Die „Projektierung“ ist der Vorgang, wo aus den Anforderungen – i.w. dem Lageplan eines Bahnhofes – der Bauplan für die Sicherungsanlage entsteht. Praktisch alle Sicherungsanlagen werden nicht von Grund auf neu konstruiert, sondern aus einem „Baukasten“ zusammengesetzt. Dieser „Baukasten“ hat von einer Aufsichtsbehörde eine Typengenehmigung bekommen, die sich auch darauf erstreckt, wie der Zusammenbau erfolgt. Insbesondere dürfen dabei an den „Bausteinen“ i.d.R. keine Änderungen vorgenommen werden, sonst ist die Sicherheit der Anlage (praktisch und rechtlich) dahin. Weil bei der Projektierung also keine Neukonstruktion erfolgt, ist das Ergebnis auch nicht ein klassischer Konstruktionsplan wie im Maschinenbau, sondern ein dem Typ der Anlage entsprechender Bauplan, der sich auf den „Baukasten“ bezieht. Für meinen in vorherigen Postings vorgeschlagenen „Zentralschloss-Baukasten“ muss ich nun auch ein zugehöriges Bauplan-Muster vorlegen, das als Unterlage für Projektierungen dient.
Alles Folgende habe ich frei erfunden – ich habe keine Ahnung, wie bei echten Eisenbahnen mit Zentralschlössern oder Schlüsselwerken die Projektierung stattfindet und welche Regeln und Hilfsmittel dafür existieren. Aber „irgendwie so ähnlich“ muss es bei ÖBB, DB, CD, MAV usw. gemacht werden ...
Die Pläne, die wir für unsere Zentralschloss-Projektierung brauchen, sind
- als „Input“ ein Gleisplan
- als „Output“ ein Verschlussplan, der mit einigen Informationen angereichert ist (nämlich den zu verwendenden Schlüsseln).
Gleispläne
Ich spreche im Folgenden nur von Zentralschlössern, die Abhängigkeiten zwischen Weichen und Hauptsignalen für Zugfahrten herstellen sollen. Neben der Freigabe eines Hauptsignals gibt es weitere Gründe für einen Weichenverschluss, z.B. eine Zustimmungsabgabe an ein anderes Stellwerk oder eine Nachtsperre des Bahnhofs. Diese meistens einfacheren Abhängigkeiten wird man leicht projektieren können, wenn man Signalabhängigkeiten projektieren kann.
Als Gleispläne sollen möglichst einfache, also schematische Pläne ausreichen – also keine originalgetreuen Lagepläne. Für Besonderheiten reichen textuelle Anmerkungen im Plan – das können z.B. besondere Durchrutschwege oder extra zu verschließende Weichen wegen anschließender Steilrampen sein oder was auch immer. In den folgenden Beispielen verzichte ich aber auf solche Spezialitäten.
Hier sind vier Gleispläne, die wir im Folgenden für die Projektierungsbeispiele verwenden werden.
A. Der erste Plan ist vermutlich der minimalste Bahnhof überhaupt, den man mit Fahrstraßensicherung versehen kann: Eine Weiche in die zwei Hauptgleise 1 und 2, ein einflügeliges Einfahrsignal, kein Ausfahrsignal.
B. Der zweite Plan zeigt eine Seite eines Bahnhofs mit Gruppenausfahrsignalen, wie das in Österreich auf vielen Nebenstrecken die Regel war (tatsächlich kam es sogar auf Hauptstrecken und bei größeren Bahnhöfen vor: Lienz, immerhin Zugbildebahnhof, war bei sieben Hauptgleisen bis in die 1980er Jahre so ausgerüstet!). Das entsprechende Zentralschloss würde in einem Endstellwerk dieses Bahnhofs aufgestellt sein. Der gegenseitige Ausschluss von feindlichen Fahrten auf den beiden Bahnhofsköpfen (z.B. Gegeneinfahrt auf Gleis 1) muss „irgendwo anders“ realisiert sein, z.B. in einem Befehlswerk in der Fahrdienstleitung.
