Samstag, 19. Januar 2013

Simmering Aspangbahn, 1986

Vom Aspangbahnhof bin ich weiter nach Simmering Aspangbahn gefahren. Dort ging die zweigleisige Strecke in eine eingleisige über:

Die Sicherungsanlage war ein Mittelstellwerk der Bauart 5007, dessen Formsignale durch Lichtsignale ersetzt worden waren:

Mittelstellwerk, Fdl, Simmering Aspangbahn, 29.11.1986

Hier sieht man die Hebelbank von vorne, leider etwas überblendet. Insgesamt gab es drei Ff-Felder, zwei für die zweigleisige Strecke zum Aspangbahnhof, eines für das Streckengleis zum Zentralfriedhof. Die Lichtsignale wurden über Schlüsselschalterwerke bedient. Das hatte einen weitgehenden Umbau der 5007er Anlage erspart – es waren nur die Formsignalhebel durch Hebelersatzschlösser ersetzt worden:

Hebelbank mit Blockapparat, Fdl, Simmering Aspangbahn, 29.11.1986

Hier sieht man die Schlüsselschalterwerke für die Lichtsignale:

Schlüsselschalterwerke, Fdl, Simmering Aspangbahn, 29.11.1986

Schlüsselschalterwerk für Signale A und H2, Fdl, Simmering Aspangbahn, 29.11.1986

Auch zwei Schranken lagen im Bereich dieses Bahnhofs:

Schrankenüberwachungen und Streckentelefon, Simmering Aspangbahn, 29.11.1986

In diesem Bahnhof gab es, wie in vielen anderen, keine isolierten Schienen. Stattdessen wurden die Fahrstraßenfelder von Hand aufgelöst:

Fahrstraßenauflösetasten, Simmering Aspangbahn, 29.11.1986

Die Weiche 31 musste wegen der gedrängten Lage über einen Winkelhebel gestellt werden:

Weiche 31, Simmering Aspangbahn, 29.11.1986

Weiche 31, Simmering Aspangbahn, 29.11.1986

Zum Schluss noch ein Bild des ziemlich schmalen Bahnhofs. Link, neben dem Fahrleitungsmast, kann man das Weichensignal der W31 erkennen; der Grund für die komplizierte Winkelhebelkonstruktion dürfte also sein, dass auf der gegenüberliegenden Seite, also direkt am Bahnhofsgebäude, noch weniger Platz war – womöglich für den Weichenbock, aber vielleicht auch für einen Verschieber, der sich dort gefahrlos aufhalten können müsste:

Bahnhof, Simmering Aspangbahn, 29.11.1986

Mittwoch, 16. Januar 2013

Wien Aspangbahnhof, 1986

Ende November 1986 habe ich einige Bahnhöfe der Aspangbahn in Wien besucht:
und dann noch Wien Mitte.

Der Aspangbahnhof bestand aus zwei Teilen:
  • Der Abzweigung der Aspangbahn von der Schnellbahn-Stammstrecke
  • und dem eigentlichen Bahnhof (der nur mehr für Güterverkehr verwendet wurde).
Betrieblich handelte es sich aber um einen zusammengehörigen Bahnhof. Hier sieht man einen Gleisplan davon. Interessant ist
  • die Gleisnummerierung, insbesondere die Nummern 4 und 6 der zwei Schnellbahngleise (sie waren von Wien Mitte bis Matzleinsdorf so bezeichnet);
  • dass sich im Bahnhof die Kilometrierungsrichtung ändert: Deshalb sind z.B. die beiden Signale, die als Einfahrsignale fungieren, mit Z6 und Z bezeichnet;
Bei einigen Weichennummern bin ich mir unsicher, ich habe sie mit ? markiert (und die Gleisnummern 1 und 2 an den Schnellbahngleisen sind falsch – Korrektur erfolgt bald):


Das EM55-Stellwerk der Abzweigung sicherte sowohl die Fahrstraßen auf der Schnellbahn wie auch die Fahrten in und aus dem Aspangbahnhof. Es hatte einen langen Namen: "Blockposten Meidling S6 – Abzweigung Wien Aspangbahnhof" – aber eigentlich fehlt darin, dass es als Fahrdienstleitung und Signalstellwerk für den ganzen Aspangbahnhof fungierte! Da die Weichen im Bahnhof ortsbedient waren, war es allerdings für diese Fahrten von zwei Weichenposten abhängig, die mittels Zustimmungsblockfeldern den Weichenverschluss meldeten.

