aus betrieblicher Sicht interessant aussieht. Danach werde ich zwei Pläne für eine "kleine Zwischenstation" und, im übernächsten Posting, einen "Bahnhof mit Maschinenwechsel" skizzieren, die dann endlich für die Beschreibung von Zugfahrten herhalten dürfen, wie ich sie mir vorstelle!
Der erste Plan aus dem "Supplementband", den ich mir genauer ansehe, ist die "Kleine Zwischenstation Stadtoldendorf" auf der Braunschweigischen Eisenbahn. Der Plan zeigt noch die eingleisige Version mit einem Achssprung, allerdings sind die Ergänzungen für den zweigleisigen Ausbau auch eingezeichnet. An jedem Bahnhofskopf gibt es ein Wärterhaus, neben dem jeweils in "Telegraph" eingezeichnet ist – also ein Formsignal für die Informationsübertragung entlang der Strecke; aber vielleicht, in den 1860ern, auch schon an den Zug? Vor dem Stationsgebäude sind allerdings auch zwei kleine Kreise eingezeichnet und mit "Streckenhäuser" beschriftet: Könnte es sich dabei um Läutewerke handeln? – ich habe diesen Begriff sonst noch nie gelesen oder gehört. Belassen wir's einmal bei diesem alten Plan, auf dem – sonst selten genug – immerhin die Telegraphen Erwähnung finden (Ein Klick auf jeden Plan öffnet ein lesbareres Bild – manchmal ein sehr großes):
Den nächsten Plan habe ich nicht wegen der Signalisierung ausgesucht, sondern wegen des Anschlusses der Güteranlagen: Im Bahnhof Weinheim der Main-Neckar-Bahn waren alle Ladegleise nur über eine Wagendrehscheibe mit etwa 8 Meter Durchmesser erreichbar, was Lokomotivverschub praktisch ausschloss. Was offenbar möglich war, war eine Direktverladung zwischen einem Streckengleis und dem Güterschuppen – eilige Güter konnten so wohl direkt in einen Zug verladen werden. Alle anderen Wagenladungen wurden aber von Hand verschoben. Für deutsche Bahnhöfe war das offenbar eher unüblich: Max Maria von Weber bemängelt eher das Fehlen von Drehscheiben im Deutschland (im Gegensatz zu Großbritannien), weil er sie für ein effizientes Verschubmittel hielt, denn grundsätzlich wurde wohl ein Großteil des Verschubs von Hand vorgenommen, oder vielleicht, wenn verfügbar, mit einem Pferd.
Nur zum Vergleich zeige ich den folgenden Plan den Bahnhof Mürzzuschlag am steirischen Fuße der Semmeringbahn. Natürlich hatte er ein umfangreiches Heizhausgelände samt Werkstätten, um die schwer angestrengten Steilstreckenmaschinen in Schuss zu halten. Am Gleisplan sind aber drei Dinge bemerkenswert:
- Erstens einmal die Querverbindungen, über die rechtwinklig zu den durchlaufenden Gleisen Wagen versetzt werden konnten. Die verwendeten Drehscheiben müssen weniger als vier Meter Durchmesser gehabt haben; und sie liegen auch in Gleisen, die durch Züge befahren werden – nur die zwei durchgehenden Hauptgleise sind ausgespart.
- Zum zweiten sind eine ganze Menge "Schilderhäuser" eingezeichet; das erste direkt neben dem Wächterhaus bei der bergseitigen Weiche Richtung Heizhaus für Schiebelokomotiven, dann eines bei den ersten Verzweigungsweichen usw. Die Abstände sind jeweils ca. 100 Wiener Klafter (dem Maßstab auf dem Plan fehlt eine Beschriftung! – aber auf der Folgetafel kann sie im Plan von Wiener Neustadt gesehen werden) oder 190 Meter. Ich interpretiere sie als das, was in vielen anderen Plänen mit W.B. für "Weichenbude" bezeichnet ist. Daran kann man m.E. ablesen, dass Bahnhöfe mit stärkerem Betrieb auf dem Gelände viele Weichensteller verteilt hatten – Stellwerke waren, wie gesagt, noch in weiter Ferne.
- Erstaunlich ist die Streckenbemaßung; die Abstände zwischen den durchnumerierten Punkten betragen, soviel ich sehe, 50 Klafter – was allerdings keinem mir bekannten alt-österreichischen Maß entspricht; die österreichische Meile hatte 4000 Klafter, sodass die Streckenbemaßung auch nicht in Hunderstel Meilen erfolgt sein kann. Hm.
Doch zurück zu einem kleineren Bahnhof, aber doch "mit Maschinenwechsel": Holzminden, wieder an der Braunschweigischen Eisenbahn. Dieser Plan ist in braunschweigischen Ruthen bemaßt, zu jeweils ca. 4,56 Meter; die Streckenbemaßung erfolgte, soviel ich sehe, von 10 zu 10 Ruthen, also etwa alle 45 Meter. Der Bahnhof hat eine einzelne Drehscheibe, die in einer der beiden (Sägezahn-)Zufahrten zum "Maschinenhaus" liegt und etwa 3 Ruthen oder knapp 14 Meter Durchmesser hat, also zum Drehen von Lokomotiven vorgesehen war. An – hier durchgängig so bezeichneten – Wärterhäusern gibt es vier, mit Abständen von 55, 45 und 65 Ruthen oder 250, 200 und 300 Metern. Und hier finden wir tatsächlich auch zwei Telegraphen eingezeichnet, einmal beim äußersten Wärter No.4 und dann noch beim Wärter No.2, direkt neben dem Stations-Gebäude und damit also wohl nahe dem Bureau des Stationsbeamten; leider fehlt ausgerechnet hier ein Detailplan dieses Gebäudes.