C. Der dritte Plan zeigt einen voll signalisierten Bahnhofskopf für drei Hauptgleise. Ich habe mir die Freiheit genommen, hier die Gleise und Weichen nicht „österreichisch“, sondern „deutsch“ vom Empfangsgebäude her zu nummerieren – die Eisenbahngesellschaft in diesem Bahnhof „macht das eben so“ ... Als zusätzliche Schwierigkeit liegt hier innerhalb des Gleis 1 die Weiche 4 zu einem Ladegleis. Weil der linke Bahnhofskopf nicht angegeben ist, sind die Ausfahrsignale dort nur skizzenhaft als Einflügler gezeichnet. Auch hier sichert das Zentralschloss nur die Fahrten eines Bahnhofskopfes. Allerdings ist bei einem Bahnhof mit dieser vollständigen Signalisierung die Verwendung eines Zentralschlosses schon ziemlich unwahrscheinlich ... außer vielleicht bei Bauzuständen:
D. Der vierte Plan schließlich erweitert den vorherigen Bahnhof um den linken Bahnhofskopf. Ein entsprechendes Zentralschloss würde – wenn es denn verwendet würde – in der Fahrdienstleitung aufgestellt sein:
Bei allen Gleisplänen soll die Grundstellung oder Pluslage aller Weichen jeweils die Stellung in die Gerade sein.
Verschlussplan
Das Ergebnis einer Projektierung ist ein Verschlussplan, ergänzt um Details zu den Schlössern. Im Laufe der Projektierung entsteht dieser Plan Zug um Zug.
Der Verschlussplan ist eine Tabelle, wo für jede zu sichernde Zugfahrt beschrieben ist, welche Bahnhofselemente wie verschlossen sein müssen. Manche Einträge folgen dabei aus der „Physik“ der Eisenbahn – z.B. kann eine befahrene Weiche nur in einer Stellung verschlossen sein, die zum Zielpunkt der Fahrt führt. Viele Einträge ergeben sich aber „nur“ aus Vorschriften – z.B., welche Flankenschutzeinrichtungen verschlossen sein müssen. Hier gibt es einerseits anerkannte Regeln, andererseits kann von solchen Regeln auch abgewichen werden ... wenn es die jeweilige Aufsichtsbehörde erlaubt; Beispiele dafür sind etwa die Behandlung von Zwieschutzweichen zu verschiedenen Zeiten.
Die zulässige Darstellung von Verschlussplänen (und anderen Projektierungsunterlagen) unterscheidet sich von Eisenbahn zu Eisenbahn, zuständiger Aufsichtsbehörde zu Aufsichtsbehörde usw.usf. Also erfinde ich auch hier etwas, was für „meine Eisenbahn richtig ist“: In jeder Zeile der Tabelle wird eine Fahrtmöglichkeit angeschrieben; und je verschließbarer Stellung der Stellelemente gibt es eine eigene Spalte. An den Kreuzungspunkten von Zeilen und Spalten wird über einen einfachen Punkt markiert, ob die angegebene Stellung für die Fahrtmöglichkeit verschlossen werden muss. Der Sinn dieser Art der Darstellung ist natürlich, dass sie 1:1 in ein Zentralschloss übersetzt werden kann: Jede Zeile entspricht einem Fahrstraßenschieber, jede Spalte einem Weichenschieber, und genau an den markierten Punkten sind die Schrauben einzusetzen, die den gegenseitigen Verschluss bewirken.
Hier ist ein Beispiel eines solchen Verschlussplans – „v.u.n.“ bedeutet „von und nach“, d.h. jeder Fahrstraßenschieber sichert hier sowohl Ein- als auch Ausfahrt für das angegeben Gleis (mehr zu dieser „Zweirichtungsprojektierung“ weiter unten):
Fahrweg | |||
v.u.n. Gl.1 | |||
v.u.n. Gl.2 |
Fahrweg | ||
v.u.n. Gl.1 | ||
v.u.n. Gl.2 |
Fahrweg | ||||
Weichenschlüssel | ||||
v.u.n. Gl.1 | ||||
v.u.n. Gl.2 |
- Die Weiche 1 soll in der Plus-Stellung durch einen Schlüssel mit Profil p versperrt werden, in der Minusstellung durch einen Schlüssel mit Profil q.
- Die Weiche 4 wird in der Plusstellung durch einen Schlüssel mit Profil v gesperrt (in der Minusstellung kann sie nicht versperrt werden – vielleicht führt sie in ein Ladegleis).
- Für die Signale werden Schlüssel der Formen a und b verwendet, wobei in Klammern angegeben ist, was welcher Schlüssel am Signalhebelwerk (oder -schalterwerk) freigibt und – in eckigen Klammern – welches Prüfprofil dort im Schloss eingebaut ist.
Ein- und Zweirichtungsprojektierung
Im Großen und Ganzen gibt es zwei Möglichkeiten für die Projektierung eines Zentralschlosses, die ich so bezeichne:
- „Zweirichtungsprojektierung“
- „Einrichtungsprojektierung“
Bei der „Zweirichtungsprojektierung“ wird für eine Fahrt von einem Punkt A zu einem Punkt B (z.B. von einem Streckengleis auf ein bestimmtes Bahnhofsgleis) und für die Fahrt der Gegenrichtung (von dem Bahnhofsgleis auf das Streckengleis) derselbe Fahrstraßenschieber verwendet. Bei der „Einrichtungsprojektierung“ gibt es dagegen für die Fahrten A?B und B?A zwei verschiedene Fahrstraßenschieber. Wenn zwischen zwei Punkten nur Zugfahrten in einer Richtung stattfinden können (z.B. bei einer zweigleisigen Strecke mit Richtungsbetrieb), dann ist diese Unterscheidung irrelevant – aber der Löwenanteil der Zentralschlösser wird auf eingleisigen Strecken eingesetzt, wo es i.d.R. beide Fahrmöglichkeiten zwischen zwei Punkten gibt.
Beide Arten der Projektierung haben ihre eigenen Nachteile und „trickreichen Lösungen“, die ich weiter unten beschreibe. Ob eine bestimmte Art der Projektierung jeweils für Ihre (Modell-)Eisenbahn zulässig ist, müssen Sie mit Ihrer lokalen (fiktiven) Landes- oder Bundes- oder anderen Aufsichtsbehörde klären ...
In der Realität habe ich für die Freigabe von Signalschlüsseln nur Zentralschlösser mit Einrichtungsprojektierung gesehen, Zweirichtungsprojektierung dagegen nur für Zustimmungsschlüssel. Prinzipiell können aber in manchen nicht zu komplexen Fällen auch mit Zweirichtungsprojektierung signaltechnisch sichere Hauptsignalabhängigkeiten hergestellt werden.
Ich beginne mit der Einrichtungsprojektierung, weil sie einfacher zu erklären und in der Wirklichkeit vorherrschend ist.
Einrichtungsprojektierung
Beispiel A.
Hier gibt es nur zwei Fahrmöglichkeiten mit Signalverschluss:
- Vom Signal A in das Gleis 1 – oder korrekter: Bis zum Fahrwegende im Gleis 1.
- Vom Signal A bis zum Fahrwegende im Gleis 2.
Fahrweg | ||
von Re in Gl. 1 | ||
von Re in Gl. 2 |
Weil das einflügelige Signal A für beide Fahrten mit dem gleichen Hebel freigestellt wird, sieht man für beide Fahrten denselben Signalschlüssel vor – nehmen wir der Einfachheit halber die Form a. Die Weichenschlüssel müssen sich natürlich unterscheiden, und sie müssen sich auch vom Signalschlüssel unterscheiden, sonst wäre das ganze Zentralschloss witzlos.
Ach ja – eigentlich ist das Zentralschloss hier witzlos: Man könnte einfach zwei gleiche Weichenschlüssel verwenden und damit das Signal direkt aufsperren. Aber diese sonderbare Sonderlösung will ich hier ignorieren – wir wollen schließlich Zentralschlösser projektieren.Wir wählen für die Weichenschlösser die Formen p und q (wieso nicht?) und erhalten als Projektierungsunterlage:
Fahrweg | |||
Weichenschlüssel | |||
von Re in Gl. 1 | |||
von Re in Gl. 2 |
Beispiel B.
Auf zum nächsten Beispiel:
Noch immer nur eine Weiche, aber nun zwei Signale und vier Fahrwege mit der jeweils entsprechenden Weichenstellung:
Fahrweg | Signalschlüssel | W1+ | W1– |
Weichenschlüssel | |||
von Re in Gl. 1 | • | ||
von Re in Gl. 2 | • | ||
aus Gl. 1 nach Re | • | ||
aus Gl. 2 nach Re | • |
Für das Signal A brauchen wir nun zwei Schlüssel – einen für den Hebel, der einflügelig freistellt, den zweiten für zweiflügeliges Freistellen. Für das Gruppenausfahrsignal H1-2 hingegen reicht wieder eine Schlüsselform für beide Fahrwege. An der Weiche setzen wir weiterhin die Schlüssel p und q ein.
Fahrweg | |||
Weichenschlüssel | |||
von Re in Gl. 1 | |||
von Re in Gl. 2 | |||
aus Gl. 1 nach Re | |||
aus Gl. 2 nach Re |
- Die Verriegelung der Signale gegeneinander erfolgt erst bei den Signalhebeln: Beide Schlüssel können tatsächlich aus dem Zentralschloss entnommen werden, aber über eine „Signalsperre“ (direkt zwischen den Signalhebeln) oder über sich gegenseitig blockierende Signalschieber im Signalstellwerk wird das gleichzeitige Freistellen verhindert. Diese Lösung wurde in Österreich in vielen Fällen verwendet.
- Im Zentralschloss werden Abhängigkeiten zwischen den Fahrstraßenschiebern hergestellt. Dazu müssen einige dieser Schieber ihre Bewegung auf vertikale Schieber übertragen, die dann wie Weichenschieber von anderen Fahrstraßen geprüft werden können. Hier ist ein Vorschlag dafür:
Fahrweg Signalschlüssel W1+ W1– v.Re in Gl.1 v.Re in Gl.2 Weichenschlüssel p q von Re in Gl. 1 a (A/1fl. [a]) • ⇓ von Re in Gl. 2 b (A/2fl. [b]) • ⇓ aus Gl. 1 nach Re c (H1-2/1fl. [c]) • • aus Gl. 2 nach Re c (H1-2/1fl. [c]) • •
Der Pfeil nach unten ⇓ soll hier bedeuten, dass der waagrechte Fahrstraßenschieber hier einen senkrechten Schieber mitbewegt. Nun kann z.B. der Schieber „aus Gl.1 nach Re“ prüfen, dass der Schieber „v.Re in Gl.1“ in Grundstellung steht (sein Schlüssel eingeschlossen ist). Diese Lösung wird z.B. beim deutschen Einreihenschlüsselwerk verwendet. - Eine Alternative, die die zusätzliche Mechanik von Lösung 2. erspart, ist die Einführung eines zusätzlichen Schlüssels für „Ein- oder Ausfahrt“. Dieser Schlüssel wird entweder in das Schloss für „Einfahrt“ oder jenes für „Ausfahrt“ gesperrt – abhängig davon werden nur die Einfahr- oder nur die Ausfahrschieber freigegeben:
Fahrweg Signalschlüssel W1+ W1– Einfahrt Ausfahrt Weichenschlüssel p q r r von Re in Gl. 1 a (A/1fl. [a]) • • von Re in Gl. 2 b (A/2fl. [b]) • • aus Gl. 1 nach Re c (H1-2/1fl. [c]) • • aus Gl. 2 nach Re c (H1-2/1fl. [c]) • •
Solche „Hilfsschlüssel“ gab es tatsächlich in mehreren Stellwerken. Ein umfängliches Beispiel, allerdings mit Trommelschlüsselwerken statt Zentralschlössern, stand lange in Wampersdorf.
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