Hier sieht man das EM55:

Wien Aspangbahnhof, 29.11.1986

Die Fahrstraßenschalter waren etwas eng belegt. Der Grund dafür war wohl, dass ein "Stoß" – also eine Baueinheit – des EM55 (wie aller mit der Siemens-Bauart 1912 verwandten elektromechanischen Stellwerke) aus 8 Schaltereinheiten bestand, auf denen man die 16 Fahrstraßen gerade so unterbrachte. Interessant ist insbesondere der dritte Schalter, auf dem eine Fahrstraße von Wien Mitte und eine andere von Wolfsthal liegen – also von gegenüberliegenden Seiten des Bahnhofs! Betrieblich sind diese zwei Fahrstraßen aber wohl praktisch nie zugleich nötig, und womöglich sind sie auch wegen eines Schutzwegs bei der Einfahrt auf das hinterste Gleis 56 gegenseitig ausgeschlossen:

Das ITT-Pult zeigt links die isolierten Gleise der Schnellbahn, rechts die Gleisanlage des eigentlichen Aspangbahnhofs. Unter dessen Gleisen befinden sich die weißen Lampen, die die Zustimmungen für Fahrten von den beiden Weichenposten her anzeigen:
  • Die linken sieben Lampen zeigen Zustimmungen vom Weichenposten 1 an. Dabei sind die linken drei Lampen für Ausfahrten – eine Zustimmung ist hier vorhanden für die Ausfahrt von Gleis 52 nach Wien Mitte. Die rechten vier Lampen sind für Einfahrten – hier ist eine Zustimmung für die Einfahrt auf Gleis 51 vorhanden. Diese beiden Zustimmungen "standen" an einem Samstag wie diesem durchgängig, weil kein Verschub stattfand und daher nur die Durchfahrten der S7 erfolgten.
  • Analog dazu zeigen die rechten sieben Lampen Zustimmungen vom Weichenposten 2 an. Hier stehen gerade die Zustimmungen für die Ausfahrt aus Gleis 51 sowie die Einfahrt in Gleis 52.

Wien Aspangbahnhof, 29.11.1986

Direkt neben dem Stellwerk befand sich der Bahnübergang der Adolf-Blamauer-Gasse, der mit einer Blinklichtanlage gesichert war. Das Verschubsignal V2, das hier links zu sehen ist, konnte übrigens offenbar nur Verschubhalt anzeigen: Am vorherigen Bild ist für dieses Signal keine Taste zu sehen, sondern nur für das V1:

Wien Aspangbahnhof, 29.11.1986

Hier sieht man die Überwachung dieser Anlage:

Wien Aspangbahnhof, 29.11.1986

Auch untertags rollten auf den Schnellbahngleisen nicht nur Schnellbahnzüge:

1042.707 mit Güterzug, Wien Aspangbahnhof, 29.11.1986

Die folgende "lange Lok" der Baureihe 4010 aus einem Triebwagen und dem zugehörigen Steuerwagen habe ich leider nur sehr unscharf abgebildet:

4010.06 als Lp (Leerpersonenzug) 86365, Wien Aspangbahnhof, 29.11.1986

Die nächsten zwei Aufnahmen zeigen das kleine Stellwerksgebäude:

Abzweigung Wien Aspangbahnhof, 29.11.1986

Abzweigung Wien Aspangbahnhof, 29.11.1986

Im Weichenposten 1 befand sich das folgende Trommelschlüsselwerk, auf dem zwei Blockfelder die Verbindung zum Signalstellwerk herstellten. Die Lampen auf dem sehr schematischen Gleisplan zeigten an, welche Fahrstraße von dort angefordert wurde:

Trommelschlüsselwerk und Blockapparat, WP1, Wien Aspangbahnhof, 29.11.1986

Am Schlüsselwerk waren die Weichen interessanterweise in der Reihenfolge 1, 3, 2, 4 angeordnet. Vielleicht hat das damit zu tun, dass 2 und 3 die Teile einer Kreuzungsweiche waren:

Trommelschlüsselwerk, WP1, Wien Aspangbahnhof, 29.11.1986

Trommelschlüsselwerk und Blockapparat, WP1, Wien Aspangbahnhof, 29.11.1986

Der Weichenposten war ein minimalistisches Zweckgebäude vor den Gründerzeithäusern im Hintergrund:

Weichenposten 1, Wien Aspangbahnhof, 29.11.1986

Das Ladegleis war schon lange außer Betrieb:

Haltescheibe, Wien Aspangbahnhof, 29.11.1986

Neben der Weiche 61 ins Ladegleis stand schon die erste Vorsignaltafel für das Einfahrvorsignal von Simmering Aspangbahn:

Weiche 61, Weichenposten 2, Wien Aspangbahnhof, 29.11.1986

Im Gegensatz zum anderen Weichenposten war das Gebäude des Weichenpostens 2 von einer besonderen Stellwerksform:

