English version of this posting
Zwischen Rotkreuz und Zug liegt Cham, und dort habe ich eine – finde ich – erstaunliche Anlage aufgenommen. Der Gleisplan des Bahnhofs, den man auf dem folgenden Gleisbild sieht, ist nicht sehr aufregend: 3 Hauptgleise (Gleis 2, 3 und 4), direkt vor dem Ankunftsgebäude das Ladegleis 1 mit Güterschuppen, links ein Abstell- und ein Ausziehgleis, und auf der rechten Seite mündet noch ein Industrieanschluss mit einem eigenen Rangiersignal. Alle Signale sind Lichtsignale, die Ausfahrsignale sind, wie damals in der Schweiz bei kleineren Stationen weitgehend üblich, Gruppenausfahrsignale:
Gleistafel, Cham, 21.8.1988
Das folgende Bild zeigt die ganze Sicherungsanlage. In der Mitte sieht man die vier Hebel für die Hauptsignale – die natürlich nur mehr elektrisch ihre Lichtsignale steuern. Davor ist die Seilscheibe eines fünften Hebels zu sehen, der mit "Von Anschlussgleis E" beschriftet ist – er stellt also offensichtlich das Rangiersignal. Interessanter ist die Weichenbedienung: Die elektrischen Weichen werden wie in
Grenchen Süd über umgebaute Fahrstraßenhebel gestellt, die links und rechts der Signalhebel angeordnet sind. Erstaunlich ist aber der Fahrstraßenverschluss: Sie befindet sich
oberhalb der Hebelbank, in dem braunen Kasten:
Sicherungsanlage, Cham, 21.8.1988
Hier sieht man diese Fahrstraßenhebel – eher eine Art kleine Kurbeln – aus der Nähe. Mir scheint, dass dies eigentlich ein Freigabewerk einer Fahrdienstleitung war, das mit einem getrennten Stellwerk kommunizierte, mit eigenen Fahrstraßenschubstangen im Inneren für den gegenseitigen Ausschluss, aber ohne mechanische Verbindung zum Verschlussregister des Stellwerks. Wenn ich raten müsste, würde ich zuerst einmal denken, dass
- früher das Stellwerk außerhalb der Weichenhebel noch wie üblich Fahrstraßenhebel hatte;
- dass diese aber beim Umbau zu elektrischen Weichen entfielen (weil aus den Fahrstraßenhebeln Weichenhebel wurden?) und dafür aus irgendeinem anderen Bahnhof das Freigabewerk herangeschleppt und hier für den nun rein elektrischen Verschluss der Fahrstraßen umgebaut wurde.
Fahrstraßenverschluss, Cham, 21.8.1988
Obwohl ... das folgende Foto von der Rückseite der Anlage zeigt ziemlich sicher, dass es hier eine
mechanische Verbindung der kleinen Kurbeln nach unten zu einem Verschlussregister gab – was bedeutet, dass die Anlage
original schon so aufgebaut gewesen war: Was dann jedenfalls eine sehr außergewöhnliche Konstruktion ist – von
obenliegenden Fahrstraßenhebeln bei einem mechanischen Stellwerk habe ich sonst noch nie etwas gehört oder gesehen oder gelesen!
Rückseite der Sicherungsanlage, Cham, 21.8.1988
Die Fragen lassen sich aber heute noch klären: Offenbar ist das Stellwerk als Museumsanlage erhalten geblieben! Ich habe zwar keine Webseite gefunden, die sie beschreibt, aber zumindest
hier und
hier sind Bilder zu sehen, die Folgendes zeigen:
- das Verschlussregister ist nun hinter einer Plexiglasabdeckung sichtbar;
- auf der linken Seite sind wieder mechanische Weichenhebel (statt der umgebauten Fahrstraßenhebel) aufgebaut;
- und vor allem sieht man Verbindungsstangen vom Fahrstraßenkasten oben nach unten, die offenbar nicht elektrische Leitungen führen (womit ich auch spekuliert hatte), sondern eben mechanisch eine Bewegung übertragen – man hätte sicher nicht acht einzelne und genau senkrechte dünne Rohre für Drahtleitungen verwendet.
Und so einmalig ist die Anlage in Cham nicht: Auf der ersten der beiden Webseiten oben findet man
Bilder von Hinwil, die einen gleichartigen Fahrstraßenverschluss zeigen – aber zurück nach Cham!
Hier sieht man die drei Weichenhebel auf der linken Seite (die heute wieder durch mechanische Hebel ersetzt sind), mit den aufgesetzten Hebelsperren. Nach unten verschwinden Stangen zu einem senkrecht angeordneten Verschlussregister – was auch für eine mechanische Verbindung mit den Kurbeln spricht, weil ja die Fahrstraßenschubstangen des Registers bewegt werden müssen:
Weichenhebel, Cham, 21.8.1988
Rotkreuz ist auf diesen Hebeln noch mit "th" geschrieben – im Gegensatz dazu steht es neben den Fahrstraßenkurbeln mit "t", sodass dort wohl später neue Schildchen angebracht wurden, aus welchem Grund auch immer:
Signalhebel, Cham, 21.8.1988
Signalhebel, Cham, 21.8.1988
Neben der Hebelbank stand ein Integraschalterwerk mit einem einzigen Schalter für eine Barriere. Der hauptsächliche Zweck war die Blockbedienung:
Schalerwerk, Cham, 21.8.1988
Irgendwo gab es diese kleine Steuerung für Fahrleitungsschalter. Der Verputz lässt mich vermuten, dass dieses Kästchen am Bahnsteig angebracht war – ein Umstellen durch Bahnfremde war durch die querliegende Blechschiene verhindert, die man mit einem Vierkant aufsperren und wohl ein Stück verschieben musste:
Fahrleitungsschalter, Cham, 21.8.1988
Leider ist das Bahnhofsfoto von der Gleisseite her am Abend unscharf geworden – ich zeige es dennoch, weil man sieht, dass damals noch in solchen kleinen Unterwegsbahnhöfen ein "Rangiertraktor" stationiert war, der zumindest den Postwaggon an einen durchgehenden Zug schieben konnte. Hier in Cham hat er wohl auch den oben erwähnte Industrieanschluss bedient (war der durchgehend elektrifiziert?):
Bahnhof, Cham, 21.8.1988
Das Foto von der Straßenseite ist dafür verwendbar:
Bahnhof, Cham, 21.8.1988