Freitag, 3. Juli 2015

Die A-Karte

Weil Manfred im "500er-Posting" gefragt hat, wie ich in die Stellwerke gekommen bin, verliere ich hier kurz ein paar Worte dazu.

Ganz am Anfang, als ich noch nicht in Wien und unter 18 war, bin ich meistens auf gut Glück zu Bahnhöfen gefahren und habe gefragt. In Lienz haben mich die Stellwerker sowieso gekannt, aber auch sonst auf der Drautalstrecke waren die Fahrdienstleiter und Stellwerker einem "verrückten jungen Fotografen" gegenüber ziemlich nachsichtig. Für meine ersten Besuche in St.Valentin und am Salzburger Hauptbahnhof habe ich förmliche Briefe an die Bundesbahndirektion in Linz geschrieben, die ein Hr. Ing. Wlk freundlich beantwortet hat: Ich muss mich vorher bei Bahnhofsvorstand melden, der mir, wenn er mir den Besuch erlaubt, einen Beamten als Führer mitgeben soll, dessen Anweisungen ich zu befolgen habe. Das hat alles ganz prächtig funktioniert – in Salzburg musste ich allerdings für den Besuch der Fahrdienstleitung West und des Stellwerk 9 durch den Zoll gehen, weil dieser Bahnhofsteil ja damals Zoll-Ausland war. Die "Beaufsichtiger" sind dann meistens gleich verschwunden, wenn sie mich abgeliefert hatten, weil sie Besseres zu tun hatten, und ich bin dann mutterseelenallein über die Gleise zurückmarschiert. Niemand hat sich beschwert.

Als ich dann 1980 nach Wien gekommen bin, hab ich kurz darauf einen Elektrotechnikstudenten kennengelernt, der mich zur ÖGEG mitgenommen hat. Nach zwei oder drei Treffen hab ich mich über mein Spezial-Stellwerks-Hobby ausgelassen, worauf mir dann jemand erzählt hat, dass er ohne Probleme eine Erlaubniskarte der Lichtbildstelle der Generaldirektion für mich organisieren könnte. Schwierig zu bekommen wäre der "L"-Stempel – also die dauerhafte Erlaubnis für das Mitfahren auf Führerständen –, aber den wollte ich ja gar nicht. Ein mittlerer Verwaltungsobulus war dafür fällig, aber der war nicht der Rede wert. Und ab dann bin ich mit dieser Karte durch die Lande gezogen und habe sie dem jeweiligen Fahrdienstleiter vorgelegt – manche haben sich gewundert und gemeint, dass ich das eh nicht gebraucht hätte, manche haben sie genau studiert, aber ich habe keinen einzigen erlebt, der mich vor die Tür gesetzt hätte.

Sogar als ich rund um den entgleisten 4030 in St.Pölten fotografiert habe, war das kein Problem. Ein Verantwortlicher im Anzug hat sich zwar meine A-Karte vorne und hinten genau angesehen, aber sie mir dann kommentarlos zurückgegeben und keine Einwände gegen mein Tun gehabt.

Nur zweimal in dieser ganzen Zeit hab ich mir einen Rüffel geholt, beides mal von Bahnhofsvorständen: Einmal, als ich in Amstetten nicht brav über den Bohlenübergang zum Stellwerk 2 marschiert bin, sondern diagonal über die Gleise. Unglücklicherweise ist mir ausgerechnet dort der Herr Bahnhofsvorstand begegnet, der mir eine ziemlich lautstarke Standpauke gehalten hat, dass ich mich an die allgemein üblichen Regeln zu halten hätte und er mich bei erneutem Verstoß von seinem Bahnhof verweisen würde. Ich habe mir das – zumindest auf seinem Bahnhof – zu Herzen genommen und keine weiteren Beschwerden gehört. Das zweite Mal war am Grazer Hauptbahnhof, wo der Bahnhofsvorstand mir eine längere, etwas unangenehme Rede zur Sicherheit und den Vorschriften im allgemeinen gehalten hat. Schlussendlich hat er mir doch erlaubt, dass ich durch einen seiner Untergebenen begleitet den Verschubbahnhof besuchen durfte – der sich dann beim ersten Stellwerk verkrümelt und mich allein weitermarschieren lassen hat. Alles das war eigentlich vollkommen in Ordnung (der Ton war halt etwas ruppig), und eigentlich hat man damals eher zu wenig drauf geschaut, wenn da ein Irgendwer wie ich einfach so über die Gleise gestolpert ist – gefährlich war der Eisenbahnbetrieb ja schon immer.

Also bin ich fröhlich mit meiner Erlaubniskarte durch die Lande gezogen, und einmal im Jahr, irgendwann im Jänner, bin ich in die Lichtbildstelle in der Elisabethstraße gepilgert und habe mir dort eine neue Karte abgeholt, was bis 1990 ohne jedes Problem funktioniert hat. Der Preis ist im Lauf der Zeit ein paar Mal sprunghaft angehoben worden, aber da ich ab 1985 nicht schlecht verdient habe, hat mich das nicht gestört.

Ab 1991 allerdings hat mein Interesse an der Eisenbahn rapide nachgelassen, und so habe ich in diesem Jahr keine neue Karte mehr geholt – die letzte, von 1990, hat dann die nächsten 20 Jahre in einem meiner Tagebücher überwintert, wo ich sie dann unerwartet wieder entdeckt habe. Hier ist sie zu sehen:



Den letzten Punkt mit der "unaufgeforderten Rückgabe" habe ich offensichtlich schändlich missachtet – ich hoffe aber doch sehr, dass dieses Vergehen mittlerweile verjährt und vergessen ist.

2 Kommentare:

  1. S.g. Herr Müller, ich studiere schon seit geraumer Zeit ihre Postings, einige Bahnhöfe kenne ich aus meiner Dienstzeit, alles in allem sind sie hoch interessant und finde es daher sehr schade, daß ihr Interesse an der Eisenbahn seit 1991 nachgelassen hat - warum eigentlich? Ich hoffe doch, daß noch einige Beiträge folgen werden!

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    1. Naja - das übliche :-) : Freundin, dann Frau, dann Familie. Aber so ganz verschwunden ist das Interesse nicht, sonst würde ich ja nicht das alles hier aufschreiben und noch immer hin und wieder neue Fotos machen. Nur den Ehrgeiz, den ich früher hatte: Jeden Monat mindestens 10 Bahnhöfe durchfotografieren - den hab ich nicht mehr :-)

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