Weichenposten 2, Wien Aspangbahnhof, 29.11.1986

Und es scheint, als ob ich hier nicht ins Stellwerk hineindurfte – denn ich habe nur zwei Fotos von der Seite des Trommelschlüsselwerks gemacht. Eines ist so unscharf, dass ich es hier nicht zeige. Das andere sieht man hier:

Trommelschlüsselwerk, WP2, Wien Aspangbahnhof, 29.11.1986

Montag, 14. Januar 2013

Der Haken-Spitzenverschluss - eine Sonntagsbastelei aus Büroklammern

In Mitteleuropa haben Weichen üblicherweise außenliegende auffahrbare Spitzenverschlüsse. Das rührt daher, dass im Verband Deutscher Eisenbahnverwaltungen vorgeschrieben war, dass Weichen auffahrbar zu sein hatten, zugleich mussten aber bei der Fahrt gegen die Spitze die Weichenzungen sicher an den Backenschienen gehalten werden. Nach dem enorm verschleißanfälligen Pedalverschluss war der Hakenverschluss eine der ersten Konstruktionen, die die Forderung nach Auffahrbarkeit und zuverlässigem Festhalten der Zungenschienen erfüllte. Er war lange der Standardverschluss sowohl in Preußen als auch in Österreich und wurde erst in den dreißiger Jahren durch den Klammerverschluss abgelöst. In vielen Weichen hat sich der Hakenverschluss aber bis heute erhalten. Hier ist ein Beispiel für eine solche Weiche:


An dieser Weiche lassen sich schön die drei Phasen bei der Umstellung von Weichen mit Spitzenverschluss demonstrieren:
  • Zuerst klinkt bei der anliegenden Zunge der Weichenverschluss aus; die gegenüberliegende abliegende Zunge bewegt sich schon ein Stück Richtung Backenschiene.
  • Dann bewegen sich beide Zungen parallel bis zum Anliegen der bisher abliegenden Zunge an der Backenschiene.
  • Zum Schluss klinkt dort der Weichenverschluss ein, während sich die nun abliegende Zunge weiter von ihrer Backenschiene entfernt.


Weil man aber an dieser echten Weiche doch nicht alle Details sieht, wollte ich wieder eine Animation zusammenstellen, die die Funktionsweise dieses Spitzenverschlusses zeigt. Nach dem Zeichnen der ersten Diagramme ist mir dann aber eine Handvoll Büroklammern in die Hände gefallen, und da dachte ich ... wieso nicht einmal so? Herausgekommen ist ein etwas wackeliges Modell, an dem man aber zumindest einige wichtige Eigenschaften demonstrieren kann. Wer will, kann ja selber mit Laubsäge und Kombizange was Schöneres auf die Beine stellen!

Die Weiche


Die Weiche besteht in meinem Modell aus vier geraden Holzstäbchen:


Eigentlich sieht man in diesem Modell die Weiche von unten, denn ich werde die Einzelteile des Spitzenverschlusses ja auf diesen Holzstäbchen montieren. Als Zungen sehe ich Federzungen vor – Fichtenholz federt, wenn man es genügend dünn fräst, tatsächlich wunderbar. Auf den so erzeugten Backen- und Zungenschienen habe ich mit schwarzem Filzstift die Lage der "Fahrkanten", also der Innenseiten der Fahrschienen markiert. Das folgende Video zeigt den Zusammenbau der Weiche.


Ein simpler Weichenantrieb


Bevor ich den Hakenverschluss zusammenbiege, schauen wir uns zuerst einmal einen simplen Weichenantrieb an, wo die zwei Zungen durch eine starre Stange verbunden sind.


Das Klaffen der Zungen kann man leider auch nicht durch eine große Kraft (z.B. ein großes Gewicht) am Weichenantrieb verhindern: Bei der Darüberfahrt eines Zuges wirken kurzfristig so große Schlagkräfte, dass ein Kraftschluss nicht zuverlässig aufrecht zu erhalten ist. Die einzige mögliche Lösung ist, die Zungen durch Formschluss an den Backenschienen festzulegen. Genau das ist die Funktion eines Spitzenverschlusses.

Der Hakenverschluss der rechten Zunge


Im Video der Weichenumstellung am Anfang des Postings oben sieht man schon, wie ein Haken diesen Formschluss herstellt. Das folgende Video zeigt, wie ich einen solchen Hakenverschluss aus einer Büroklammer zurechtbiege.


Der Haken ist fertig. Er kriegt noch eine Antriebsstange, die ich aus Kupferdraht biege, damit man sie vom Haken unterscheiden kann.


Zum Vergleich hier ein Video eines echten Hakenverschlusses, das dieselbe Bewegung zeigt:


Das folgende Video zeigt, wieso der Anschlag auf der Zunge nötig ist. Wenn er entfernt wird, kann die Zunge nicht zuverlässig von der Backenschiene weggezogen werden. Mit dem Anschlag muss sich die Zunge mit der Antriebsstange mitbewegen, sobald der Haken sie vom festen Anschlag auf der Backenschiene freigibt.