Ein Beispiel für einen offenbar nicht unwichtigen Bahnhof, der trotzdem relativ wenige Gleise aufweist, ist Hengelo an der Niederländischen Staatsbahn. Trotz nur drei Bahnsteiggleisen in dieser Abzweigstation gibt es einen "Locomotivschuppen" für vielleicht sechs Maschinen samt natürlich einer Drehscheibe im Zulaufgleis. Auch auf diesem Bahnhof sind vier Wächterhäuser eingezeichet; leider fehlt jegliche Bemaßung, ich würde die Abstände aber auch auf 200 bis 300 Meter schätzen.
Püspökladany, an der Theiss-Bahn, liegt (heute) im östlichen Ungarn. Der Gleisplan ist mit "Zwischenstation mit Maschinenwechsel" überschrieben, und tatsächlich finden wir ein Heizhaus mit zwei Gleisen und eine Drehscheibe. Die Streckenbemaßung passt hier mit der österreichischen Meile zusammen: Zwischen zwei Markierungspunkten sind 40 Wiener Klafter, also eine Hunderstelmeile. Zwischen den äußersten Weichen ist der Bahnhof 480 Klafter lang, das sind 900 Meter. Ein Schilderhaus, mit "Signale"(!), befindet sich ganz am linken Ende, ein Wärterhaus am rechten Ende, wo zwei eingleisige Strecken abgehen und wo sich ebenfalls die Bezeichnung "Signale", diesmal an m.E. zwei kleinen Kreisen, findet. Weitere Gebäude für Wärter entdecke ich nicht – im Grundriss des Aufnahmegebäudes findet sich aber ein Raum "Telegraph", wo ich einen Wärter für einen Perron-Telegraphen oder auch nur für den Transport mündlicher Befehle sitzen sehe.
Zuletzt, damit von Damitz' Schlesien auch noch vorkommt, der Plan des etwas größeren Görlitzer Bahnhofs, an dem sich die Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn (N.M.), Berliner-Görlitzer Eisenbahn (B.G.) und die Sächsische Staatsbah (S.S.) trafen. Der Bahnhof erstreckt sich ca. von Meile 33,36 bis 33,63, ist also 0,27 Meilen oder gut 2 Kilometer lang. Auf dieser Länge sind elf mit "W.B.", also Wärterbude oder Weichenbude, bezeichnete Gebäude angeordnet: Im Mittel alle 200 Meter eines, wobei sie sich an manchen Stellen häufen. Von Signalen weiß dieser Gleisplan leider nichts.
Ich hoffe, dass ich nicht zu viel "Cherry-Picking" betrieben habe; aber mir scheint, dass sich da schon ein gewisses gemeinsames Bild herauskristallisiert: Alle 200 Meter ein Weichenwärter; und an den äußersten Wärterhäusern "Telegraphen", wenn solche bei der jeweiligen Eisenbahn in Betrieb waren. Gerne kann jeder meiner Leser auch die anderen Gleispläne in diesem Werk, und natürlich auch weitere aus dieser Zeit aus anderen Quellen, nach weiteren Spuren von Gebäuden und Einrichtungen für den Betrieb durchsuchen! – ich wäre dann auch neugierig auf weitere Erkenntnisse oder auch andere Deutungen!
Für meine Bahnhöfe A und B schnitze ich mir nun relativ willkürlich zwei Gleispläne, die mit diesen Erkenntnissen zusammenpassen. Ich beginne hier mit dem Bahnhof A, einer "kleinen Zwischenstation". Der Plan von B kommt, wenn wir dort eine Zugkreuzung durchspielen.
Wieviele Weichen gebe ich meiner Zwischenstation? Auf S.84 schreibt Damitz, dass er für seine Strecke 110 vollständige Weichen à 100 Thlr vorsieht; ich gebe den zwei Endbahnhöfen jeweils ungefähr 25, den zwei Lokwechselstationen jeweils 15: Dann bleiben noch 110 – (25+25+15+15) = 30 Weichen für die vier kleineren Bahnhöfe, also bekommt jeder circa 8 Weichen zugeteilt. Das reicht grade schön für drei Gleise und ein wenig davon wegführende Ladegleise. Im Großen und Ganzen passt das gut auf den Plan von Stadtoldendorf (zu eingleisigen Zeiten), daher habe ich den mehr oder weniger abgezeichnet, mit einer zusätzlichen Wagendrehscheibe samt Kohlehof – "so war das halt". Die Gleise bezeichne ich nach der alten preußischen Methode (gelernt von vauhundert im MAPUD – vielen Dank!), einfach weil sie mir gefällt. Hier ist mein Stationsplan von A:
Und ... dann lassen wir endlich einmal einen Zug fahren!