Sonntag, 11. August 2013

Ein halbwegs einfaches Zentralschloss für Modellbahnen: Konstruktionselemente, Prototyp

English version

Im letzten Posting habe ich erklärt, wie die Zwangsführung des Schiebers durch den Schlüssel funktioniert; und bin kurz auf die Kröpfung der Schieber und die Umlenkung für ein Einreiehnschlüsselwerk oder besondere Fahrtausschlüsse eingegangen.

Dieses Posting hier erklärt eine mögliche Anbindung des Zentralschlosses an eine Modellbahn, das allgemeine Baukonzept und zeigt einen minimalen Prototyp, den ich gebaut habe.


Das Weichenschloss


Wie weiter oben schon erklärt, befindet sich etwa die Hälfte der Schlösser gar nicht am Zentralschloss, sondern an der Außenanlage und am Signalwerk, wo sie mit anderen Teilen der Modellbahn verbunden werden müssen. Ich beschreibe hier meine Überlegungen zu Weichenschlössern – Signalschlösser sind dann nur mehr „halbe Weichenschlösser“.

Zur Weichensteuerung gibt es bei einer Modellbahn zumindest die folgenden Möglichkeiten:
  1. Die Weichen haben elektrische Antriebe und sollen möglichst einfach gestellt werden.
  2. Die Weichen haben elektrische Antriebe und sollen mit einem eigenen Hebel – z.B. einem dem Vorbild nachempfundenen Stellgewicht – gestellt werden.
  3. Die Weichen werden mechanisch – etwa über Bowdenzüge – von einem eigenen Hebel gestellt.
Ich gehe hier einmal nur auf den ersten Fall ein, für die anderen muss man sich wegen der vorhandenen mechanischen Teile eigene Konstruktionsergänzungen überlegen.

Bei einer Weiche mit zwei Schlössern – die also in beiden Lagen verschlossen werden kann – ist das Problem, dass wir im Gegensatz zur Realität die zwei Weichenschlösser nicht (auf einfache Art) mechanisch mit der Modellbahnweiche verbinden können. Damit kann auch nicht die Weiche selbst durch ihre Lage sicherstellen, dass aus höchstens einem der beiden Schlösser ein Schlüssel entnommen wird. Wir müssen also hier eine indirekte Verbindung herstellen.

Die hier beschriebene Lösung ist i.w. jene, die bei der Schulungsanlage der ÖBB in Wien Süd – immerhin einer Ausbildungsanlage für richtige Fahrdienstleiter – realisiert war:
  • In der Nähe der Weiche sind mitten in der Landschaft (so war es in Wien Süd!) oder am Anlagenrand je Weiche zwei Weichenschlösser vorhanden, die beim Umsperren auch die Weiche umstellen.
  • Die zwei Weichenschlösser sind so gegeneinander verriegelt, dass höchstens einer der beiden Schlüssel entnommen werden kann, und dass die Stellung der Weiche dann passend ist.

Hier ist eine Prinzipdarstellung dieser Konstruktion für eine Weiche W1, die Erklärung folgt gleich danach:


Oben sehen wir den Doppelspulenantrieb der Weiche, von dem wir annehmen, dass er endabgeschaltet ist (ein Motorantrieb ist natürlich genauso möglich). Unten sind zwei von den Weichenschlüsseln bewegte kleine Schieber (blau und orange) dargestellt; darunter ist ein dreieckiges Plättchen (grün), das sich um die dargestellte kreisförmige Achse drehen kann und das zugleich den Schalter bedient.
  1. In der links gezeigten Stellung ist der linke Schlüssel (W1+) entnommen, daher ist der blaue Schieber nach unten verschoben. Das grüne Plättchen wird von ihm nach rechts gedrängt und schaltet daher die Weichenantriebsspule für W1+ ein, sodass die Weiche in dieser Stellung steht. Zugleich verhindert das Plättchen auch, dass sich der orange Schieber nach unten bewegen kann (er müsste dann das grüne Plättchen in den blauen Schieber hineindrücken!), und daher ist der Schlüssel W1– (durch die graue Markierung angedeutet) im Schloss eingesperrt.
  2. Wenn der W1+-Schlüssel aus dem Zentralschloss genommen und im linken Weichenschloss umgesperrt wird (mittleres Diagramm), dann geht zwar der blaue Schieber nach oben, aber sonst passiert nichts – ich nehme hier an, dass der vom Plättchen bewegte Schalter eine Raststellung hat und daher nicht einfach „von selbst“ die Stellung wechselt.
  3. Wenn nun aber der W1–-Schlüssel umgesperrt wird, um ihn zu entnehmen (rechtes Diagramm), dann wird das Plättchen nach links gekippt und schaltet damit einerseits die Spule für W1– ein, andererseits wird nun der blaue Schieber an der Bewegung nach unten gehindert, sodass der W1+-Schlüssel eingeschlossen ist.
  4. Wenn der W1–-Schlüssel wieder eingesperrt wird, erreichen wir wieder die mittlere Stellung, allerdings werden Plättchen und Schalter in der unten gezeigten Position verbleiben, sodass die Weiche noch in der Minusstellung verbleibt, bis jemand den W1+-Schlüssel umsperrt, was uns wieder zu Punkt 1. führt.
Aus Sicht des Zentralschlosses ist die ganze grau umrahmte Einheit – also Weiche mit Antrieb und gegeneinander verriegelten Schlössern – „die Weiche“; dass ihre Teile auf der Anlage vielleicht einige Meter auseinander liegen, „weiß“ das Zentralschloss nicht: Es „nimmt an“, dass die verfügbaren Schlüssel immer mit der Stellung der Weiche korrespondieren. Und die angegebene Mechanik stellt dabei sicher, dass nicht beide Schlüssel zugleich im Zentralschloss stecken können.

Allerdings ist (hoffentlich) klar, dass diese Konstruktion – im Gegensatz zu allen anderen Konstruktionen, die ich hier vorstelle – nicht sicherungstechnisch sicher ist! Sie ist eben die „Schnittstelle“ zwischen der Sicherheitswelt und der „hoffentlich funktionierenden“ Modellbahntechnik. Vermutlich ist es möglich, mit größerem mechanischen oder elektrischen Aufwand auch eine sichere Verbindung zwischen den Zungen einer Modellbahnweiche und Weichenschlössern herzustellen – aber das ist ein ganz anderes Thema und geht weit über das hinaus, was ich hier vorstellen will.

Wenn eine Weiche nur in einer Stellung verschlossen werden soll, dann reicht ein Schloss, dessen Schieber direkt den Weichenschalter betätigt:


Im Detail sind die Weichenschlösser etwas anders konstruiert, aber das dient nur der einfacheren Herstellung. Hier ist ein Verweis auf meine aktuelle Konstruktionszeichnung:


Signalschlösser


Mit dem entnommenen Fahrstraßenschlüssel soll schlussendlich ein Signal gestellt werden – dafür brauchen wir ein weiteres Schloss mit Schalter. Es kann aber so wie ein einfaches Weichenschloss aufgebaut sein – siehe das Beispiel oben.


Zuhaltung


Wie weiter oben erklärt, haben die Schlösser keine Zuhaltung. In der unteren Stellung werden sie daher nur durch die Feder festgehalten. Allerdings könnte man eine Zuhaltung ergänzen. Zuerst habe ich es auf der üblichen Seite versucht (d.h. so, dass der Bart die Zuhaltung anhebt) – da verheddert man sich aber sehr mit anderen Teilen der Konstruktion. Dann ist mir eingefallen, dass man die Zuhaltung von der Rückseite des Schlüssels bedienen lassen könnte. Der folgende Link verweist auf eine Skizze einer Konstruktion aus einem Stück Federdraht, das in den Abstandshaltern befestigt wird. Ich habe dieses Patent aber nicht ausprobiert und vermute, dass man es in einigen Details verbessern müsste, damit es praktisch funktioniert.


Baukonzept


Die ganze Konstruktion ist darauf ausgelegt, dass man sie mit etwa 1mm Genauigkeit herstellt. Für eine Feinmechanik ist das ziemlich (eigentlich sogar sehr) ungenau, aber die Konstruktion soll ja „hobby-tauglich“ sein.

Für die Herstellung der Bauteile (Schieber, Schlüssel, Prüfprofile, Grundplatte sowie Deckplatte mit Schlüssellöchern) gibt es zumindest die drei folgenden Verfahren, die man auch mischen kann:
  1. Die Bohr- und Sägestellen der Einzelteile werden einzeln direkt auf dem Rohmaterial angezeichnet, danach werden die Teile einzeln gesägt und gebohrt.
  2. Man baut sich Bohr- und Sägelehren, durch die man ohne Anzeichnen direkt die Bohrungen und Sägeschnitte vornehmen kann.
  3. Man druckt Maßzeichnungen auf Klebefolie, die man auf dem Rohmaterial anbringt. Direkt durch die aufgeklebten Folien kann man nun die Bohrungen und Schnitte vornehmen.

Die drei Verfahren haben verschiedene Vor- und Nachteile:
  • Die Verwendung von Lehren ergibt im Durchschnitt ungenauere Einzelteile als die direkte Herstellung: Denn es addieren sich die Fehler von der Lehrenherstellung mit jenen bei der Verwendung der Lehren (wenn die Lehrenherstellung mit derselben Genauigkeit wie die direkte Herstellung erfolgt). Andererseits ist man mit passend gefertigten Lehren viel schneller, und die Maximalfehler werden begrenzt. Es kann also durchaus sinnvoll sein, Lehren zu bauen, damit man schnell ein Teil noch einmal fertigen kann, das zu ungenau geworden ist.
  • Das Klebeverfahren kann man als Lehrenverwendung von „Wegwerflehren“ betrachten. Weil Drucker heutzutage auf mindestens 0,1mm genau und genau 1:1 ausdrucken können, ist es vermutlich das einfachste Verfahren, wenn man ein kleineres Zentralschloss herstellen will – man erspart sich den Zeitaufwand (und die Frustrationen) der Lehrenherstellung, vermeidet aber auch Fehler und Zeitaufwand des Einzelanzeichens.
  • Das Einzelanzeichnen ist, entsprechende Sorgfalt vorausgesetzt, das genaueste Verfahren, aber braucht eben bei jedem Einzelteil seine Zeit.
Ziemlich sicher ist eine passende Mischung das Richtige: Ich könnte mir vorstellen, dass man größere Teile (Grund- und Deckplatte) einzeln anzeichnet, während man mehrfach herzustellende Teile (Schieber, Schlüssel, Schlösser) mit dem Klebeverfahren herstellt. Immer dann, wenn einem eine genaue Einzelarbeit zu aufwendig wird (insbesondere Sägearbeiten mit dem Umstellen eines Anschlages), fertigt man eine Lehre für diesen Schritt an.

Noch ein paar allgemeine Punkte zur Herstellung – Leute mit Werkstatterfahrung wissen das alles und noch viel mehr, aber vielleicht hilft’s dem einen oder anderen:
  • Genaues Anzeichnen ist enorm wichtig. Ich kann das nur mit einem Geo-Dreieck – damit schaffe ich ca. 0,3mm Genauigkeit. Als Zeichengeräte verwende ich
    • auf Holz einen ordentlich gespitzten – und immer wieder nachgespitzten – Bleistift (oder einen Druckbleistift mit 0,5mm-Mine)
    • auf Blech und Acrylglas eine Reißnadel.
    Mit beiden Geräten muss man das genaue Anlegen an Markierungen üben: Durch die Minenstärke und eventuell die schräge Position des Zeichengeräts verläuft die gezeichnete Linie ein wenig neben der Kante des Dreiecks. Diese Distanz muss man durch Übung abschätzen lernen. Darüber hinaus muss man lernen, wie man genaue Markierungen anbringt (so kurz wie möglich – lieber dann mit Bleistift einkreisen) und wie man lange Linien zieht (Dreieck oder Lineal sofort so festhalten, dass man nicht umgreifen muss). Zeichnen im Schattenwurf des Dreiecks oder Lineals ist ganz schlecht – dann das Werkstück umdrehen.
  • Auch seine Werkzeuge und Maschinen muss man kennen. Durchschnittliche Tischbohrmaschinen haben etwas vertikales Spiel im Lager, sodass die Anzeige auf dem Tiefenanschlag nur sehr ungefähr stimmt. Bohrer verkanten sich beim Austritt an der Werkstückunterseite und können dieses nach oben reißen oder kreiseln lassen. Stichsägen und Bandsägen erzeugen bei der ersten Berührung durch das Werkstück einen Ruck, der das präzise angelegte Stück „aus der Bahn wirft“. Anschläge sind nicht exakt im rechten Winkel oder haben etwas Spiel. Alles das kann man durch Wissen und rechtzeitiges kräftiges Festhalten in den Griff bekommen oder besser durch Einspannen – möglichst in einem schweren Maschinenschraubstock, nicht in den leichten Dingern, die man im Baumarkt kriegt und die nur außen so ähnlich aussehen –, bevor man sich um Tausende Euros mit neuen Maschinen eindeckt und dann feststellt, dass man auch diese bedienen lernen muss ...


Ein Prototyp


Hier sieht man einige Aufnahmen des Prototyps, den ich nach meinen Ideen oben einmal zusammengeschneidert habe. Die Genauigkeit ist so mäßig wie angekündigt (ca. ein Millimeter), aber die Schlösser tun – mit Ausnahme eines Konstruktionsproblem, das ich noch lösen müsste – ihren Dienst.

Das erste Bild zeigt links ein Zentralschloss mit Schlössern für eine Weiche sowie zwei Fahrstraßen, rechts das zugehörige doppelte Weichenschloss. Ein paar Anmerkungen, bevor mich jemand überfällt:
  • An diversen Dübeln und Schraubenlöchern sieht man, dass ich schon etwas herumexperimentiert habe ... eigentlich müsste man die Dinger von Grund auf neu bauen.
  • Sicherungstechnisch natürlich vollkommen unakzeptabel ist, dass beide Schlösser unter der Frontplatte offen sind!
  • Das Zentralschloss hat außerdem eine zu kleine Grundplatte (die Fahrstraßenschieber schauen links hinaus). Da habe ich mich leider verrechnet.
  • Das Zentralschloss ist für mehr Schieber vorgesehen – wenn ich irgendwann Lust habe, baue ich noch eine Umlenkung drauf und vielleicht noch einen Fahrstraßenschieber.
  • Die „Minusschlüssel“ habe ich nicht, wie in Österreich üblich, mit dreieckigem Griff versehen, sondern viereckig gelassen. Zwei Sägeschnitte je Schlüssel würden reichen, um das zu korrigieren ...



Die folgenden zwei Bilder zeigen das Zentralschloss allein und ein Detail davon:



Hier noch ein paar Bilder des Weichenschlosses:




Und zum Schluss hier ein paar Bilder der Lehren, die ich mir gebaut habe. Das erste Bild zeigt vorne die Bohrlehren, die „überlebt“ haben. Hinten, auf dem „Blechhaufen“ und daneben und dahinter, liegt eine ganze Reihe Lehren, die ich verwerfen musste, weil sie viel zu ungenau waren:


Hier sieht man etwas genauer die Bohrlehre für Schlüssel und Prüfprofile ...


... und jene für Schieber:


Zuletzt sind hier noch die Sägelehren, mit denen man Schlüssel und Prüfprofile halbwegs schnell mit der Bandsäge (oder einer eingespannten Stichsäge) schlitzen kann:



Beim Herumbauen habe ich einige Erkenntnisse über die Verarbeitung von Acrylglas gewonnen – unter anderem, dass es ziemlich splittern kann und deshalb eine Schutzbrille beim Sägen unbedingt nötig ist! Viele weitere Punkte schreibe ich nicht auf, weil das hier kein Handwerksforum werden soll. Wenn jemand interessiert ist, so etwas oder etwas ähnliches zu bauen, freue ich mich über EMails oder auch Austausch im Modellbahn-Anlagen-Design-Forum (oder sonstwo).

Als Abschluss meiner praktischen Arbeiten kommt hier ein Video, das den ganzen Vorgang vom Sperren der Weiche bis zur Freigabe des Signalschlüssels und zurück zeigt (ein Signalschloss habe ich nicht konstruiert, daher „verschwindet“ der Signalschlüssel „irgendwohin“, um das Signal freizustellen):



Im nächsten und übernächsten Posting werde ich mich wieder vom konkreten Bau zurückziehen und mich der Projektierung von Zentralschlössern widmen, also der Frage „Wie komme ich vom Gleisplan zum passenden Zentralschloss?“.

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