Zusammenbau des ganzen Verschlusses



Beide Zungen bewegen sich


Ein Ausbund an Schönheit ist mein Büroklammergebiege ja nicht – aber hier sieht man, dass er die drei Phasen der Umstellung ganz gut hinkriegt:


Die Zungen sind verschlossen



Die Klinkprobe


Wenn sich ein Gegenstand zwischen Backenschiene und Zunge befindet, darf der Spitzenverschluss nicht einklinken, also sich nicht bis in die Endstellung bewegen lassen. Dadurch verhindert er, dass im Stellwerk der Weichenhebel die Endlage erreicht und dadurch eine Fahrstraße verschlossen und ein Signal auf Frei gestellt werden könnte.

Dieses Foto einer Klinkprobe (allerdings an einem Klammerspitzenverschluss) ist aus dem Posting über die Brigittenau:


Hier sieht man an meinem Büroklammermodell, wo der Hakenverschluss die Bewegung verweigert:


Und was passiert beim Auffahren?


Wir erinnern uns: Die Bauart der Spitzenverschlüsse in Mitteleuropa ergibt sich daraus, dass "immer schon" (seit den 1880er Jahren) gefordert wurde, dass sie auffahrbar sein müssen. Hier sieht man am Modell, wie sich das Auffahren abspielt:


Bei ortsbedienten Weichen klinkt nach einem Auffahren der Spitzenverschluss mit etwas Glück in der aufgefahrenen Lage ein, weil das Stellgewicht brutal in die andere Lage geworfen wird. Bei allen anderen Antrieben bleiben aber die beiden Zungen nach dem Auffahren unverschlossen, und daher darf man die Weiche dann auch keinesfalls in der Gegenrichtung, also Richtung Herzstück befahren – das führt fast sicher zu einer Entgleisung! Mehr als ein Lokführer wollte den kleinen Fehler des Auffahrens schon durch Zurückfahren korrigieren und hat mit der nachfolgenden Entgleisung eine viel größere Betriebsbehinderung produziert, wie zum Beispiel dieser Untersuchungsbericht zu einer Entgleisung in Ober Grafendorf im Jahr 2006 zeigt...

Warum eigentlich drei Phasen beim Umstellen?


Wenn man die Geometrie des Antriebs ein wenig ändert (ich habe die Antriebsstange ein wenig verlängert), dann sieht man, dass der Antrieb auch mit zwei Phasen auskommt:
  • In der ersten Phase wird die abliegende Zunge bewegt, die anliegende ausgeklinkt.
  • Wenn die anliegende Zunge sich zu bewegen beginnt, ist die andere schon an der Backenschiene angekommen, sodass dort der Verschluss mit dem Einklinken beginnt.
In diesem Fall gibt es also keine gleichzeitige Bewegung beider Zungen! Der Nachteil dieser Konstruktion ist, dass sie einen größeren Stellweg der Antriebsstange benötigt; und dass beim Auffahren auch die anliegende Zunge vom dort durchlaufenden Rad abgedrängt werden muss – Vorteil hat sie gar keinen, deshalb baut man den Verschluss auch nicht so:


Interessant ist auch noch, dass die Haken auch in anderen Orientierungen gebaut werden können: Z.B. auch nach vorne schlagend (dafür kenne ich allerdings keine Beispiele) oder auch nach oben schlagend, wie das in Italien üblich ist.

Ok – das war sicher kein Highlight der Modellbaukunst. Aber man erkennt an diesem simplen, ungenauen Modell trotzdem die wichtigen Eigenschaften dieses Spitzenverschlusses. Vielleicht finde ich (oder sonstwer!?) ja einmal Zeit, so was Ähnliches für den Klammerverschluss oder den Jüdelverschluss zusammenzubiegen. Die nächsten paar Postings werden aber wieder historische Bilder aus dem achtziger Jahren enthalten!

Update Jan.2013: Eine einfache Animation des Klammerspitzenverschlusses mit den drei Umstellphasen kann man auf dieser Webseite der Uni Stuttgart sehen.

Update Feb.2013: Erklärungen zu Spitzenverschlüssen und Links zu Videos einiger Bauarten findet man unter http://www.laenderbahn-forum.de/journal/bay-weichenverschluss/bayerweichenverschluss.html.

Ergänzung 6.5.2024: Hier sind noch vier Seiten aus dem Katalog der Firma Jüdel in Braunschweig von 1903, die in Bild und Text die zwei damals angebotenen auffahrbaren Spitzenverschlüsse zeigen: